Kann es nicht mehr ertragen

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23.12.2014 23:11
avatar  pianina
#6
pi
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Noch was: es gibt ja auch noch ein hygienisches Problem (bei meiner Schwiegermutter). Es stinkt, die Wohnung ist schon lange nicht mehr sauber gemacht worden (wie auch). Sie selbst stinkt auch wie ihre Bude. Jetzt ist sie herzkrank, sitzt in ihrem Chaos und kann fast nichts mehr machen, hat es vorher ja auch nicht getan. Im Kopf ist sie klar. Demnächst wird sie wohl auf Hilfe angewiesen sein, aber es ist eine Zumutung, dass jemand die Wohnung betreten soll, z.B. ein Pflegedienst. Ich habe das Problem nur vorsichtig bei meinem Mann angesprochen. Mein Mann verspricht sich zu kümmern, tut es aber nicht und kriegt es ja auch nicht geregelt. Ist ja angeblich alles kein Problem, wird nächste Woche geregelt. Unglaublich. Ich versuche mich nicht aufzuregen, rede mir ein dass es ja nicht mein Problem ist. Aber irgendwie kann ich das nicht mit ansehen.


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23.12.2014 23:16 (zuletzt bearbeitet: 23.12.2014 23:18)
#7
Ta
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Ja, wirklich erklärbar ist solches Verhalten scheinbar nicht.
Was Du schreibst vom Respekt, das kann ich gut verstehen.
Also ich kann da wirklich nur von mir sprechen. Meine Erfahrungen sind nur sehr bedingt beispielhaft für andere.

Vielleicht muss er erstmal kräftig auf die Nase fallen ? Ich bin aufgewacht über die Schiene der Verlusterfahrung. Liebe Freundinnen konnten mein
Chaos nicht mehr ertragen und wendeten sich ab. Damit verbunden war ja auch Angst, denn ich steuerte ja auf einen Abgrund zu. Da zuzugucken, ist nicht schön.
Ein anderer Aspekt waren meine eigenen Ängste, die ich unbewusst dann in der Umwelt verstreute. Das war und ist dann auf Dauer auch keine gute Basis,
um miteinander auszukommen.
Ein Gedanke noch : manchmal steckt eine Depression dahinter oder die Vorstufe davon ? Bei Männern ist das als Laie schwer zu erkennen, das äussert sich oft anders
als bei Frauen.
Oder manchmal ist der Gerümpelhaufen wie eine Schutzmauer vor etwas, was angst macht........dann gilt es die Gründe für angst zu erkennen und wenn möglich zu beseitigen.
Das kann weh tun, doch eine Wunde, die heilen soll, muss erst gesäubert werden, auch im übertragenen Sinne.

Ich wünsche Dir sehr, dass Du ihm begreiflich machen kannst, dass Dich die Situation kränkt und krank macht, und die Kinder dazu.

Oh, da kommt es ja noch dicker ! Das ist ja hammerhart. Hier scheint ja wirklich schon fast jede Hilfe zu spät zu kommen. Sprachlos bin.

Schöne Weihnachten ! Grüssele Mausohr


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24.12.2014 00:19
avatar  Kayla
#8
Ka
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Hallo Pianina!
Nein, es war nicht, weil ich "keinen Ausweg mehr sah". Den sah ich schon lang nimmer. Aber ich wollte das durchziehen "bis die Kinder aus dem Haus sind" und so weiter. Mein Mann war kein Messie, er hatte ein anderes Problem, das aber auch zur Verwahrlosung führte und ich war ein ganz braver "Co.". Nicht, dass ich das je irgendwie als normal oder zumindest tolerierbar empfunden hätte, nein. Aber da war das Haus und da waren die Kinder und mir fallen noch ein paar Gründe ein, warum ich mich niemals scheiden lassen konnte. Respekt vor meinem Mann? Der war schon lange weg. Liebe? Ja, irgendeine kranke Form der Liebe war noch da, irgendein Teil von mir hoffte, dass da noch was übrig sei von dem Mann, den ich mal geheiratet hatte.
Und dann regnete es, ich musste lange auf den Bus warten und fand ausgerechnet unter dem Vordach eines Scheidungsanwaltes eine Unterstellmöglichkeit. Und irgendwie war das genau der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Es war kein heroischer Akt und auch nicht der Höhepunkt irgendeines unserer sinnlosen Streits. Es ging mir gut an dem Tag, ich war mit mir zufrieden und dann war eben Schluss.
Ich habs hier schon ein paarmal erzählt. Nein, es war nicht leicht und ja, alles, was ich befürchtet hatte, traf ein und härter, als ich gefürchtet hatte. In der Konsequenz flammte eine alte psychische Störung wieder auf, in deren Folge verlor ich alle Selbstmotivation und wurde selbst zum Messie und zwar einem echten, MIT Wertbeimessungsstörung. Ich konnte nix mehr wegwerfen, war ja alles noch für irgendwas zu verwenden ... Lediglich vor leeren Lebensmittelverpackungen etc. gabs da in mir eine Grenze, warum auch immer. Aber ansonsten glich meine Wohnung einem Antiquitätenladen nach einem Erdbeben Stufe 8 und anschließendem Ungezieferbefall.
Dass ich äußerst kreativ bin und eigentlich pausenlos irgendwas baue, bastle, nähe und male und alle Jahre auch noch was Neues ausprobieren muss, machte die Sache auch nicht erträglicher (allerdings glaube ich heute, dass mich diese Eigenart vor echten Depris bewahrt hat).
ABER - ich war frei, der innere Druck war weg. Und ich war mir völlig bewusst, dass ich schwere Probleme hatte und was tun musste.
Das ist schon eine ziemliche Weile her. Inzwischen kann ich ohne Angst Leute einladen. Meine Wohnung ist zwar immer noch ein wenig sehr La Bohème, aber es ist sauber und entrümpelt und man kann Schränke aufmachen, ohne dass einem gleich der Inhalt entgegen fällt.
Anfangs hatte ich eine Beraterin (die war nie bei mir in der Wohnung und hat auch niemals was gemacht, nur dafür gesorgt, dass ich Struktur rein kriege).
Den letzten Stupser, der noch nötig war, haben mir damals, noch im alten Forum, Mauseöhrchen, Numi und all die anderen alten Hasen verpasst. Hier hatte ich endlich mal nicht das Gefühl, mich dafür entschuldigen zu müssen, dass mein Topfschrank aussah wie ein Schrottplatzmodell und ich mehr Tassen besaß, als unser ganzes Haus Bewohner hat (und das sind 30 Familien ;-)).
Und jetzt, Pianina, feiern wir Weihnachten. Und zwar völlig egal, wie weit wir mit unserer Räumerei gekommen oder auch nicht gekommen sind, ob wir Christi Geburt, eine verspätete Wintersonnenwende oder einfach ein Tannenbaumfest feiern - gerade wir (Ex)Messies brauchen diese Entschuldigung fürs Faulsein und einfach mal nichts tun.
Und Du solltest sie Dir auch nehmen. Denn wenn es uns nicht mehr gelingt, uns und unseren Lieben ein paar unbeschwerte, traumhaft schöne Momente zu schaffen, dann haben wir eigentlich schon verloren.
Übrigens gibt es kein Messiegen. Warts mal ab, bis Deine Kinder eigene Wohnungen haben. Meine Gören haben auch eine Müllkippe um sich geschaffen, dass mir Hören und Sehen verging. Als sie jedoch ihre eigenen Wohnungen hatten, hat nicht eins die Sauerei weiter gemacht. Sie sind heute alle ausgesprochen ordentliche Menschen, wobei zwei alllerdings einen Hang zum Minimalismus entwickelt haben.

Liebe Grüße
Kay

Ordnung ist etwas Künstliches. Das Natürliche ist das Chaos. (Arthur Schnitzler)


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24.12.2014 00:29
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#9
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Hallo pianina,

ich habe den Eindruck, dass mit deinem zweiten Posting wesentlich mehr Gefühle an die Oberfläche gespült wurden, als mit dem ersten. Da hast du dich vermutlich gerade um den nüchternen, sachlichen Blick bemüht, obwohl er dir eigentlich schon entglitten ist.

Vielleicht ändert es nichts, wenn ich das jetzt sage, aber vielleicht kannst du dich ja dann eher damit anfreunden, also probiere ich es: Erziehung heißt eigentlich nicht, jemanden so zurecht zu biegen, wie man ihn haben will. Erziehung heißt, einen Menschen lebensfähig zu machen. Dein Mann hat eine Schwäche, die du nicht hast. Eine Schwäche, die vermutlich in seiner Kindheit wurzelt. In einem Elternhaus, wie du es beschreibst, kann er nicht gelernt haben, sich um solche Dinge zu kümmern. Wer sollte es ihm vorgelebt haben? Wenn seine Mutter auch schon immer so drauf war, dass sie zu allem, was dringend anfallen würde, gesagt hat "Macht nix, nächste Woche kümmern wir uns schon drum", dann kopiert er das eins zu eins, weil er gar nichts anderes kann oder kennt.
Wenn du deinen Partner jeden Tag aufforderst, dies, das jenes zu tun, ist das doch eigentlich nichts anderes: Du versuchst, ihn dazu zu bewegen, nach deinem Willen zu handeln. Doch er handelt immer wieder nur nach seinem eigenen Willen. Er widersetzt sich also deinem Versuch, ihn zu verändern. Nicht weil er dich als Person ablehnt, sondern weil das erstens einfacher ist, als mit der Arbeit anzufangen, die ihn überfordert, und zweitens, weil er keinen Anreiz erkennen kann, diese Mühe trotzdem auf sich zu nehmen.

"Ihn für Kleinigkeiten zu loben ist lächerlich"
Vor dem, was als nächstes kommt, möchte ich dich bitten, auch einen Blick in andere Angehörigen-Threads zu werfen, denn das ist ein heikles Thema, und ich weiß, dass sich so mancher persönlich angegriffen fühlt, wenn es zur Sprache gebracht wird. Das ist nicht der Fall. Wir versuchen, diese Frage gemeinsam mit jedem Angehörigen zu beantworten, der hierher kommt. Es ist die Frage nach dem eigenen Anteil an der Situation. Ich wiederhole von meiner ersten Antwort: Es geht nicht um Schuld. Es geht darum, eine sich endlos wiederholende (eskalierende) Situation in ein Schema zu zerlegen "Er tut beispielsweise dies, ich reagiere darauf immer ungefähr so, er reagiert daraufhin sofort so und so, und dann..." und so weiter. Ein sich ständig in geringen Variationen wiederholender Endlos-Streitpunkt ist ein "Teufelskreis" (mehr dazu im Angehörigen-Forum unter dem gleichnamigen Threadtitel). In einem solchen steckt ihr beide fest mit eurer ewigen Diskussion darüber, dass er etwas tun soll, was er nicht tun will. Wenn nicht einer von euch beiden die Notbremse zieht, dann wird sich daran auch in Zukunft nichts ändern.
Das, was ich dir beschrieben habe, ist kein Trick aus der Hundeschule, sondern es ist eine Möglichkeit, euren Teufelskreis an den Stellen zu unterbrechen, an denen du darin am Zug bist. Es geht darum, das Belohnungszentrum zu stimulieren, es geht um Botenstoffe (Hormone), die im richtigen Moment ausgeschüttet werden sollen, um deinem Mann zu helfen, seine Motivationsstörung zu überwinden - oder wenigstens zu mildern.
Und damit sind wir beim letzten Punkt für heute: Dein Mann hat wahrscheinlich eine bestimmte Form von Krankheit. Eine Motivationsstörung ist eine Persönlichkeitsstörung. Und nach dem, was du jetzt noch beschrieben hast, könnte das nicht die einzige sein. Die Kauf-Attacken deuten zum Beispiel auf eine Impulskontrollstörung hin. Dein Mann entscheidet sich nicht bewusst dafür, so zu sein, wie er ist. Er kann einfach nicht anders.
Und das ist die Antwort auf die Frage, die du gestellt hast: Warum ein Messie das Chaos nicht sieht?
Eine einfache Antwort - es gibt noch andere, ähnliche, aber ich denke, für den Anfang genügt es: Weil er krank ist, und zu der Krankheit gehört, die Realität auszublenden, da er sonst an ihr zerbrechen würde, weil er absolut keine Ahnung hat, wie er diese Situation jemals wieder unter Kontrolle bekommen soll.
Dein Mann hat sich eine Scheinwelt aufgebaut, in der sich nächste Woche das bisschen Unordnung in Wohlgefallen auflöst. In dieser Illusion ist jeder ein immenser Stressfaktor, der versucht, ihm die Augen zu öffnen. Manche werden dann aggressiv, andere ziehen sich zurück. Wenn sie keine anderen Fluchtmöglichkeiten sehen, dann flüchten sie eben auf die Arbeit, oder sie verkriechen sich in Pseudo-Aktivität - "wenn ich aussehe, als wäre ich beschäftigt, nervt mich keiner damit, dass ich endlich mal was tun sollte". Mein Schwiegervater, der übrigens auch sehr viele Überstunden hat, sortiert dann immer gern Schrauben. Seelenruhig, inmitten von zig Tonnen Müll, und für die Dose Schrauben braucht er Wochen.



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24.12.2014 08:15
avatar  Kayla
#10
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Huhu, Numi ...
Komischerweise glauben wir immer, dieser Ablauf sei für Nichtbetroffene schwer nach zu vollziehen. Aber eigentlich ist er das gar nicht. Stell Dir vor, Du lernst einen echten Perfektionisten kennen (mein Großvater war von der Sorte). Und dieser Mensch sagt Dir nun Tag für Tag, dass Du aufhören sollst, Deine Schuhe mit der Spitze zur Wand ab zu stellen, sie gehören anders herum. Für Dich ist das eine lässliche Sünde, für ihn stört es sein Weltbild.
Der Perfektionist kann nun zwei Dinge tun. Entweder er redet, meckert, stellt die Schuhe in psychischer Grausamkeit und mit der Miene eines Märtyrers selbst immer wieder richtig hin. Das ist es ja, was Angehörige von Messies oft tun. Nun, wie würde man sich da wohl fühlen? Gegängelt, genervt, hochgradig gefrustet?
Oder aber es muss ihm gelingen, das Wohlgefallen, das er bei seiner perfekten Ordnung empfindet, für den anderen nacherlebbar zu machen. Dann findet man nämlich auch Kompromisse, echte, tragbare Kompromisse.
Zweitere Lösung ist halt schwierig. Ich kann für mich sagen, dass mein Ordnungsmaßstab mit jedem noch so winzigen Stück, das ich vorwärts kam, Millimeter für Millimeter wieder an die richtige Stelle schnippte. So wie eine selbsterfüllende Prophezeihung.
Deshalb ist Lob so wichtig. Dem Partner das Gefühl geben, dass man sich total gut fühlt, wenn er auch nur ein klein wenig an dem Chaos arbeitet und vor allem nicht nachlässt. Es muss gar nicht schnell gehen, man muss nur überhaupt was davon merken. Aber leider gilt auch hier - grau ist alle Theorie. Was im Einzelfall funktioniert, muss man leider selbst herausfinden.

Euch allen einen heimeligen Heiligabend
Kay

Ordnung ist etwas Künstliches. Das Natürliche ist das Chaos. (Arthur Schnitzler)


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