Ist alles durch Trauma bedingt, alles durch Gene, oder...?

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16.12.2022 10:08
avatar  Robin
#11
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Hallo @IBI , @bisram und alle,

Zitat von IBI im Beitrag #2
ALLES durch TRAUMA ALLES DURCH GENE

Deinem Threadtitel widerspreche ich.....ALLES ist es sicher nicht.


Du hast was übersehen. Da steht "oder...?". Ich ging schon davon aus, dass wir uns auf "oder" einigen können und es bei den näheren Details Differenzen gibt. So weit sind übrigens manche Wissenschaftler*innen nicht! Es gibt da eine Tendenz, das, woran man selbst forscht, zum einzig relevanten Faktor zu erklären. Mag ja auch hilfreich sein, wenn man für seine Forschung Drittmittel, also Fördergelder von Firmen, beantragen muss....

Zitat von IBI im Beitrag #2
Es können Kombinationen aus diversen Erfahrungen zusammen kommen und ein Teil davon beruht auf TRAUMA.


Ich stimme prinzipiell zu, habe aber schon an der Formulierung Kritik: Es ist eben nicht alles nur Erfahrung. Und ein Trauma kann ein Teil davon sein. Wenn man aber davon ausgeht, dass eh jeder Mensch traumatisiert ist (z.B. durch Geburtstrauma), dann fehlt uns irgendwie das Wort für das, was im, sagen wir mal: klinischen Sinne, heute als Trauma bezeichnet wird.

Zitat von IBI im Beitrag #2
Die Neuroplastitizität unserer Zellen ist hoch.


Joa, aber wieder: Seltsame Formulierung. Die Neuroplastizität beruht darauf, dass Zellen sich miteinander verbinden können. Es ist also etwas, was nicht diese oder jene einzelne Zelle in ihrem Inneren machen kann.

Und dieses Wachsen von Verbindungen zwischen Zellen passiert erwiesenermaßen, wenn wir lernen. Es ist mir deshalb etwas rätselhaft, weshalb du von allen Methoden der Veränderung das Lernen so skeptisch siehst.

Zitat von IBI im Beitrag #2
Gleichzeitig gibt es Medikamente, die Einfluss nehmen auf die Krankheitsbilder, sprich sie verändern irgendwas in den Zellen.


Sie verändern die Produktion von Botenstoffen und dergleichen, aber im Idealfall nur, so lange man sie nimmt. Ansonsten nennt man das "Schäden" oder "Sucht". Gegen Asperger gibt es keine Pillen, aber es gibt durchaus Ärzte, die gesunde Aspies mit Uppern und Downern "behandeln" und damit medikamentensüchtig machen.

Zitat von IBI im Beitrag #2
Also, wenn du "veränderbare" Gene geerbt bekommen hast, besteht die Chance, dass sich etwas bei den Syndromen bessern kann.


Die Epigenetik besagt, dass Gene ein- und ausgeschaltet werden können. Was die Gene selbst angeht, weiß ich, dass sie kaputtgehen können. Ich bezweifele, dass es irgendeine Möglichkeit gibt, ein Gen in allen meinen Körperzellen gleichzeitig zu ändern. Die Evolution beruht nicht auf *solchen* Genveränderungen, sondern darauf, dass Gene in den Keimzellen, d.h. Ei- und Samenzellen verändert werden, und insbesondere bei geschlechtlicher Vermehrung natürlich darauf, dass sie stândig neu miteinander kombiniert werden.

Zitat von IBI im Beitrag #2
Ich kann es weder auf TRAUMA noch auf GENE zuordnen, weil nicht bekannt ist, woher der Gendefekt resultiert.


Es heißt doch aber GENdefekt! Deine Unsicherheit beruht darauf, dass du eine Ursache suchst und dann als erstes und einzig hier erwähntes an ein Trauma denkst. Gene, auch in den Keimzellen, gehen aber am häufigsten durch Alter kaputt. Oder es wird einfach fehlerhaft kopiert bei der Zellteilung. Oder man hat zufällig radioaktive Strahlung genau auf eine ungünstige Stelle gekriegt. Alles das sind bekannte Ursachen.

Zitat von IBI im Beitrag #2
Glaubst du daran, dass GENE fest sind----dann bleibt es wie es ist.

Zitat von IBI im Beitrag #2
Ich glaube daran, dass ich auf meine Gene einen Einfluss nehmen kann,


Also wie gesagt: Ich glaube, dass Menschen lernen können!


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16.12.2022 10:32
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Zitat von Miranda im Beitrag #11
du von allen Methoden der Veränderung das Lernen so skeptisch siehst

Ich erkenne gerade nicht, wieso du den Eindruck hast, dass ich im Hinblick auf das Lernen skeptisch bin?

Zitat von Miranda im Beitrag #11
Die Epigenetik besagt, dass Gene ein- und ausgeschaltet werden können.

Ich glaube daran, dass ich beeinflussen kann, dass ich meine Gene, die ich in der Kindheit habe ausschalten müssen bzw. durch die missbräuchliche Co-Regulation keine Chance hatten eingeschaltet werden zu können, nach und nach werde einschalten können.
Ist das nicht das LERNEN worüber du sprichst?

Jeder Mensch hat ein Geburtstrauma. Wenn die Säuglinge nach der Geburt die Zeit für die Regulation des Nervensystems auf dem Bauch der Mutter bekommen, wird dich die Energie des Traumas nicht im Körper des Babys einlagern und dort erstarren.
Bei denen, wo es nicht geschieht, ist das eine der sehr frühen Energien, die im Körper erstarrt.
Damit kann der Mensch lange umgehen und leben, doch mit jeder TRaumaenergie, die sich darauf legt, wird das LEben unangenehmer werden.


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17.12.2022 08:16
#13
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Hm, ja, da sind einerseits die Nichttraumatisierten, die in so einem überlegen Gefühl der Unverwundbarkeit und Egozentrizität leben, das sie sich noch aus der Kindheit erhalten haben. Es gibt aber auch Menschen, die in irgendwelchen Kommunikations- oder Glücksschulungen lernen, dass man immer positiv sein müsse und damit ihre Umwelt terrorisieren. Ich glaube, manche davon sind auch traumatisiert und machen dieses positive Denken als Pseudotherapie. Ich glaube aber nicht, dass das funktionieren kann. Man muss sich den Dämonen stellen, statt sie zu verleugnen. Leider gehen sie herum und retraumatisieren andere mit ihrer arroganten, rücksichtslosen Art. So nach dem Motto "Wälz dich nicht im Unglück, das mache ich ja auch nicht und sieh mal wie toll ich bin."


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17.12.2022 17:26
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oder...?
Ich möchte zu dem dritten Teil noch etwas ergänzen. Wir haben ja auch Probleme mit der Selbstdisziplin und rebellieren oft gegen unseren eigenen Willen.

Dazu habe ich gelesen, dass vor allem Menschen, die als Kind immer nur den Willen von anderen aufgezwungen bekommen haben und sich nie selbst behaupten durften (also auch mal ihrem eigenen Willen nachgehen konnten, und trotzdem von ihren Eltern geliebt wurden), später Probleme in dieser Hinsicht haben. Sie haben Schwierigkeiten, Gegebenheiten zu akzeptieren und sich trotzdem frei zu fühlen. Sie neigen zum Rebellieren gegen alles, was von außen zu kommen scheint.

Menschen, die als Kind Akzeptanz und Liebe erlebt haben, auch wenn sie so waren, wie sie wirklich sind, auch mal ihren Willen bekommen haben und nicht für ihre Ansichten bestraft wurden, können besser die Interessen anderer Menschen und äußere Gegebenheiten akzeptieren, ohne sich eingeengt und unterdrückt zu fühlen.


Daneben glaube ich auch, dass schlimme Gewalterfahrungen und die Erfahrung, dass niemand einem hilft, später zu starken Ängsten führen können. Man hat ja gezwungenerweise tief die Abgründe der Wesen, die sich Menschen nennen, geblickt. Wer kann sagen, dass dieses Elend nicht jederzeit bei einem Gegenüber wieder aufbrechen könnte? Es ist ja irgendwo da, sonst hätte man es damals nicht erlebt.


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19.12.2022 20:17
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Zitat von Anna1111 im Beitrag #13
Leider gehen sie herum und retraumatisieren andere mit ihrer arroganten, rücksichtslosen Art.


@Anna1111 : Ja, ein Schurke ist, wer sich nicht selig in seinem Elend wälzt! 😉
Sorry für die Ironie. Aber es bleibt sonst nur die Konsequenz, dass Schwarzmalende und Leute, die sich bemühen, alles, was man auch heiter sehen kann, heiter zu sehen, zwei verschiedene Planeten brauchen. Was mich angeht: Es gibt so einige Dinge, die ich extrem düster sehe, jedenfalls gemessen an der verdrängenden Mehrheit. Um so lieber gönne ich es mir aber auch, die kleinen Unebenheiten des Alltags - wie z.B. meine Mäuschen - so eher liebevoll-künstlerisch zu betrachten. 😘

Zitat von Fundus im Beitrag #7
Beispiel: So ein notorisch Positiver macht den Vorschlag für einen Ausflug. Wenn sich davon mehrere zusammentun, dann gehen sie ganz spontan und unvorbereitet in in den Wald oder werweißwohin, haben total viel Spaß und berichten noch Jahre später ihren Enkeln davon, wie toll sie waren. Wenn es aber regnet, verlieren sie die Orientierung, rutschen mit ihren Turnschuhen den Abhang hinunter und leider überleben nur 3 von 5. Aber für solche Leute ist das halt Pech. Es ist vollkommen ausgeschlossen, daß es an ihrer mangelhaften Planung liegen könnte.


*lol* Früher mal war ich haargenau so jemand, der sich ohne großes Nachdenken in die Erfahrungen gestürzt hat. Nu bin ich bald 60 und hab dazugelernt, insbesondere aus einer Geschichte, wo wir eine Sache mit einer Gruppe gemacht haben und als es dann Schimpfe gab, schob ein guter Teil der Leute alles auf die, die nicht da waren... Danach habe ich bei eventuell problematischen Gruppenaktivitäten alle mit Worst-Case-Szenarios beglückt und gefragt, wie sie sich in dem Fall verhalten würden. Ich merkte, dass die Leute nach einiger Zeit ziemlich stinkig wurden, aber ich hab mich viel sicherer dadurch gefühlt und fand, dass auch andere sich eher gut vorbereitet statt abgeschreckt fühlen müssten. Nuja, jedenfalls hat es auch niemanden abgeschreckt. Es kriegten nur alle Bedenken, *dass* ich mit dieser Methode jemanden abschrecken könnte.

Mittlerweile entscheide ich wieder individuell und knalle anderen bloß noch an den Kopf, was ich warum nicht mache oder nicht so toll finde, und es ist alles total frustrierend... Aber was soll's.

Zitat von IBI im Beitrag #8
Jeder, der sich von einem traumatisierten Menschen abwendet, triggert bei dem Betroffenen meist viele seiner tiefen Glaubenssätze - ich bin falsch, ich bin nichts wert, ich bin nicht gut genug....


Und da muss ich doch mal einwenden, dass wir uns echt nicht in solchen Gedanken wälzen müssen. Ich kann es gut und es wird bei mir immer noch in manchen Situationen ausgelöst. Aber zu wissen, dass man sich mit solchen Gedanken nur quält und schadet und das dann auch wieder nach außen "zurückgibt" und dass man das nicht tun muss, hilft doch sehr, es zu stoppen. Was eine willentliche Entscheidung ist, aber die ist nur möglich auf der Grundlage, dass man weiß, dass diese Gedanken etwas sind, was man selbst *tut*.

Zitat von Fundus im Beitrag #9
Ich habe vor allem deutlich weniger soziale Ängste und praktisch gar keine Selbstvorwürfe, eingeredete Wertlosigkeitsgefühle etc. mehr.


Joa, kann man sich auch sparen!

Zitat von IBI im Beitrag #12
Ich erkenne gerade nicht, wieso du den Eindruck hast, dass ich im Hinblick auf das Lernen skeptisch bin?


Oh, den hatte ich vor allem in irgendeinem früheren Thread. Etwa so, dass man sich geradezu schaden würde, wenn man was Neues macht, wenn nicht das Trauma, das zu dem bisherigen Verhalten geführt hat, irgendwie beseitigt ist.

Zitat von IBI im Beitrag #12
Ich glaube daran, dass ich beeinflussen kann, dass ich meine Gene, die ich in der Kindheit habe ausschalten müssen bzw. durch die missbräuchliche Co-Regulation keine Chance hatten eingeschaltet werden zu können, nach und nach werde einschalten können.
Ist das nicht das LERNEN worüber du sprichst?


Nein, ist es nicht. Ich meine eher die Neuroplastizität (was etwas ganz anderes ist). Dabei werden, biologisch gesehen, durch neues Verstehen von Zusammenhängen und neues Handeln neue Synapsen, d.h. Verbindungen zwischen existierenden Hirnzellen gebildet. Man erweitert also seine Fähigkeiten dabei durch Theorie und Praxis, wobei die Praxis das führende Element ist.

Ich empfehle, sich ein paar Bio-Filmchen auf YouTube reinzuziehen, insbesondere über Epigenetik. Ich bin nicht weit genug mit dem Thema, um es erklären zu können, habe aber das vage Gefühl, dass hier die Gene als eine reichlich offene Angelegenheit betrachtet werden...

Also Tatsache ist jedenfalls: Wenn ich z.B. stricken lerne oder radfahren oder sonstwas, dann verändert das mein Hirn, aber wohl nicht meine Gene. Die liegen nämlich im Kern jeder einzelnen Zelle und sind da ziemlich gut vor Veränderungen geschützt.

Wir müssen halt auch gar nicht die Gene verändern, um was Neues zu lernen, weil diese Fähigkeit ist Bestandteil der biologischen Grundausstattung jedes Menschen.

Eine weitere Sache, die sich im "oder" völlig anders darstellt, wenn man nicht vom Trauma als Hauptursache ausgeht, ist die Schuldfrage. Ich verstehe, dass es entlastend ist, andere Personen, die einem in der Vergangenheit irgendwas angetan haben, für das eigene "Versagen" verantwortlich zu machen. Das hat aber einen hohen Preis... Unter anderem den, das wir dadurch verhaftet bleiben in einer Denkweise, bei der sich ständig alles um Schuldfragen dreht und bei der wir selbst und alle anderen defizitär sind. Man *muss* es nicht so sehen. Man *darf* auch als Messie denken, dass man selbst okay ist und dass auch die eigenen Eltern und alle, die man lieb hat, okay sind.


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