Aufstehen. Losgehen. Jetzt.

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02.05.2015 15:23
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Wow, danke für die vielen Hinweise und den ausführlichen Text!
Da werde ich mich mal durch arbeiten.

Was den Rechner betrifft, muss ich für meine Tätigkeit einiges auch tags am Rechner machen.
Da fällt es mir schwer, nicht mal hier zu gucken und da zu lesen was es Neues auf der Welt gibt.

Im Studium - allerdings vor Internet-Zeiten - hatte ich mein Kurz-Belohnungssystem. Wenn ich einen geplanten Abschnitt (rund eine Stunde) geschafft hatte, habe ich mir 10 Minuten "daddeln" erlaubt. Und schwupp ging es ab zur nächsten Stunde weiter arbeiten. Ich habe alle meine schriftlichen Arbeiten und auch die Diplom-Arbeit absolut zügig mit gutem Sicherheitsspielraum zum Abgabetermin geschafft.

Deshalb frage ich mich auch, warum ich das jetzt nicht mehr kann. Es ist irgendwie so, als hätte ich resigniert. Ich mache Dinge in der Wohnung so weit ich komme und körperlich in der Lage bin, und dann stockt es. Platt gesprochen könnte ich dann den Tag damit verbringen, einfach das Elend hilflos anzusehen ... da lese ich lieber im Internet. Ich frage mich gerade, wie ich es regeln könnte, dass es mich nicht so stört, wenn ich dann das Gerümpel und den Mann am Rechner ansehen muss ... irgendwie klingt das wenig verlockend.

Was den Mann betrifft (über den ich eh nicht bestimmen kann) wenn er keinen Rechner zur Verfügung hat, liest er halt. Einfach alles was Buchstaben hat. Das war wohl von Kind auf so, laut Verwandten. Er schlief irgendwo im Sessel oder er hatte die Nase im Buch. Die Familie hat wohl den ganzen Tag gezetert und gemeckert, und er machte einfach so weiter ... alles prallte da an ihm ab.

Depressionen sind bei ihm diagnostiziert. Ich spreche wenig - allerdings geschehen Dinge dann auch nie. Eine Schranktür muss seit 4 Jahren repariert werden und lehnt an der Wand - da kann ich noch lange drauf warten. Oder eine Kiste soll auf den Dachboden - die steht da seit September. Die Auslegware für den Flur wartet seit 6 Jahren darauf verlegt zu werden. All das kann ich nicht selbst erledigen weil die Kraft fehlt.


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02.05.2015 16:36
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"Da fällt es mir schwer, nicht mal hier zu gucken und da zu lesen was es Neues auf der Welt gibt."

Das kannst du ja machen - zu einer bestimmten Uhrzeit anfangen, und zu einer bestimmten Uhrzeit enden. Genau wie damals. Dann guckst du eben nicht "mal eben zwischendurch", sondern z.B. immer von der vollen Stunde an 10 Minuten. Immer, wenn du auf die Idee verfällst: "Jetzt könnt ich ja mal...", dann schaust du auf die Uhr und denkst: "Ne, die zwanzig Minuten halt ich jetzt noch durch". Dann kannst du diese 10 Minuten auch anders genießen, weil du sie dir verdient hast, und kein schlechtes Gewissen haben brauchst, dass du schon wieder tust, was dir Spaß macht, und nicht, was du eigentlich tun solltest. Das ist schon der ganze Trick.


Es war übrigens auch nicht die Rede davon, deinem Mann den PC wegzunehmen, das kannst du gar nicht, sollst du auch gar nicht.
Du wirst lachen, ich hab genauso ein Exemplar zuhause. Sein natürlicher Zustand ist "Am PC sitzend", und wenn er das nicht kann, dann "Auf dem Balkon sitzend, lesend und rauchend". Ich rede mit ihm nicht über die Dinge, die getan werden müssen. Irgendwann kommt zur Sprache, was "mal getan werden muss", sagen wir etwa: "Heizraum entrümpeln". Das sage ich dann - einmal - und dann wars das. An den Wochenenden, wenn er bevorzugt den lieben langen Tag am PC verbringen würde, gehe ich irgendwann nach unten und fange an zu putzen, zu entrümpeln oder sonstwie zu wurschteln. Oder ich gehe in den Garten. Oder ich fange eben mit dem Heizraum an. Ich kann in Minuten zählen, wann er aufsteht, und mir hinterher kommt. Weil er weiß, dass er auch was tun müsste, und er ein schlechtes Gewissen hat, wenn ich da allein werkele. Gerade heute wieder. Morgen kommt meine Mutter zu Besuch und bleibt eine Woche. Ich habs gern ordentlich und sauber, aber bevor sie kommt, ganz besonders. Nicht, weil ich als Hausfrau glänzen will (naja gut, ein kleines bisschen zählt das auch dazu), sondern weil ich in der Zeit einfach nur das Nötigste im Haushalt machen müssen will.

Vorhin hat er nen Film angesehen, und ist dabei eingedöst. Ich bin aufgestanden, hab angefangen, hier oben zu räumen, seine Decke gefaltet und neben ihn gelegt. Sein Geschirr mit nach unten genommen, und unten dann angefangen, Staub zu saugen. Es dauerte keine fünf Minuten, da war der "schlafende" Mann bei mir unten, und fing an, im Heizraum aufzuräumen. Da fiel ihm dann das Zeug in die Hände, mit dem er eine Lichtleiste unter der Küchenzeile bauen wollte. Irgendwann mal. Damit fing er dann an. Kaum war er damit fertig, fing er auf einmal an, endlich seinen Schrank auszumisten. Er brauchte dafür meine Gesellschaft, also hab ich daneben gesessen, zugeschaut, und anschließend die Sachen, die er behalten will, wieder in den Schrank geräumt, während er die Sachen zum Wegwerfen in blaue Säcke gestopft hat. Wäre ich sitzen geblieben und hätte lamentiert, dass er endlich mal seinen Schrank ausmisten soll, wäre er das ganze Wochenende untätig sitzen geblieben, Brief und Siegel drauf.

"Das war wohl von Kind auf so, laut Verwandten. Er schlief irgendwo im Sessel oder er hatte die Nase im Buch. Die Familie hat wohl den ganzen Tag gezetert und gemeckert, und er machte einfach so weiter ... alles prallte da an ihm ab."

Es klingt ganz eindeutig nach Starre. Das passiert, wenn man keine anderen Rückzugsmöglichkeiten mehr hat, außer Mentale. Also, wenn ein Kind zum Beispiel nicht dadurch, dass es in sein Zimmer rennt, fliehen kann, weil ihm die Erwachsenen hinterher laufen und weiter diskutieren/schimpfen/zetern.

"Eine Schranktür muss seit 4 Jahren repariert werden und lehnt an der Wand - da kann ich noch lange drauf warten. Oder eine Kiste soll auf den Dachboden - die steht da seit September. Die Auslegware für den Flur wartet seit 6 Jahren darauf verlegt zu werden. All das kann ich nicht selbst erledigen weil die Kraft fehlt."
Kenn ich. Glaub mir, ich kenns wirklich. Da gibt es noch einen Trick, nämlich zuarbeiten, so gut es geht. Der andere versucht, Energie zu sparen. Du musst ihn an den Punkt bringen, an dem er sich sagt: "Einfacher als jetzt wird es nie mehr werden, und so spare ich mir die Nerven-Energie, weil sie endlich Ruhe gibt noch obendrein".

Wenn ich möchte, dass mir mein Mann eine Deckenlampe anbringt, hole ich die Lampe, die Leiter, das Verlängerungskabel, eine Schachtel mit irgendwelchen Dübeln (ist mir egal, ob es die Richtigen sind), und die Bohrmaschine. Dann steige ich auf die Leiter, gucke verwirrt in meinem angeblichen Bemühen, die Lampenanbringung zu entschlüsseln, zähle geistig bis 10, dann steht mein Mann neben mir, nimmt mir die Sachen seufzend aus der Hand und erledigt es. Mit dem Teppich würde ich es genauso machen: Erst alles anschleppen, was du meinst, das man fürs Verlegen braucht, dann den Raum frei räumen (mein Mann wäre dann schon zur Stelle, und würde mit räumen, deshalb nicht umgekehrt).

Wenn ich will, dass mein Mann etwas auf den Speicher bringt, schaffe ich alles, was ich so tragen kann, an die Speicherfalltür, ziehe die Leiter runter (das macht ein brutales Geräusch, das bekommt er todsicher mit), und kann dann davon ausgehen, dass er aufstehen, und es erledigen wird. Weil er weiß, dass ich Angst vor der Leiter habe, und dass ich mit den schweren Sachen nicht so gut zurecht komme wie er. Wenn er dann "sowieso schon dabei ist", erwähne ich noch diese riesige, schwere Kiste im Erdgeschoss, die er dann holt, oder wir holen sie gemeinsam.

Wenn mir irgendwas eigentlich zu schwer ist, schufte ich mir daran demonstrativ einen ab, nachdem ich ihn einmal gefragt habe, ob er es tun kann, und er es nicht tut. Dann kruschpel und wurschtel ich, gehe mit Teilinhalten der Kiste treppauf oder treppab, und ich kann mir immer sicher sein, dass er aufsteht und mit anpackt.

Mit der Schranktür ist es das Gleiche: Schnapp dir nen Schraubenzieher, setz dich kommentarlos neben ihn, und fang an, an dem Ding rumzufriemeln. Zehn zu eins, dass er übernimmt.

Und dann LOBEN und BEDANKEN. Und schauen, was als nächstes passiert.

Ja, das kostet dich zuerst viel Energie, aber du bist trotzdem bald im Plus: Wenn dich die rumstehende Schranktür nicht mehr nervt, wenn die Kiste verräumt ist, der Teppich verlegt ist, geht es dir besser. Wenn er gelobt wurde, und selbst auch stolz und zufrieden mit seiner Leistung ist, ist er motivierter, wieder etwas zu tun. Und wenn es funktioniert, weißt du für die Zukunft, wie du deinen Mann dazu bringen kannst, sich in Bewegung zu setzen, und sparst dir die Energie, ihn zu überreden.


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03.05.2015 07:57
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Danke für deine super Antwort und deine Mühe!

Weißt du was merkwürdig ist?
Es wirkt schon!

Ich habe jetzt ein Auto, das von innen super gesaugt ist, und ein gründlich gesaugtes Wohnzimmer ... kaum zu glauben.
Zwar um die eine Kruschtel-Ecke herum gesaugt, aber der Rest ist prima.

Selbst mit etwas anfangen würde er mir bei manchen Tätigkeiten leider sozusagen nicht glauben. Und einfach starten bei Dingen die ich kann - das lässt ihn teils im Schneckenhaus verschwinden. Er denkt dann, dass er unerwünscht ist. Aber da habe ich mir auch schon etwas ausgedacht - nämlich dass ich es locker kommentieren werde. "Wir wollten ja xy tun. Ich fange dann schon mal an."

Irgend etwas muss ich gestern anders gemacht haben. Das muss ich noch einmal genauer aufdröseln, wie das kam.
Ich habe schon überlegt ob es geklappt hat, weil ich innerlich davon überzeugt war. Das habe ich vielleicht ausgeströmt, dass ich dran glaube dass es funktioniert?


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03.05.2015 08:37
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"Selbst mit etwas anfangen würde er mir bei manchen Tätigkeiten leider sozusagen nicht glauben."
Versuch mit denen anzufangen, von denen du dir sagst "Ach, das kann doch eigentlich gar nicht sooo kompliziert sein...".
Es kann und wird dir am Anfang sicher ein paarmal passieren, dass du die Arbeit alleine zuende bringst. Aber das macht überhaupt nichts; im Gegenteil. Wenn es sowas ist, wie eine kaputte Schranktür reparieren, und du das noch nie gemacht hast, fühlst du dich hinterher großartig. Wenn dein Mann dann mitbekommt: "Huch, die hat ja die Schranktür alleine repariert?!" und du dann mit etwas von den Dingen beginnst, die er dir "sozusagen nicht glauben" würde, dann glaubt er dir die doch. Ich vermute, in einem Haushalt, in dem Schranktüren herumstehen, die seit vier Jahren repariert gehören, gibt es genug Aufgaben, die du in Angriff nehmen kannst, ohne dich daran kaputt zu schuften. Muss ja auch nicht alles an einem Tag sein ;)
Bedenke bitte auch, dass deine Argumente gegen meine Vorschläge wahrscheinlich darin gründen, dass du selbst Angst hast, dich diesen neuen und womöglich komplizierten und anstrengenden Dingen zu stellen. Dann bedenke: Du hast wahrscheinlich selbst auch eine Antriebsstörung, und die sorgt dafür, dass du zweifelst oder sogar ablehnst.
Stell dich der ersten Uraltlast ruhig erst, wenn du soweit bist, wenn du deine Anteile im Haushalt so weit erledigt hast, und eigentlich nur noch sein Zeug übrig ist. Aber du solltest wissen, dass nichts so sehr motiviert, wie genau solche Probleme mal alleine gelöst zu haben.


"Und einfach starten bei Dingen die ich kann - das lässt ihn teils im Schneckenhaus verschwinden. Er denkt dann, dass er unerwünscht ist."

Das klingt interessant. Hast du eine Idee, warum das so sein könnte?

"Wir wollten ja xy tun. Ich fange dann schon mal an."
Ich kenne dich nicht, und weiß nicht, wie du den Spruch locker rüber bringen würdest. Für mich persönlich klingt er nach Sarkasmus, und er beinhaltet eine Forderung ("ich fange schon mal an, und ich erwarte, dass du nachkommst"). Mein Bauchgefühl meint: Lieber nicht sagen. Kompromissvorschlag: Sag es mal, wenns klappt ok, wenn nicht, probier es, ohne was zu sagen, und schau ob das besser läuft. Bei extremer Starre kann es durchaus sein, dass schon ein einziger Satz als Auslöser fungiert. Manche Leute hassen es einfach wie die Pest, wenn sie das Gefühl haben, dass sie irgendwas tun sollen bzw müssen (Trigger). Sie können sich erst bewegen, wenn sie vollkommen das Gefühl haben, dass es ihre alleinige Entscheidung ist.


"Ich habe schon überlegt ob es geklappt hat, weil ich innerlich davon überzeugt war. Das habe ich vielleicht ausgeströmt, dass ich dran glaube dass es funktioniert?"

Da ich ja nicht weiß, was du gemacht (oder anders gemacht) hast, kann ich dir leider nicht weiterhelfen bei der Erklärung ;))
Ich glaube allerdings, dass es nur wenige Dinge gibt, die aus Körpern strömen, und eine Veränderung bewirken können *g*
Ich sage immer: Man kann einen anderen Menschen nicht ändern. Aber indem man sich selbst ändert - auf unvorhergesehene Weise verhält - ermöglicht man dem anderen, nicht auf die gewohnte Weise reagieren zu müssen. Daher liegt für mich nahe, dass dein verändertes Verhalten deinem Mann eine Verhaltensänderung ermöglicht hat, und das ist toll, denn für mich heißt das, dass er nur darauf wartet und hofft, von dir ein solches Änderungs-Angebot zu bekommen.


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03.05.2015 09:26 (zuletzt bearbeitet: 03.05.2015 09:34)
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Nein, er würde manches nicht glauben und denken ich will ihn erpressen etwas sofort zu tun, weil ich es rein körperlich nicht mehr kann.
Ich brauche ja manchmal schon Hilfe wenn es nur darum geht einen Schraubverschluss aufzubekommen.

"Früher" habe ich alleine Schränke aufgebaut, Teppiche verlegt, Türen abgeschliffen, Zimmerdecken gemalert.
Mal vom Haushalt abgesehen. Der lief nebenher.
Aber von meinen Krankheiten her muss ich heute schon zufrieden sein wenn ich eine Mahlzeit kochen kann oder eine Füllung Wäsche in einem Durchgang falte.


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