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Ist alles durch Trauma bedingt, alles durch Gene, oder...?
@IBI
Ich habe den Eindruck, dass du darüber hinweg gehst, dass ich auf der vorigen Seite ein paar Rechte aufgezählt habe. Du möchtest nicht, dass deine Rechte verletzt werden. Du bist doch gut darin, dir vorzustellen, dass es bei anderen genauso ist wie bei dir: Dann wende es doch bitte auf diesen Punkt an.
Neuroplastizität können alle Leute. Egal, ob was bei jemandem Traumafolgen sind oder das Hirn schräg verdrahtet ist oder gar der Balken fehlt oder man etwas einfach falsch gelernt hat. 🤗
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Zitat von Anna1111 im Beitrag #172
Und ich dachte, Kopfschmerzen kommen davon, dass ein Gehirnteil eben nicht gut durchblutet wird...
Anna, beides ist möglich.
Wenn die Durchblutung einsetzt, ist es für das Gehirn an der Stelle genauso ungewohnt, wie wenn die "Durchblutung" fehlt.
Kamillentee mit Zitrone ist das Kopfwehmittel, das ich zuerst probiere, ehe ich vielleicht mal eine Tablette nehme, die die Durchblutung unterstützt, aber nicht den "Aufbau neuer synaptischer Kombinationswege".
Hallo @IBI,
nun habe ich es eine ganze Weile vor mir her geschoben, diesen Beitrag zu schreiben, und offensichtlich werde ich nichts anderes schreiben, bevor ich das nicht erledigt hab - also fange ich heute damit an: Ich muss zu diesem Thema so einiges, was ich geschrieben habe, zurücknehmen!
Neulich war ich in einer Veranstaltung. Thema war u.a. das Buch "Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind" von Johanna Haarer, erschienen 1934. Das war in der Nazizeit *der* Erziehungsratgeber - und das Buch hätte den Untertitel "Wie man Kinder systematisch traumatisiert" verdient! Die Zitate haben mich richtig schockiert, und ich musste sofort an das denken, was du geschrieben hast... Ich war bisher davon ausgegangen (obwohl ich irgendwann vor vielen Jahren auch mal Alice Miller gelesen hab), dass frühkindliches Trauma etwas eher Seltenes ist. Darin habe ich mich geirrt. Hier nur mal ein Zitat als Beispiel, das ich von Wikipedia kopiert habe und in dem eine Wissenschaftlerin die Empfehlungen zusammenfasst:
Zitat
Das Kind soll tags wie nachts in einem stillen Raum für sich sein. Die Trennung von Familie und Kind beginnt gleich nach der Geburt: Sobald der Säugling gewaschen, gewickelt und angezogen ist, soll er für 24 Stunden allein bleiben. Erst danach soll er der Mutter zum Stillen gebracht werden. Von der ersten Minute des Lebens an wurde also alles getan, um die Beziehungsunfähigkeit zu fördern. Alles war verboten, was Beziehung förderte. Denn das Hauptziel bestand darin, die Beziehung zwischen der Mutter oder den Eltern und dem Kind gar nicht erst entstehen zu lassen. Diesem Zweck dienen auch Haarers Forderungen, keine Zeit gemeinsam zu verbringen außer beim Füttern, Windelwechseln, Anziehen, Baden. Dafür aber waren genaue Zeitspannen vorgegeben. Das Füttern mit der Flasche sollte keinesfalls länger dauern als zehn Minuten, das Stillen nicht länger als zwanzig Minuten. Wenn das Kind ›bummelt‹ oder ›trödelt‹, soll das Füttern oder Stillen abgebrochen werden. Essen gibt es erst wieder bei der nächsten planmäßigen Mahlzeit. Hat das Kind bis dahin Hunger, geschieht es ihm erstens recht und zweitens lernt es dann, dass es sich beim nächsten Mal mehr beeilen muss.
24 Stunden!!! Ein Neugeborenes! Das allein reicht wirklich aus, um einen bleibenden Schaden anzurichten.
Allerdings - wenn eine solche "Erziehung" die Ursache von Messiewohnungen wäre, dann wäre Messietum der Normalfall in Deutschland, zumindest unter den älteren Menschen. Und das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Ich wundere mich oft, wie sogar Leute, die sich ohne Rollator nicht mehr auf den Füßen halten können, es bloß schaffen, dass ihre Wohnung so pikobello ist? Allerdings könnte m.E. in vielen Fällen eine Entfremdung von den eigenen unmittelbaren Bedürfnissen dahinterstecken. Das soll natürlich nicht heißen, dass ich eine aufgeräumte Wohnung generell für ein Zeichen von seelischer Unterdrückung halte. Aber, wenn sich die Sache so umkehrt, dass man nicht die Wohnung schön macht, um sich wohl darin zu fühlen, sondern Ordnung der höchste Wert ist und man selbst nur dazu da, ihr zu dienen, dann ist das m.E. *krank*. Und ich könnte mir schon vorstellen, dass der eine oder die andere, die mit solchen Eltern aufgewachsen sind, eine solche Antipathie gegen Ordnung und Sauberkeit entwickeln, dass sie zu Messies werden.
Allerdings - meine Familie mütterlicherseits (ich war die ersten Jahre tagsüber bei meiner Oma und hatte weitaus mehr Bindung zu dieser Seite der Familie) war tendenziell eher über-emotional... Ich hab mich immer unwohl bei anderen in der Wohnung gefühlt, weil alles so unterkühlt wirkte. Inklusive bei der Familie meines Vaters.
Außerdem - sowohl Sozialisation als auch Gene sind, für sich allein genommen, vollkommen deterministisch. Es geht mir aber darum, dass doch unsere Alltagserfahrung, dass wir Entscheidungen treffen, ganz real ist. Und wenn ich mich frage, wieso ich z.B. jetzt grade nicht putze, sondern schreibe, dann sehe ich die Ursache viel mehr in meinen Gewohnheiten als in meiner frühen Kindheit. Du darfst es natürlich für dich gern anders sehen. Aber ich bin sehr an dieser nicht-deterministischen Lücke interessiert, in der ich eine Freiheit habe und mein Leben verändern kann. Und andererseits daran, mich und meine Mitmenschen so zu akzeptieren, wie wir nunmal sind.
Nur, die Grundlage dafür kann nicht sein, das Ausmaß des Leidens zu verleugnen, das durch Schwarze Pädagogik angerichtet wurde.
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Hey Robin,
sehr interessant, was diese Veranstaltung bei dir bewirkt hat. Danke für dein Teilen.
Ich glaube für die Verarbeitung des gehörten, ist es wichtig, dass du geteilt hast, bevor du aufräumst, was genauso wichtig ist.
Dein "Nervensystem" gibt manchmal den Weg vor und lässt Entscheidungen nicht auf die Weise zu wie wir es uns manchmal vorstellen.
Zitat von Miranda im Beitrag #174
Die Zitate haben mich richtig schockiert, und ich musste sofort an das denken, was du geschrieben hast.
Liest sich anmassend, doch so ist es nicht gemeint: ich freue mich, dass das Gehörte dich an unseren Austausch hier erinnert hat und du einen Bezug hergestellt hast.
Ich habe von diesen Ratgeber in dem Buch "Kriegskinder und Kriegsenkel" gehört (als Hörbuch).
Da musste ich aufpassen, dass ich beim Autofahren nicht einschlief, so anders wurde mir da. Bei bestimmten Wörtern einschlafen ist ein Trigger für den Dissoziationszustand, wenn das "Nervensystem überfordert" ist. Da gibt es einen "automatisierten Shutdown".
Zitat von Miranda im Beitrag #174
24 Stunden!!! Ein Neugeborenes! Das allein reicht wirklich aus, um einen bleibenden Schaden anzurichten.
Genau!
Und weil das nicht "einmalig" ist bei so einem Ratgeber, sondern immer wiederholt wird, kann es sich zu einem sehr starken Trauma entwickeln mit den daraus resultierenden Krankheitssyndromen.
Das Kind erhielt keine lebensnotwendige Regulation und die kurzen "Stillzeiten", so sie denn stattgefunden haben, werden die langen Phasen des Alleinseins nicht ausgleichen können. Es musste in den automatisierten Shutdown, um für sein überleben die schmerzlichen überwältigenden Erfahrungen wegdrücken.
Zitat von Miranda im Beitrag #174
wenn eine solche "Erziehung" die Ursache von Messiewohnungen wäre, dann wäre Messietum der Normalfall in Deutschland, zumindest unter den älteren Menschen.
Ich kenne einige ältere Menschen auf die das zutrifft.
Ich vermute, die Art des Syndroms, das jemand aufgrund von Trauma entwickelt ist ein bisschen in den Genen verortet, da es transgenerational wirkt.
Eine Bekannte hat ein Syndrom mit Essstörungen. Wenn ich mich in der Verwandtschaft umhöre, neigen die meisten in der Familie bei starkem Stress eine Essstörung zu entwickeln.
Das Anlegen von Vorräten stammt bei vielen Menschen aus Kriegszeiten und vielleicht früher aus Entbehrungszeiten.
Dabei haben wir in der Regel genügend Vorräte in den Läden stehen.
Wenn eine Corona Pandemie auftaucht mit entsprechend einschränkenden Massnahmen, wird das Anlegen von Vorräten bei vielen wieder sehr interessant.
Daher frage ich mich, ob es nicht eine natürliche Reaktion auf eine bestimmte bedrohliche Situation ist.
Ich spinne weiter ohne konkrete Belege:
Da Trauma sich darin äussert, dass Energien "eingefroren" sind, könnte ich mir vorstellen, dass diese natürliche Reaktion sich Vorräte für einen bestimmten Zeitraum zuzulegen, ebenfalls "eingefroren" ist und sich damit zu einem ungesunden Ausmass eines Dauerzustandes entwickeln kann.
Wenn Menschen gelernt haben zu hungern, was früher auch häufig der Fall war, können diese alten "Hungergefühle" erstarrt sein und sich entsprechend in einen ungesunden Dauerzustand verwandeln.
Andere stopfen essen in sich hinein, um dem "Leeregefühl" zu entkommen und sich mit Zucker zu beruhigen. Wenn das - in welcher Phase des Lebens auch immer "erstarrt" ist, wird das Muster seine ungesunden Auswirkungen nach sich ziehen.
Wenn die Eltern Alkoholiker waren, kann es sein, dass die Kinder ggf. ebenfalls zum Alkohol greifen oder sich dagegen entscheiden, aber dafür ein anderes Syndrom entwickeln.
Wie gesagt, es sind meine Gedanken dazu ohne etwas konkretes dazu gelesen zu haben.
Für viele traumatisierte Menschen sind ein oder mehrere Syndrome die ungesunde Konsequenz aus ihren frühen Erfahrungen.
Es gibt Hinweise in Büchern und einige Studien, in denen "Krebsdiagnosen" ein Zusammenhang mit Trauma haben.
Zitat von Miranda im Beitrag #174
Es geht mir aber darum, dass doch unsere Alltagserfahrung, dass wir Entscheidungen treffen, ganz real ist.
Stimmt.
Traumatisierte Menschen sind häufig nicht in der Lage ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, sondern orientieren sich sehr im Aussen, weil die Co-Regulation früh fehlte und treffen viele Entscheidungen "unbewusst", weil sie dissoziiert sind.
Für jede bewusste Entscheidung kannst du dir dankbar sein.
Der automatisiert eingebaute Shutdown will verändert werden und mit Traumaarbeit konnte ich davon reichlich verändern.
Nach und nach ist es möglich mit Bewusstheit zu merken, ob das "automatische" System seinen Job macht oder ob es möglich ist, sein "selbstregulierendes" System einzuschalten und in dem bewusste Entscheidungen zu fällen.
Vielleicht fällt es vielen schwer sich zu ent-scheiden, weil damit ein "Verlustgefühl" einhergeht, einer dieser tiefen Trigger, der permanent im Leben wirkt, wenn sich eine Person mit dem Gefühl wegen extrem unangenehme nicht damit auseinander setzen möchte.
Mir sagte jemand: liegst du gerade, während das gesagte mich in Traurigkeit versetzte....wenn es früh geschehen ist, hat ein Säugling seine Erfahrung mit dem physischen Ereignis, dass er "nur rumliegen" konnte verknüpft und das Liegen kann zum Trigger werden ohne dass es der Person bewusst ist, denn an diese frühen Zeiten kann sich kein Mensch bewusst erinnern. Der Körper erinnert sich trotzdem und schickt die unbewussten Impulse.
Zitat von Miranda im Beitrag #174
in der ich eine Freiheit habe und mein Leben verändern kann.
Unbedingt. Das teile ich. Und jeder findet seinen eigenen Weg, der in die Lebensveränderung führen kann.
Diejenigen, die ich vorher ausprobiert habe, waren nicht nachhaltig und nur kurzfristig wirksam bis ich die körperorientierte Traumaarbeit entdeckt habe und meine "Selbstregulation" nach jedem Ereignis "schneller" wirkt.
Zitat von Miranda im Beitrag #174
Und andererseits daran, mich und meine Mitmenschen so zu akzeptieren, wie wir nunmal sind.
Akzeptanz kann Veränderung in die Wege leiten.
Sie ist eine Momentaufnahme und kein in "Stein gemeisselter" erstarrter Zustand.
Diese Unterscheidung durfte ich irgendwann einmal lernen, weil mich das Wort Akzeptanz unbewusst schnell in den "erstarrten" Zustand gebracht hatte. Mein "automatischer Shutdown" war schneller als mein bewusstes Entscheidungsvermögen.
Es war noch im Baby-Modus (weil in dem Alter das Trauma und die Erstarrung eingetreten ist), während der Rest von mir trotzdem älter geworden ist, aber nicht "erwachsener" bzw. "reifer".
Wenn es nachgereift ist, komme ich vermutlich in die ENT-scheidungssituationen, die jeder Mensch für sich trifft.
ich habe eine Vision von meinem nächsten Berufsleben.
Und gleichzeitig kann ich meine Ent-Scheidungen nicht treffen, die helfen, mich dieser Vision zuzuwenden.
Demnach liegt noch etwas "traumatisiertes" dazwischen, dass reguliert werden will, damit ich ggf. diese "harten" Ent-Scheidungen treffen kann, die dieser Vision meines Berufslebens und Lebens dienlich sind.
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