Fremdes Chaos beseitigen scheint soviel leichter!

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22.07.2014 11:24
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#6
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Ich glaube, dass es dafür vielfältige, ganz individuelle Gründe geben kann.

Meine Freundin, von der ich schon einmal erzählte, wollte immer bei mir putzen (hat sich regelrecht aufgedrängt), und meinte dann, dass ich dann doch auch mal zu ihr kommen und ihr helfen könne (wozu ich keine große Lust hatte). Rückwirkend glaube ich, dass sie das hauptsächlich aus dem Grund gemacht hat, weil sie eigentlich von mir Hilfe wollte. Ich hätte ihr auch geholfen, wenn ich geahnt hätte, dass es um ihre Wohnung so furchtbar bestellt war, aber es klang eben immer so nach "ich spül dein Geschirr und du dafür meins" - worin ich herzlich wenig Sinn sah; ich wollte lieber, dass jeder einfach bei seinem eigenen Kram bleibt.

Dann kann ich mir vorstellen, dass manche große Probleme damit haben, bei sich selbst Prioritäten zu setzen, bzw einen Anfang zu finden. Bei einem Freund ist der Aufwand entweder überschaubar genug, oder man akzeptiert bereitwillig dessen Entscheidung.

In anderen Fällen stellt einem womöglich der eigene Anspruch, das eigene Perfektionsstreben ein Bein. Wenn man es für sich selbst macht, muss es perfekt sein, woran einen im eigenen Haushalt aber tausend Dinge hindern - als Beispiel Fensterputzen, das möchte man einfach perfekt machen, aber steht schon vor dem Problem, nicht mehr an alle Fenster heran zu kommen, also verschiebt man es, bis "irgendwann" die Möglichkeit besteht, es perfekt zu machen - die natürlich nicht eintritt. Bei einem Freund hingegen ist ein 90%-Ergebnis akzeptabel. Nicht, weil man den nicht so wichtig nimmt, wie sich selbst, sondern weil man eher bereit ist, bei einem anderen Fünfe gerade sein zu lassen. Was auch wiederum verschiedene Ursachen haben kann - eine davon wäre z.B., dass man dazu erzogen wurde, dass Ergebnisse absolut perfekt sein müssen, bevor sie gewürdigt werden. (bzw dass man immer ausgeschimpft wurde, wenn man ein unperfektes Ergebnis abgeliefert hat)

Das wären jetzt so ein paar Erklärungen, die mir dazu einfallen. Ist bestimmt nicht vollständig.


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22.07.2014 11:46
#7
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Hallo Numi und dankeschön für Deine Gedanken zum Thema!
Ja, das stimmt..das Chaos der anderen..und sei es eine andere Messiewohnung, die ich malö sah..scheint IMMER überschaubarer und leichter zu beseitigen zu sein wie das eigene..!

Und vielleicht spielt da auch mein Helfersyndrom mit ein..und weil es einfach Freude macht, anderen zu einem schönen Zuhause zu verhelfen..doch sollte man sich das selbst nicht auch wert sein?

Die Lähmung, Chaos anzugehen, kenne ich nur in meinen vertrauten vier Wänden..eben auch..weil ich nicht weiss wo ich beginnen soll..
Bei mir hapert es ja an allen Ecken und Enden..Sauberkeit..Müll..Unordnung... :-(
Und dann noch die Tatsache, das ich bei fast allem denke, selbst wenn ichs Jahre nicht verwendet habe "Ja aber das könnte ich oder jemand anderer doch noch gebrauchen irgendwann vielleicht..es ist doch noch vollkommen okay und einsatzfähig"

Meine Tochter meinte letztens zu mir..ich solle alles wegwerfen, was ich nicht benutzt habe das letzte Jahr oder länger und sollte ich etwas davon mal wieder brauchen, könne ich es mir ja wieder kaufen..doch Dinge jahrelang aufzuheben, die keine Verwendung im Alltag finden, würde automatisch Chaos schaffen und..ja..sie hat recht!

Mittlerweile ist es so schlimm bei mir, das ich mir manchmal wünschte die Wohnung würde durch einen Brand oder ein Erdbeben zerstört..damit ich nochmal von vorne anfangen kann..eine neue Chance erhalte..aber..diese Chance..einen Schritt in Richtung angenehme Wohnatmosphäre..ums mal vorsichtig auszudrücken..zu tun..habe ich ja real betrachtet jetzt schon..jeden Tag..ich muss nur endlich den Hintern hochkriegen..


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22.07.2014 13:59
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#8
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In kleinerem Rahmen war es auch für mich wichtig, mich damit auseinander zu setzen, warum ich bestimmte Dinge aufhebe, obwohl ich sie nicht brauche, und/oder sie nicht mag. Ein alter Hut sind die Dinge, die "man" noch mal gebrauchen könnte, der Besitzer selbst hingegen zur Zeit überhaupt nicht.

Bei mir war die größte Gruppe Zeug, das ich sehr wohl gebrauchen konnte - teilweise sogar wirklich dringend gebrauchen konnte - aber ich mochte die Sachen nicht. Im Grunde bestand fast alles, was sich in meinem Besitz befand, aus den abgelegten, weggeworfenen, gegen bessere Versionen ausgetauschten Besitztümern anderer, und ich hab einfach genommen, was ich kriegen konnte. Ich hab auch ausgetauscht, wenn mir eine bessere Version in die Hände geriet. Aber ich bin nie in ein Geschäft gegangen und hab einfach gekauft, was mir gefiel. Es war bestenfalls ein Kompromiss zwischen dem, was mir einigermaßen gefiel, und dem, was ich mir leisten konnte - aber selbst das bildete die Ausnahme. Das meiste waren einfach Gelegenheits-Inbesitznahmen, wenn jemand anderer sich etwas Neues angeschafft hatte, und das Alte dann an mich weiter reichte.

Hinzu kamen Geschenke (eigentlich war ja irgendwie fast alles in meinem Besitz geschenkt im weitesten Sinne, aber hier meine ich Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenke, die auch nicht alle unbedingt einen Zweck erfüllten), die meinen Geschmack teilweise nicht wirklich trafen, teilweise hatte sich mein Geschmack inzwischen verändert, und teilweise fand ich die Geschenke auch richtig schlimm, weil ich mich beleidigt fühlte, dass mir jemand zutraut, so etwas zu mögen. Warum hebt man sowas auf?
Na, in erster Linie, um es den anderen Recht zu machen. Weil man niemanden dadurch beleidigen will, dass man das Dingsbums in die Mülltonne pfeffert, weil man es nicht mal mehr auf dem Flohmarkt loswerden würde. Nicht selten hatten Leute eine Menge Arbeit, Zeit und auch Geld in diese Geschenke gesteckt, oder hatten mir ganz stolz verkündet, dass sie sich unheimlich viele Gedanken gemacht hätten, und jetzt der Meinung waren, sie hätten das perfekte Geschenk für mich gefunden. Da wurden Sachen aus GB oder aus Übersee bestellt, meistens irgendein nerdiger Firlefanz, oder es wurde etwas gebastelt. Wir werden dazu erzogen, solche Geschenke besonders wertzuschätzen, aber das Fatale ist: Wenn man einem "auf böse" umbemalten Teletubbie einen Ehrenplatz im Bücherregal einräumt, dann denkt jeder, du stehst auf sowas, und im nächsten Jahr bekommst du erneut so einen Blödsinn, obwohl man dir, wenn man dich wirklich gut kennen würde, mal einen Stapel neue Geschirrtücher, oder ein Doppelpack gutes Duschgel schenken müsste.
Die "Schwachsinns-Geschenke" bin ich deshalb gleich als erste losgeworden. Wenn sowieso niemand mehr zu Besuch kommt, gibts auch keinen mehr, der sich darüber aufregen könnte, dass man sein Geschenk weggeworfen hat. (Zu mir sind die Leute aus anderen Gründen nicht mehr zu Besuch gekommen, aber das spielt ja für das Ergebnis keine Rolle). Als zweites hab ich alles rausgeworfen, was ich - im weitesten Sinne - für andere aufgehoben habe. Egal, ob es ihnen gehörte, und sie es nicht mehr abholten, oder ob es mir gehörte, und sie es haben wollten, aber nicht abholten, oder Dinge, die ich besaß, um auf Besuch vorbereitet zu sein, der niemals kam (in der Küche und bei den zusätzlichen Sitzgelegenheiten wird man da am meisten los). Ich hab nicht gleich alles radikal auf einmal rausgeworfen, sondern mich eher "mehr und mehr überschnappend" davon getrennt, wenn man so will. Zuerst sowas wie "Meine Güte, ich brauche keine 15 Messer, ich schneide nur mit dem...und dem...und das behalt ich sicherheitshalber noch als Ersatz. Und eins noch, falls mal jemand herkommt und mit mir kocht. Ah, und das hier, das nehm ich manchmal für Obst..." - "Dieses Service mit den winzigen Tassen, das hat hier noch nie einer benutzt, das kann weg." - "Wozu brauch ich sieben Klappstühle, plus die Couch und den Sessel, und den kleinen Hocker, und das Sitzkissen, die beiden Schreibtischstühle, und die drei Stapelstühle auf dem Balkon, das reicht für 18 Hintern, das Maximum, was ich je an Besuchern gleichzeitig hatte, waren 8 Leute... (in einer 42,5qm Wohnung, wohlgemerkt!)
Im nächsten Durchgang habe ich dann auch das falls-mal-einer-kommt-Messer hergeben können, und alle Tassen bis auf 3, und alle Ersatz-Sitzmöbel...und im nächsten Durchgang die Ersatzmesser, alle Tassen, bis auf meine Lieblingstasse, und fast alle Sitzgelegenheiten, außer die, auf denen ich selbst am liebsten sitze. So radikal hätte ich das zu Beginn nicht gekonnt. Da hätte ich das Gefühl gehabt "Dann habe ich ja gar nichts mehr, wie furchtbar!". Am Ende war das "Dann habe ich ja gar nichts mehr, wie geil ist das denn?!"

Der Witz an der Geschichte: Die Sachen, von denen ich meinte, dass ich sie dringend brauche (so dringend, dass ich sie nicht wegwerfen konnte, obwohl sie mir nicht gefielen, und ich sie teilweise richtig gehasst habe), waren exakt die, die ich am Ende so radikal rausgeschmissen habe. Eigentlich brauchte ich sie doch nicht. Eine Tasse reicht, wenn man allein ist. Alles darüber hinaus gehende ist Besitzen-wollen, aus 1000 anderen Gründen - nur nicht aus dem, es zu brauchen.


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22.07.2014 19:55
#9
Ta
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Spontan hatte ich beim Lesen den Gedanken, Du brauchst Dein Nest für Dich allein ohne Gäste.....?
Also Du möchtest niemandem mehr ohne zwingende Notwendigkeit Deine Wohnung zeigen ?
fragt Mausohr


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22.07.2014 21:15
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Wer ich?
Ich wollte nicht allein sein, aber ich wars nunmal. Die Freunde hatten sich abgewandt, das war doch eine Tatsache. Ich hab aber Monate später noch so gelebt, als könne jede Minute eine Horde Kumpels zur Tür reinfallen, hab auch immer noch irgendwie darauf gehofft. Am Ende hab ich meine Lebensumstände an die Realität angepasst, und nicht an das Wunschdenken. Das mag bitter gewesen sein, aber es hatte auch Vorteile. Keine Verpflichtungen, keine Rechenschaft, keine schmerzhaften Erinnerungen mehr an Leute, die es nicht verdient haben, dass ich mir wegen ihnen die Augen aus dem Kopf heule. Aber das wichtigste: PLATZ. Platz für neue Dinge, Platz für mich, Platz für neue Ideen. Und letztenendes auch Platz für neue Menschen. Für ein neues Leben.

Und das hab ich dann ja auch bekommen.


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