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Ordnung ist langweilig
Guten Morgen, @Gitta , @IBI , @skurril und alle,
Zitat von Gitta im Beitrag #135
Warum reagierst Du mit einer Weiterreichung?
Gutes Wort. Das Ist ja mein Punkt, worauf ich öfter mal raus will. Ja, wir sind das Produkt all unserer Erfahrungen (dabei übrigens vor allem unserer eigenen Handlungen), und unsere Eltern sind das Produkt ihrer Erfahrungen und deren Eltern auch usw. (und wenn man es mal so betrachtet, ist eigentlich auch schnurz, was davon in die Gene eingegangen ist), aber es wäre m.E. eine Weiterreichung, wenn wir uns hinsetzen, das Chaos betrachten und unsere Eltern dafür haftbar machen. Nonsens. Bringt nix. Mama kommt nicht und räumt das auf.
@Robin
Das verstehe ich auch wieder nicht so ganz. Das Chaos ist eine Sache, eine Kompensation, so wie zu viel Essen, Rauchen, andere Hilfsmittel, aber auch exzessiver Sport, usw.
Aber andere Menschen körperlich oder seelisch zu verletzen, mit Absicht, um damit bei sich selbst eine Erleichterung herbeizuführen, ist etwas ganz anderes.
Also nimm einen Jungen, der als Kind vor allem dann geschlagen wurde, wenn zum Beispiel der Vater Wut ablassen wollte. Und der schafft es aber heute, nicht sein Kind zu schlagen, sondern isst in kritischen Situationen einen Snack. Das führt natürlich zu Übergewicht, ist aber viel besser, als so zu werden wie sein Vater. Meine Meinung.
@Gitta - Natürlich hast du recht, dass es moralisch besser ist, einen Snack zu essen als sein Kind zu schlagen.
Aber wenn es darum geht, wie wir das Chaos in unseren Wohnungen wegkriegen oder auch das Übergewicht, dann helfen uns weder moralische Selbstverurteilungen noch die Verurteilung anderer. Wenn es ein so großes Interesse an Ursachen gibt, dann frage ich mich doch, wieso nicht öfter thematisiert wird, wie all die vielen Dinge in unsere Wohnungen kommen und wie man den Zustrom stoppt. Es ist, als würden die Dinge sich von selbst materialisieren... Aber was mich angeht, weiß ich genau, dass ich mit meiner Gewohnheit kämpfe, alle interessante Literatur mitzunehmen, die ich kriegen kann! Muss doch bei anderen auch stattfinden, dieses Problem...
Und was nützt es mir, irgendjemand anderen zu beschuldigen? Gar nichts. Das einzige, wofür das *für mich* nützlich sein könnte, wäre, um zu begründen, warum ich es weiterhin so tun *muss*.
Aber ich brauche dafür gar keine Ausrede. Wenn ich so weitermachen *will*, dann darf ich das von mir aus ruhig tun. Und so kam es ja übrigens zu dem Rückfall im Dezember - da habe ich jemanden in eine Buchhandlung begleitet, den ich mag und der ein gutes Buch und ein Glas Rotwein für Hochkultur hält. In gewisser Weise bin ich da ganz bei ihm... 🤣👍 Ich habe keine Minute gebraucht, um einen sensationellen Fund zu machen, und war so glücklich darüber, dass ich es in der Woche danach nochmal mit 6 Büchern wiederholt habe.
Für mich geht es überhaupt nicht um Schuld. Es geht völlig wertfrei darum, dass das Fassungsvermögen meiner Wohnung begrenzt ist und dass ich doch auch gar nicht die Zeit habe, alles zu lesen, was ich interessant finde.
Und dann, um auch mal wieder auf den Threadtitel zu kommen, muss ich von der vorhandenen Zeit auch noch einen Teil für spontan erstmal weniger interessante Aufgaben aufwenden. Und ja, fragt mal die Kinder, wer denn Lust hat, sein Zimmer aufzuräumen, wenn man auch spielen könnte oder was Spannendes im Fernsehen kucken oder lesen oder rausgehen und Abenteuer erleben oder oder oder... Deshalb sage ich: Nö, da sind nicht meine Eltern dran schuld, dass ich so bin, weil so war ich schon immer. Und ich bezweifle, wenn ich all die muffigen Gesichter sehe, all die Klagen höre oder all den Hass, dass ich geschädigter bin als andere. Eher hätte ich was übrig für die Theorie, dass andere dermaßen unterdrückt wurden, dass sie den völlig natürlichen Drang, lieber zu spielen und sich schöne Dinge zu schenken, als sein Zimmer aufzuräumen, nicht mehr verspüren. 🤣🤣🤣😘
Dann geht es bei Dir nicht um Schuld. Aber bei mir ist Schuld das große Thema. Als Kind wurde ich für alles beschuldigt. An allem, was nicht so lief, wie es die Erwachsenen gern gehabt hätte. Konnte auch das Wetter sein. Und an all der Gewalt, die man mir angetan hat, wäre ich selbst schuld. Ich hätte etwas an mir, das andere willenlos dazu provozieren würde, mir Gewalt anzutun. Usw. Wenn ich aus der Schule kam, und meine Mutter hat mich ausgefragt, und ich hatte etwas von einer ungerechten Behandlung berichtet. Dann hieß es immer, das wäre sicher meine Schuld gewesen. Keine Anleitung, wie ich mich wehren könnte. Nein, das wäre ihr wahrscheinlich zu gefährlich gewesen. Ich durfte ja auch überhaupt keine Argumente benutzen, im Recht war bei unserer Familie immer die Person, die am emotionalsten herumschrie oder die Macht hatte.
Ich freue mich für Dich, dass es bei Dir anders oder normal war.
Und für mich ist es auch ein Teil der Verarbeitung, die Schuld wieder den Menschen zurück zu schicken, denen sie tatsächlich gehört. Meine ist es nicht.
(Nur zur Klarstellung, natürlich gibt es Dinge, die ich beeinflussen konnte und kann, an Handlungen in diesem Zusammenhang bin ich auch schuld. Und das ist gut so, sonst wäre ich ja auch total ohnmächtig. Aber an all den oben aufgezählten Dinge stellt sich die Schuldverteilung genau andersrum dar, als wie sie in meiner Familie verbreitet und eingeprägt wurde.)
Natürlich ist auch die Frage wichtig, warum ich diese Tendenz zum Einigeln und Sammeln habe. Aber die Antwort erscheint mir ziemlich klar. Es ist der Wunsch einmal nach Geborgenheit und einmal nach sich gut anfühlenden Reizen, die ich in Worten kaum bekommen und als Ersatz in Gegenständen für mich ansammeln kann. Denn sie waren damals so selten, dass man jede Gabe lange in Ehren halten musste.
Zitat von Gitta im Beitrag #139
Ich freue mich für Dich, dass es bei Dir anders oder normal war.
Danke, aber - nein! Meine Mutter hat sich totgesoffen. Ich war grade 23 geworden, als sie starb. Was glaubst du, was es für verrückte interaktive Schuldkomplexe in meiner Familie gibt? Das "normale" Muster, sich selbst als Opfer darzustellen und die Schuld grundsätzlich bei anderen zu suchen, ist bei uns extreeem. Und sowohl mein Vater als auch mein Bruder haben in der Vergangenheit Scheiße gebaut (auch mir gegenüber) und das explizit mit Frauenhass "wegen Mutti" begründet. Und Schuld am Alkoholismus meiner Mutter war natürlich deren Mutter, hat mir mein Vater x-mal versichert, weil ich neigte ja mehr dazu, ihrer unglücklichen Ehr die Schuld zu geben... Oder auch dem Umstand, dass sie nicht ein einziges mal in einer Entzugsklinik war. Ging ja nicht, "wegen der Kinder". Also da wieder meine Schuld, genau wie sie gesagt hat, warum sie sich nicht scheiden lassen kann - "wegen der Kinder". Da war ich 15, und von da an hab ich mich als erwachsen betrachtet und entsprechend mich an keine Regel mehr gehalten. Von da an war ich das Schwarze Schaf, besonders, nachdem ich mit 17 schwanger wurde und entschieden hab, das Kind zu kriegen und frühstmöglich zu heiraten, damit mir auch wirklich niemand mehr dazwischen kommen kann.
Also, ich kann mithalten, was die Schuldneurosen angeht. Und ich glaube, dass es schon Zeiten gegeben hat, wo Angst und Schuld und schlechtes Gewissen insgesamt einfach lähmend waren. Aber witzigerweise habe ich da besser "funktioniert" als jetzt.
Natürlich sind die Spuren von allem noch da... Z.B. wäre die ganze Entwicklung in Bezug auf Hausarbeit eine andere gewesen, wenn ich nicht als Kind gelernt hätte, dass es sich da um etwas Unangenehmes handelt, das man tun *muss*, weil man sonst Ärger kriegt. Und für diesen Lernprozess ist es, glaube ich, egal, ob es nur um Gemecker geht oder um Schläge, weil der Punkt ist: Man wird zu was Unangenehmen gezwungen. Und sobald der Zwang wegfällt, macht man es dann logischerweise nicht mehr!
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