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Hallo Bobby,
hier meine Meinung zu dem, was du schreibst:
Dein Textstil erinnert mich an den von Leuten, die von sich selbst sagen, dass bei ihnen ADS diagnostiziert wurde. Nur so als Information.
Davon abgesehen erkenne ich Parallelen zu Tante Mausohr, zu miracle und zu Franca.
Mit Tante Mausohr verbindet dich die fehlerhafte Abfolge von Leistung und Belohnung. Sie nimmt sich ihre Belohnungen, ohne dafür vorher eine angemessene Leistung erbracht zu haben. Sie schiebt die zu erledigenden Arbeiten auf. Sie nennt andere Gründe als du, in ihrem Fall stehen körperliche Schmerzen im Vordergrund, in deinem eher der Zeitmangel.
Schlussendlich denke ich, das sind "Ausreden", aber bitte nicht in den falschen Hals bekommen. Ausrede heißt in dem Fall, eine Rechtfertigung in erster Linie vor sich selbst, um nicht machen zu müssen, was man eigentlich nicht machen will.
Es ist sehr, sehr schwer, seine eigenen Scheinbegründungen als solche zu erkennen, weil es unglaublich plausibel klingt, und weil Schmerz und Zeitmangel sich sehr real anfühlen. Aus "ich will nicht" wird ein "ich will ja, aber ich kann nicht", von dem man absolut überzeugt ist. Mausohr empfahl ich (und auch Sonja), die Reihenfolge versuchsweise umzudrehen. Morgens früh das leisten, was sie irgendwann im Laufe des Tages zu leisten beabsichtigte (und nicht mehr als das), und im Anschluss daran zu faulenzen, anstatt erst einen großen Teil des Tages gemütlich anzugehen, bis der Druck so groß wird, dass man sich schlussendlich doch aufrafft, das Geplante in Angriff zu nehmen. Leider hat Mausohr das bisher nicht geschafft, und falls doch, dann hat sie uns das bisher noch nicht mitgeteilt. Sie begründet ihren Unwillen mit dem für sie logisch klingenden Schmerz, der sich unweigerlich nach allen Arten von Anstrengungen einstellt, aber eigentlich ist es logisch, dass sie bei derselben Leistung wie sonst auch nicht mehr Schmerz haben wird, als sonst auch, und dass sie den Rest des Tages besser genießen kann, weil sie keinen Druck mehr im Nacken hat, noch etwas tun zu müssen.
Dir empfehe ich das Gleiche. Auch wenn du meinst, dass du es brauchst, es morgens gemütlich angehen zu lassen. Probier es einmal aus, nur einen Tag lang, und finde heraus, wie es sich anfühlt, morgens schon sein "Soll" erfüllt zu haben, und den Rest des Tages so verbringen zu können, wie man möchte. Ohne Druck, ohne schlechtes Gewissen.
Bei Mausohr finden sich noch mehr Ähnlichkeiten: Sie wurde vielleicht nicht behandelt wie eine Prinzessin, aber man hat sie - wohl aus Mitleid wegen ihrer Hörbehinderung - mit vielem verschont, obwohl ihre Hörminderung eigentlich keinen Grund dafür darstellt, etwa keine Verantwortung für etwas zu übernehmen. Aber da kam dann eben sowas wie "Ach, lass die arme Kleine, die muss das nicht machen, die hats auch so schon schwer genug". Gleichzeitig aber hat man auch bei Mausohr oft herausgelesen, dass ihr andere Menschen oft das Gefühl gegeben haben, für sie eine Belastung zu sein.
Das dritte, das dich mit ihr verbindet, ist das überanalysieren. Ihr habt beide sehr detailliert auseinander klamüsert, wie eure Problematik entstanden ist. Ihr erkennt sogar euren Eigenanteil relativ genau. Ihr zieht sogar teilweise mental Konsequenzen daraus, wie ihr euch in Zukunft anders verhalten solltet - aber ihr setzt diese Konsequenzen nicht in die Tat um.
Mit miracle verbindet dich das unstillbare Bedürfnis, irgendetwas anderes zu kompensieren, indem man etwas kauft. Zum Beispiel innere Leere, fehlende menschliche Nähe, oder unglückliche Kindheitserlebnisse. Bei ihr sind es Klamotten, bei dir hauptsächlich CDs und Bücher, aber das ist im Grunde egal. Ihr kauft es, ohne es zu brauchen. Es funktioniert nicht, und ihr merkt das auch genau. Die neu gekauften Sachen machen euer Leben nicht besser, sondern schlechter. Das frustriert euch extrem. Aber weil ihr euch beigebracht habt, auf Frustration mit kaufen zu reagieren, fällt euch nichts anderes ein, als noch mehr zu kaufen. Ein Teufelskreis, den man [i]nicht [/i]bloß dadurch durchbrechen kann, indem man [i]nichts mehr kauft.[/i]
Ich denke, es ist falsch, dir dauernd etwas ERSATZLOS abzugewöhnen. Der abgewöhnte Alkoholismus führte in die Sexsucht, die abgewöhnte Sexsucht führte in die Kaufsucht...und so weiter.
Ich denke, du solltest dir gezielt etwas Besseres ANgewöhnen. Ein neues, sinnvolles, erwünschtes Verhalten, das an Stelle des unerwünschten Verhaltens tritt.
Und damit landen wir bei Franca. Ich überstrapaziere das Beispiel vielleicht mittlerweile ein wenig, aber nur, weil es ein so Glänzendes ist. Franca hatte Probleme damit, kostenlose Magazine liegen zu lassen. Sie hat sich irgendwann mal irgendwie beigebracht, solche Magazine als Belohnung mitzunehmen. Wie ist das passiert? Vermutlich ungefähr so: Sie hat sich zur Belohnung Dinge gekauft, und dann gemerkt, dass ihr das viel mehr schadet, als nutzt. Also hat sie sich gezwungen, nichts mehr zu kaufen. Vielleicht hatte sie auch schlicht kein Geld mehr, und war deshalb gezwungen, zu verzichten. Doch da waren diese Magazine. Auch etwas, was man von unterwegs mit heimbringen kann, aber es kostet eben nichts. Also beinahe die gleiche Belohnung, aber mit dem Vorteil, dass man sich das viele Geld spart. Doch auch die Magazine waren letztlich eine Belastung. Sie waren nicht das, was Franca wirklich wollte und brauchte - aber sie kannte es eben nicht anders.
Und obwohl sie wusste, dass sie sich damit mehr schadet als nutzt, war es ein täglicher Kampf, auf die Hefte zu verzichten. Das änderte sich sehr rasch, als sie sich das nicht-mitnehmen als Leistung nicht nur verbal anerkannte, sondern sich gezielt für das erwünschte Verhalten (Magazine liegenlassen) belohnte. Auf einmal ging es nicht mehr um reinen Verzicht, um ersatzloses unbefriedigt bleiben. Das hätte früher oder später wieder in eine andere unselige Form von Besitzanhäufung gemündet. Stattdessen belohnt sich Franca jetzt fürs nicht mitnehmen gezielt mit ähnlichen Dingen, die du aufgezählt hast. Eine Tasse Tee, ein Vollbad, essen gehen, Ausflüge. Wenn sie vor den Magazinen steht, und überlegt: "Nehm ich eins mit, oder nicht?", dann schließt sie mit sich einen Deal ab: "Wenn du das jetzt nicht mitnimmst, bekommst du Belohnung XY dafür".
Jeder legt seine Belohnungen individuell fest, und jeder kann für sich selbst am besten entscheiden, was eine für ihn angemessene Leistung ist.
Ich würde dir also als ersten Schritt unbedingt nahelegen, dich unmittelbar vor einer Kaufentscheidung dazu zu überreden versuchen, stattdessen eine positive, angenehme Ersatzhandlung zu wählen.
Ich werde die beiträge von euch noch mal in ruhe sacken lassen. Es ist viel drin, viel Wahrheit. Ich hatte heute morgen auch den Gedanken, mache doch das wichtigste zuerst. Hab es dann nicht gemacht. Es wird auch eine ganz schöne Umgewöhnung werden. Der Vorteil wäre das ich nicht mehr dem Leben hinterherhetzen müsste, wie ich es jetzt tue. Immer in Abwehr das mich keiner stört da ja am nachmittag und abends alles passiert. Da kommt das TV Programm, Kino, da melden sich die freunde, da hätte ich (theoretisch) zeit zum aufräumen. Vorher bin ich ja noch im Aufwachmodus. Immerhin, ich gehe momentan echt früh ins bett, trotz urlaubs, zwischen21 und 23 Uhr. Das hilft mir morgens früher aufzuwachen und da wäre dann echt raum für irgendwelche aufgaben.
Das naheliegendste ist oft das Schwerste hab ich mal gehört. Okay, ich probiere das jetzt mal umzusetzen. Ich merke (analysier, analysier...) gerade wie sehr gehetzt ich bin im alltag. Wie sehr ich fliehe, vor meinem haushalt, vor meiner Beziehung. Also vor Verantwortung. Sind so alte muster, die müssen aber nun auch nicht ewig gelebt werden. Puh, also morgen früh probiere ich es mal aus. Irgendwas zu tun im haushalt. Egal was, egal wie lange. Erstmal soll das ein Anfang sein.
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"Egal was, egal wie lange"
m-mh^^
Es ist sogar noch wichtiger, mit sich ein Ende zu vereinbaren, als einen Anfang. Wenn du dich überreden willst, etwas zu tun, muss die Aufgabe abschätzbar und beendbar sein, sonst demotivierst du dich mit der Aussicht auf "stundenlanges Gerödel, nach dem das Gesamtproblem noch immer nicht gelöst sein wird".
Lieber ganz klein anfangen. Mit Mikro-Aufgaben, die nicht länger dauern als 1-5 Minuten. Bett machen. 5 Teile Geschirr spülen. Eine Waschmaschine ansetzen. Den Müll vom Schreibtisch aufklauben. Das schmutzige Geschirr vom Nachttisch in die Küche tragen. All das sind Mini-Aufgaben, aber aneinandergereiht bewegt sich viel, und es fühlt sich besser an als eine große, sehr lang dauernde Aufgabe, die du dann vielleicht noch nicht einmal fertig schaffst.
Aber es ist auf jeden Fall eine gute Idee, deinen Tag mit der Leistung zu starten - du darfst aber die Belohnung nicht vergessen. Und um dir das Gefühl zu geben, dass du die Belohnung verdienst, musst du deine Aufgaben schaffen. Wenn du die Aufgaben so gestaltest, dass du sie wirklich schaffen kannst, baust du Motivation auf. Wenn du mehr oder weniger planlos "irgendwas bis irgendwann" machst, und dich auch nicht für deine Leistungen gezielt sinnvoll belohnst, änderst du nichts.
So ist wohl der Mensch gestrickt, so einfach, eigentlich logisch. Aufgaben erledigen, sich dafür belohnen. Ich habe das tatsächlich heute einigermaßen hinbekommen. Allerdings habe ich mir zum aufwachen doch eine stunde gegönnt. Dann habe ich ca. 2 stunden in der Wohnung was gemacht. Gespült, Klamotten, Zeitungen weggeräumt. Koffer die seit Wochen in der diele stehen weggeräumt. Ich dachte mir ich fange einfach an, es brint was. Irgendwann muss es auch mal fertig werden, vielleicht nicht heute natürlich, vielleicht nicht perfekt, aber es wird.
Es ist machbar.
Hab mir was zu essen gemacht, beim essen dann Nachrichten geschaut, dann ging das Telefon. Ansonsten konnte ich ganz gut in der Wohnung was schaffen. Geschirr einweichen vor allem. Es ist wieder ein erster Schritt gemacht. Die Blockade war kleiner als sonst. Die Angst, die Depression, die mir beim aufräumen immer bewusst wird, war eher marginal. Es war ein schritt, ein guter, ein kleiner Baby Schritt. Ist aber okay so. Gerade in diesen turbulenten Zeiten wird mir auch immer klarer das ich nicht der Mittelpunkt des Universums bin. Ich danke euch total für euer hilfe. Damals schon ein paarmal. Die Dinge die ihr geschrieben habt haben mich echt begleitet. Das ich meine CDs und Bücher ruhig behalten soll, nur ordnen halt. Das andere auch ihre Ecken haben. Das ich klein anfangen soll. Vor allem das es andere gibt mit den gleichen Problemen. Und jetzt wieder, bähm. bumm. Wie Blitze kommen kleine Geistesblitze beim lesen. Hoffe das Ganze hält diesmal mal an und verpufft nicht, oder so.
Meine Belohnungen heute war der tee zwischendurch, in ruhe was zu essen, dabei tv glotzen; und beim spülen lief eine hör-cd. Das finde ich eine wunderbare Art Hausarbeit spannend zu gestalten. Eine eher einfach gehaltene HörCD.
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das klingt sehr schön, Bobby. Du liest dich auch gleich ganz anders. Deine Sätze sind kürzer, und fokussierter. Du wirkst entspannter, trotz eines Tags voller Arbeit.
Das mit der Hörspiel-CD ist eine gute Idee. Manche brauchen es, dass der Fernseher zur Gesellschaft läuft. Ich höre gern Radio, drehe lauter und singe mit, wenn Lieder kommen, die ich mag. Andere bevorzugen die Stille. Am besten man probiert es einfach selbst aus, was einem am meisten liegt.
"Die Blockade war kleiner als sonst. Die Angst, die Depression, die mir beim aufräumen immer bewusst wird, war eher marginal"
Angst ist ein negativer Verstärker. Angst, Zwang und Scham wachsen zum Teil von allein, vor allem durch Termine, die es einzuhalten gilt (oder etwa, wenn das Ende des Urlaubs naht, oder Besuch ansteht). Ignoriert man diese Verstärker, schwellen sie endlos weiter an, bis sie "unignorierbar" werden. In Kombination mit positiven Verstärkern (Belohnung) ist aber gar nicht mehr so viel Angst nötig, um sich in Bewegung zu setzen.
"Hoffe das Ganze hält diesmal mal an und verpufft nicht"
Schlampinchen sagte vor kurzem mehrmals dasselbe. Das fiel ihr dann selbst auf, und sie meinte: wenn sie ständig Zweifel hat, ob das anhält, dann vermutlich, weil die berechtigt sind. Damit eine kurzfristige Hochphase nicht wieder schlagartig absackt, sondern konstant bleibt, muss man üben. Seine Kräfte einteilen, und diesen neuen Leistungs-Belohnungs-Prozess täglich üben. Das heißt nicht, dass man jeden Tag schuften muss, ganz im Gegenteil. Lieber gewöhnt man sich an, jeden Tag eine halbe Stunde lang etwas zu tun, das sind 182,5 Stunden im Jahr. Meine Empfehlung wäre, Bobby, dass du versuchst, für den Anfang eine Woche lang täglich im Forum zu schreiben, wie es dir beim Üben ergeht.
"Allerdings habe ich mir zum aufwachen doch eine stunde gegönnt."
Niemand erwartet, dass man aus dem Bett direkt in die Arbeit fällt. Eine Stunde, um wach zu werden, sich frisch zu machen und evtl auch etwas zu frühstücken ist doch ganz normal. Ungesund wäre es, wenn man zum Beispiel bis um 11 Uhr schläft, und dann noch 3-4 Stunden Anlauf braucht, bevor man den ersten Handschlag vollbringt.
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