Meine Mutter leidet am Messie-Syndrom - Gibt es Hilfe für mich als Angehörigen?

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02.05.2020 16:13 (zuletzt bearbeitet: 02.05.2020 16:27)
avatar  Fuchs
#1
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Hallo liebes Forum,

ich bin Angehöriger (Sohn, 40) eines Messies - meine Mutter. Ich habe mich hier angemeldet in der Hoffnung Menschen mit ähnlichem Schicksal kennenzulernen. Ich habe bereits viele Beiträge hier gelesen und bin völlig von den Socken wie wahnsinnig ähnlich sich die Lebensgeschichten teilweise anhören.

Gleich vorweg, ich habe die Hoffnung meiner Mutter noch helfen zu können, inzwischen ganz bewusst aufgegeben. Nach etlichen, letztendlich erfolglosen, Hilfsangeboten und gemeinsamen einfühlsamen und behutsamen Aufräum-Aktionen und dem inzwischen fortgeschrittenen Alter meiner Mutter sehe ich darin keinen Sinn mehr.

Da ich inzwischen immer deutlicher unter der Situation mit meiner Mutter leide, bzw. mir immer mehr bewusst wird welchen Einfluss ihre Krankheit auf mich selbst hat, möchte ich mich gerne dazu austauschen was für Möglichkeiten es für mich, und ggf. natürlich auch für andere Betroffene, gibt mit der Situation halbwegs sinnvoll umzugehen.

Ein wenig zur konkreten Situation. Meine Mutter lebt noch in meinem Elternhaus (Doppelhaushälfte) zusammen mit ihrem Lebenspartner. Die Ehe meiner Eltern wurde vor über 20 Jahren schon geschieden, ganz wesentlicher Grund dafür war die häusliche Ordnungslage.
Ich selbst war inzwischen seit knapp 10 Jahren nicht mehr in meinem Elternhaus, genauso wie auch meine etwas jüngere Schwester. Neulich bin ich aber mal mit dem Fahrrad vorbei gefahren und der Zustand ist auch außerhalb des Hauses unübersehbar. Der Gang zwischen Haus und Garage ist meterhoch zugestellt, man kann nicht hindurchgehen. Wie es in der Garage und im Haus selbst aussieht kann ich mir nur vorstellen. Ich kenne es aus der Kindheit.

Was mir derzeit besonders zu schaffen macht ist das Gefühl einer Sackgasse in der ich mich befinde. Ein Verhältnis zu meiner Mutter ist im Grunde nur möglich wenn ich alle meine eigenen Bedürfnisse komplett zurückstelle. Ich habe schon oft mit dem Gedanken gespielt den Kontakt vollkommen abzubrechen habe es aber nie gemacht. Der Grund ist ganz simpel: Ich habe nur eine einzige Mutter und ich weiß, dass sie für die Krankheit nichts kann. D.h. entweder ich stelle meine Bedürfnisse für immer zurück oder ich kappe alle Verbindungen. In beiden Fällen bin ich der Verlierer. Das ist die Sackgasse.

Im Grunde ist meine Mutter eine liebenswerte Person. Sie ist sehr hilfsbereit, teilweise bis hin zur Ausnutzung durch Dritte, kreativ, optimistisch und lebensfroh. Andererseits hat sie so gut wie keine Freunde mehr. Meine Schwester und ich organisieren unser eigenes Leben in Bezug auf unser Verhältnis zur Mutter um sie herum, wofür wir natürlich keine Wertschätzung erfahren. Die Motivation diesen emotionalen Aufwand weiterhin zu betreiben sinkt beständig und hin und wieder verfalle ich auch in einen blanken Hass ob der unzähligen Ungerechtigkeiten, der mir tagelang den Schlaf raubt. Mir geht es dann so wie Lili_123 in ihrem Beitrag: "Meine Mutter" (den ich noch nicht verlinken kann, da das hier mein erster Beitrag ist @Messie).

Meine Mutter blendet ihre eigene Lage total aus. Meines Erachtens ist es sogar eine pathologische Verdrängung. Wenn ich sie auf die Situation, die Krankheit, meine Gefühle damit, etc. anspreche, dann verstummt sie komplett, als hätte ich nichts gesagt, bestenfalls kommt ein ironischer oder schnippischer Kommentar den außenstehende als witzig oder pfiffig empfinden könnten in mir aber nur die Wut hochkochen lässt. Eine Minute später wird dann einfach zur normalen Tagesordnung übergegangen als wäre nichts gewesen.

Es gäbe noch so unglaublich viel mehr zu erzählen.

Was mich konkret interessieren würde:
* Gibt es andere Angehörige hier, die einen lebenswerten Umgang mit "ihrem" Messie gefunden haben (ohne Heilungsabsichten)? Falls ja, was hat geholfen?
* Wie sind die Erfahrungen mit Selbsthilfegruppen für Angehörige?

Ich freue mich sehr über jegliche Antworten von Leidensgenossen. Auch das Gefühl nicht alleine zu sein kann ja helfen.

Liebe Grüße
der Fuchs


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02.05.2020 17:32 (zuletzt bearbeitet: 05.05.2020 19:03)
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edited by Hatifa
@Messie, bitte löschen


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02.05.2020 17:47 (zuletzt bearbeitet: 02.05.2020 17:48)
avatar  Robert
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lieber @Fuchs

sehr herzlich willkommen, hier an board bei uns.

das kann ich sehr nachfühlen mit dem Elternhaus, wenn man schon was sieht. mei mum ist 85, mit manchem hab mei Probleme, wenn da paar Tage mal bin, Es ist beileibe nicht so wie meins, aber normal, für mich aber eben nicht so akzeptabel. Sie hat Putzhilfe, wäre das was für dei Mum? Jemand der mal sagt, also z. B. das Bücherregal ist zu voll gepackt, das war bei mei mum so und die Dame, die immer hilft sagte dazu was und prompt wurde es umgepackt. Aber sonst nie, sie sah es ein.So was aber auch, unglaublich.

Aber ob’s hier noch andere Beiträge gibt?

sonniges Wochenende wünscht Robi, robbi, Gesundheit

Robert, Aufräumer, Ordnung, Ornung....

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Certified Real Estate Agent SGD 2+

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CS Business Center GmbH
Am Kaiserkai 69
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02.05.2020 20:19
#4
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Herzlich willkommen @Fuchs -

das Ideal, dass erwachsene Kinder im gemütlichen Elternhaus zusammenkommen und die Familie sich da am schön gedeckten Tisch trifft, das klappt bei euch offenbar nicht.

Du beschreibst deine Mutter als hilfsbereite, offenbar auch warmherzige Person, die ihr Leben lebt und die offenbar einen passenden Partner gefunden hat, der mit eventuellen Schwächen zurecht kommt. Sie weiß offenbar um diese Schwächen und hat sich damit arrangiert. Vielleicht hat sie AD(H)S, vielleicht irgend welche anderen Gründe, Depressionen - was auch immer - dass es nicht klappt mit dem Haus.

Aber außer dass du (und deine Schwester?) das Elternhaus vermisst passiert ja nichts.
Ihr könnt euch jederzeit anderswo treffen, ihr könnt die Mutter und den Partner zu euch einladen. Der Kontakt ist möglich.
Und wäre es besser gewesen, die Mutter hätte hektisch herum geputzt und hätte euch ständig gestresst niedergemacht?

Ich habe einfach noch nicht ganz verstanden was du genau vermisst und irre mich deshalb vielleicht. Geht es drum dass du traurig bist, weil du nicht „einfach so“ ins Elternhaus gehen kannst, das ja ein Stück deiner Lebensgeschichte ist?
So etwas kann ja tatsächlich Kummer machen.

Was deine Mutter betrifft, klingt deine Haltung nach Resignation, und weniger nach Akzeptanz.
Du erträgst es irgendwie widerwillig und leidest darunter.
Was würde geschehen wenn du dir sagst: „Ja, anders würde es mir besser gefallen. Viel besser! Aber es ist nun mal wie es ist, und man kann die Menschheit nicht retten, nicht mal die eigene Mutter. Da hilft mir jetzt nur eine freundliche innere Distanz.“

Kann es sein, dass der aktuelle Zustand auch ein Unbehagen aus der Kindheit wieder hoch holt?
Dann fallen einem aktuelle Probleme doppelt schwer.

____________________
Viele Grüße, Jennifer

Das Leben umarmen ... ✨🤲

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03.05.2020 10:59
avatar  Fuchs
#5
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Vielen Dank für eure Antworten. Ich werde nur auf Jennifers Post direkt eingehen da er der Lage am nächsten kommt.

Zitat von Jennifer im Beitrag #4
das Ideal, dass erwachsene Kinder im gemütlichen Elternhaus zusammenkommen und die Familie sich da am schön gedeckten Tisch trifft, das klappt bei euch offenbar nicht.

Das stimmt genau, allerdings ist das nur ein Teilaspekt. Der für mich deutlich schwerwiegendere Aspekt ist, dass ich mich quasi meines Zuhauses beraubt fühle. Wir (Kinder) und auch sonst niemand wird ja eingeladen oder so. Irgendwann hat es sich verselbstständigt und man kommt auch nicht mehr.

Zitat von Jennifer im Beitrag #4
Du beschreibst deine Mutter als hilfsbereite, offenbar auch warmherzige Person, die ihr Leben lebt und die offenbar einen passenden Partner gefunden hat, der mit eventuellen Schwächen zurecht kommt. Sie weiß offenbar um diese Schwächen und hat sich damit arrangiert. Vielleicht hat sie AD(H)S, vielleicht irgend welche anderen Gründe, Depressionen - was auch immer - dass es nicht klappt mit dem Haus.

Meiner Mutter sind diese Schwächen nicht wirklich bewusst, bzw. sie werden sehr konsequent verdrängt. Das mit dem "zurecht kommen" ist auch nicht der Fall. Es gibt eklatante Probleme finanzieller, gesundheitlicher und hygienischer Natur. Das kann hier natürlich niemand ahnen, ist schon klar. Aber darauf möchte ich hier auch garnicht weiter den Fokus legen, soviel sei gesagt, Probleme gibt es mehr als genug und ich bin nicht mehr im Stande sie zu lösen. Nicht ansatzweise.

Zitat von Jennifer im Beitrag #4
Ich habe einfach noch nicht ganz verstanden was du genau vermisst und irre mich deshalb vielleicht. Geht es drum dass du traurig bist, weil du nicht „einfach so“ ins Elternhaus gehen kannst, das ja ein Stück deiner Lebensgeschichte ist?
So etwas kann ja tatsächlich Kummer machen.

Richtig, wie oben bereits beschrieben. Das ist der Kern, ich kann nicht mehr ins Elternhaus. Und es wird auch nicht mehr möglich werden, damit habe ich mich abegefunden. Ja, wir treffen uns dann eben wo anders, aber auch das ist nicht so einfach wie es klingt. Auch dabei müssen wir Kinder immer unsere Bedürfnisse zurückstellen und immer wirklich beide Augen zudrücken damit es nicht jedes Mal zur Eskalation kommt, so dass auch das im Grunde nur ein Tolerieren und Aushalten ist. Wie gesagt, ansonsten gäbe es garkeinen Kontakt mehr, was ja eben auch keine Lösung ist.

Zitat von Jennifer im Beitrag #4
Was deine Mutter betrifft, klingt deine Haltung nach Resignation, und weniger nach Akzeptanz.
Du erträgst es irgendwie widerwillig und leidest darunter.
Was würde geschehen wenn du dir sagst: „Ja, anders würde es mir besser gefallen. Viel besser! Aber es ist nun mal wie es ist, und man kann die Menschheit nicht retten, nicht mal die eigene Mutter. Da hilft mir jetzt nur eine freundliche innere Distanz.“

Das ist ein interessanter Gedanke, den ich so ähnlich auch schon hatte. Es geht mir hier eben z.B. auch ganz konkret darum wie sich das weiterverfolgen lässt. Also gedanklich ist es erstmal nicht so schwer auf "freundliche innere Distanz" zu gehen. An guten Tagen. Aber was bedeutet das konkret? Was kann man in der Praxis tun um das aufrecht zu erhalten und sich gleichzeitig dabei nicht selbst zu Grunde richten? Einige beispielhafte Situationen:
- Einladung zum Essen bei uns: Meine Mutter bringt halb verdorbene unappetitliche Lebensmittel mit. Keiner will sie essen, wenn man was sagt wird man als etepetete abgekanzelt, zig mal, jedesmal wieder, es wird sich nie ändern
- Ebenfalls Einladung, diesmal gemeinsam kochen. Sie bietet an für uns Kinder+Enkel zu kochen. Wobei wir schon vorher wissen wie das endet. Im Grunde läd sie sich selbst ein weil es anders ja nicht geht. Das nehmen wir hin, wie gesagt alternativ gäbe es keinen Kontakt. Sie verhält sich dann aber so als wäre es ihre eigene Küche, räumt alles um, bzw. nichts auf, danach hat man mehr Arbeit als hätte man gleich alles selbst gemacht.
- Allgemein ist es so, dass es bei jeglichem Treffen immer genau nach ihr gehen muss und zwar nicht nur mit uns Kindern sondern auch wenn andere Bekannte oder Verwandte dabei sind, was uns Kinder sehr oft in große Verlegenheit und zwickmühlenartige Situationen bringt. Wenn nicht dann gibt es sofort Streit.

Zitat von Jennifer im Beitrag #4
Kann es sein, dass der aktuelle Zustand auch ein Unbehagen aus der Kindheit wieder hoch holt?
Dann fallen einem aktuelle Probleme doppelt schwer.

Das kann sein, ist aber nicht der Grund. Aktueller Grund warum es gerade jetzt wieder so schwierig geworden ist (und letztlich auch der Auslöser für die Anmeldung hier war), ist dass sie vor ein paar Wochen eine Grenze deutlich überschritten hat. Ich sollte für sie einen Kredit in beträchtlicher Höhe aufnehmen, da sie selbst keinen mehr bekommen hat. Ich habe mich geweigert und dann war erstmal ein paar Wochen absolute Funkstille, ich war wieder der böse Sohn. Davor lief es eigentlich ganz okay mit sehr vielen Einschränkungen aber erträglich. Das ist für mich seit dieser Grenzüberschreitung aber nochmal schwieriger geworden. Ich kann und will nicht einfach so weitermachen wie davor. Leider ist es nicht das erste Mal, alle paar Jahre passiert ein Hammer der alles irgendwie zum Einsturz bringt und mich und meine Schwester einen extrem hohen Preis zahlen lässt. Sie begreift das überhaupt nicht und nach ein paar Wochen ist für Sie alles wie davor weil jedes sachliche Gespräch über das Problem nicht möglich ist. Im Gegenteil, wir bekommen dann wieder nur Vorwürfe zu hören warum man sich so selten meldet, etc. Ich verstehe zwar warum das so ist (konsquente Verdrängung), aber das macht es für mich nicht einfacher und es ist zunehmend zermürbend, dass es für all die Toleranz, Zuvorkommenheit keine Anerkennung sondern eignetlich nur Strafe gibt. Außer Resignation gibt es keine Möglichkeit.


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