Ein (beschämtes) Hallo

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28.10.2018 10:27
#1
Si
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Hallo an alle,

heute ist der Tag, an dem ich mein Schweigen breche und es ausspreche, was ich Jahre für mich behalten und in in mich reingefressen habe. Ich bin ein (Müll)Messie. Nicht jemand der sich schwer tut Dinge loszulassen, sondern ein schlimmes Problem mit aufräumen und Müllbeseitigung hat.

Ich bin weiblich, 40 Jahre alt und lebe in einer Fernbeziehung. Wir sehen uns ca. alle zwei Wochen - natürlich bei ihm.

Vor zwei Wochen ist die Bombe geplatzt bzw. ein Wasserschlauch im Bad. Wasserschaden der nicht so einfachen Art. Der Vermieter musste hinzugezogen werden und mein Teufelskreis flog auf.... nicht das ganze Ausmaß der Wohnung, aber der Teil in den er reinmusste. Flur, Schlafzimmer, Bad. Die versicherung wurde eingeschaltet, eine trocknungsfirma beauftragt und nun stehen seit zwei Wochen diese lauten Geräte im Bad und Schlafzimmer. Die Räume sind dadurch nicht nutzbar und ich schlafe im Wohnzimmer auf der Couch - die natürlich nicht zum schlafen geeignet ist, viel zu kurz.

Ich musste mich meinem Freund offenbaren, da die Sachen aus Bad und Schlafzimmer für die Arbeiten rausmussten. Das hat mich viel Überwindung gekostet. Er kam sofort angereist, um mir zu helfen. In einer hauruck Aktion haben wir an einem Wochenende das Bad und Schlafzimmer komplett freigeräumt. Alles weggeschmissen... den Kleiderschrank der seit Jahren von mir nicht mehr geöffnet wurde, da nur Müll drin. Die Regale komplett raus, die versiffte Matratze weg. Das einzige was blieb, war das Bettgestell und von den 15 großen Müllsäcke an Klamotten blieben 3 die noch benutzbar sind. Es wurde eine neue Matratze gekauft und ein kleinerer Kleiderschrank ( der zurzeit aber im Flur steht, da Schlafzimmer wegen Trocknung nicht benutzbar).

Ein Woche später haben wir uns das Wohnzimmer vorgenommen. Das war schon ne Ecke eckliger. Auch das haben wir an nem Wochenende geschafft. So dass es jetzt zwar nicht "sauber" ist, aber der größte Teil ist weg und der Fußboden wieder frei.

Wie gesagt, ich hänge nicht an dem Müll und bin irgendwie erleichtert dass es weg ist. Freuen kann ich mich aber nicht.

Ich bin "aufgeflogen", muss mich nun nach außen der Realität stellen. Ich bin panisch, die Angst zerfrisst mich, ich esse kaum und bin körperlich erschöpft und ständig müde.

Nun geht es am Dienstag weiter mit den Arbeiten in Bad und Schlafzimmer. Es wird geschaut, ob nun alles wieder trocken ist und es muss neues Laminat und Fliesen verlegt werden.... alle schön und gut, wäre da der Vermieter nicht. Der natürlich im selben Haus wohnt.

Der möchte jetzt (verständlich) die ganze Wohnung sehen. Unter dem Vorwand, er möchte die Heizungen checken, da ihm ein Wasserschaden reicht.

Und nun kommt die ganz große Panik... die Küche... der Raum in dem alles begann. Der Raum der nicht mehr betretbar ist. Die Tür geht grad so auf. Dort liegen Müllsäcke seit über 5 Jahren.... es ist so beschämend, dies niederzuschreiben.

Ich musste mich wieder gegenüber meinem Freund offenbaren. Er bot an sofort zu kommen... ich habe es jetzt zwei Tage abgelehnt ... meine Lähmung und Scham lies es nicht zu. Zuviele Ängste.... was denkt er... wird er mich fallen lassen... kann er mit dieser Belastung durch mich umgehen.

Aber diese Angst wird von der Angst vor dem Vermieter verdrängt. Wie soll ich dass bis Dienstag schaffen. Ich habe jetzt schon 8 große Müllsäcke voll und die Küche ist nicht mal halb leer. Wohin nun mit diesen Säcken (kein Keller). Ich fühlte mich so hilflos, dass ich nun zugestimmt habe, dass mein Freund mir wieder helfen muss. Das dritte Wochenende in Folge, dass er für mich aufgibt. Er wird heute Nachmittag wohl da sein.

Aber bis Dienstag morgen schaffen wir das - aus meiner Sicht - einfach nicht. Ich weiß einfach nicht weiter.

Ich würde am liebsten alles abbrechen hier... einfach verschwinden. Einen Neustart. Ich weiß das geht nicht und ich bin nun hier gefangen und muss mich dem stellen. Im Kopf hab ich mich auf die Kündigung durch den Vermieter schon eingestellt.

Ach ja, ich bin ziemlich gut darin das Kopfkino anzuwerfen und mir die schlimmsten Szenarien die passieren können auszumalen. Und hab ich ein schlimmes Szenario gefunden, fällt mit noch ein schlimmeres ein, was dies toppen kann und so weiter und sofort.

Ich weiß nicht, was ich erwarte, wenn ich Euch das hier schreibe. Habe ich überhaupt Erwartungen oder Hoffnung? Oder ist es nur wieder eine "Ausrede" für mich, gerade im Moment nicht in der Küche weiterzumachen?

Ich weiß nur, dass es mir absolut nicht gut geht. Ich dringend Hilfe benötige und ich Angst vor mir selbst habe... wie tief ich noch sinken werde.

Liebe Grüße

Silentium


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28.10.2018 10:52
#2
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Gerade kurz mit mit meinem Freund telefoniert. Er wollte Bescheid geben, dass er sich demnächst auf den Weg macht. Er hat gemerkt wie down ich bin und dass ich mich selber fertig mache. Er sagte, er muss das Telefonat beenden, sonst schafft er es nicht zu mir zu fahren, da ich ihn runterziehe.....

Ich kann ihn sogar verstehen, seit drei Wochen ackert er für mich und als dank bekommt er Selbstverachtung und Gejammer von mir. Für ihn muss es so aussehen, als wäre alles umsonst gewesen. Kein Lächeln, nichts.... ich kann mich über das bisher geleistete nicht freuen.

Hoffentlich hält er weiterhin zu mir und hat genug eigene Kraft.....

Eure Silentium (die wieder grad nur Gedanken nieder schreibt, anstatt anzupacken)


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28.10.2018 12:26
#3
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Gerade wieder zwei Säcke voll bekommen. Und ich freu mich darüber kein Stück. Eher rennen die Gedanken von einem ins andere. Gerade folgendes Szenario im Kopf: mein Freund der mir sagen wird, dass er umdreht. Es ihn zu sehr runterzieht und die Kraft für mich nicht hat. Für mich nicht mehr da sein kann und will.

Warum mach ich das ständig? Warum hört das im Kopf nicht auf? Warum kann ich mich nicht darauf freuen, dass er in ein paar Stunden bei mir ist und ich Hilfe bekomme?


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28.10.2018 13:29
#4
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Zitat von Silentium im Beitrag #1
Wie gesagt, ich hänge nicht an dem Müll und bin irgendwie erleichtert dass es weg ist. Freuen kann ich mich aber nicht.

Zitat von Silentium im Beitrag #1
Zuviele Ängste.... was denkt er... wird er mich fallen lassen... kann er mit dieser Belastung durch mich umgehen.

Zitat von Silentium im Beitrag #1
Das dritte Wochenende in Folge, dass er für mich aufgibt. Er wird heute Nachmittag wohl da sein.

Aber bis Dienstag morgen schaffen wir das - aus meiner Sicht - einfach nicht. Ich weiß einfach nicht weiter.

Zitat von Silentium im Beitrag #1
Ich weiß nicht, was ich erwarte, wenn ich Euch das hier schreibe. Habe ich überhaupt Erwartungen oder Hoffnung? Oder ist es nur wieder eine "Ausrede" für mich, gerade im Moment nicht in der Küche weiterzumachen?

Ich weiß nur, dass es mir absolut nicht gut geht. Ich dringend Hilfe benötige und ich Angst vor mir selbst habe... wie tief ich noch sinken werde.

Liebe Grüße

Silentium

Zitat von Silentium im Beitrag #2
Gerade kurz mit mit meinem Freund telefoniert. Er wollte Bescheid geben, dass er sich demnächst auf den Weg macht. Er hat gemerkt wie down ich bin und dass ich mich selber fertig mache. Er sagte, er muss das Telefonat beenden, sonst schafft er es nicht zu mir zu fahren, da ich ihn runterziehe.....

Ich kann ihn sogar verstehen, seit drei Wochen ackert er für mich und als dank bekommt er Selbstverachtung und Gejammer von mir. Für ihn muss es so aussehen, als wäre alles umsonst gewesen. Kein Lächeln, nichts.... ich kann mich über das bisher geleistete nicht freuen.

Hoffentlich hält er weiterhin zu mir und hat genug eigene Kraft.....

Eure Silentium (die wieder grad nur Gedanken nieder schreibt, anstatt anzupacken)

Zitat von Silentium im Beitrag #3
Gerade wieder zwei Säcke voll bekommen. Und ich freu mich darüber kein Stück. Eher rennen die Gedanken von einem ins andere. Gerade folgendes Szenario im Kopf: mein Freund der mir sagen wird, dass er umdreht. Es ihn zu sehr runterzieht und die Kraft für mich nicht hat. Für mich nicht mehr da sein kann und will.

Warum mach ich das ständig? Warum hört das im Kopf nicht auf? Warum kann ich mich nicht darauf freuen, dass er in ein paar Stunden bei mir ist und ich Hilfe bekomme?


@Silentium, ich hatte ein paar interessante Zeilen deiner Beiträge erwähnt, wo ich denke, dass du durchaus vielleicht auch minimalistisch mit materiellen Gegenständen klarkämst, dich jedoch eher sorgst dass zuvor mal mehr entsorgbar war, es bereits mit positiver Unterstützung deines Freundes umsetzbar war und es vielleicht nur noch nicht gedanklich Freunde bereitet, da der Vermieter möglicherweise doch noch was kritisieren könnte?

mein Tipp wäre beim Vermieter erst gar nicht zu erwähnen, wieviel wegkam oder wer beim Räumen dich motivierte ...hingegen eher der unterstützenden Person rückmelden, warum deine Freunde noch nicht so ganz zeigbar wäre (eher deine Sorgen teilen und dennoch wissen zu lassen: du würdest dich gerne freuen, es hindert dich jedoch, weil...?)

auch als Minimalist wirke ich teils ungewöhnlich auf Personen, da ich das Räumen durchaus toll finde, vielleicht auch weil genau bei mir nicht viel räumbar wäre, eher mehr Platz und deshalb räume ich gerne an anderen Orten, falls von den Gegenübern gewollt (bevorzuge jedoch weder Spinnwebnetze, noch Schimmel) - Staub finde ich hingegen super und meine Motivation wäre: positiv dass ich es nicht besitzen muss, dennoch frage ich gern den Gegenüber, ob er / sie es auch okay fände wenn x-Gegenstände dann aussortiert, etc. wären?

deine Zeilen wirken auf mich, als würde eher dich was windern, Freunde zu empfinden, dennoch wäre es bisher durchaus positiv die bereits-entsorgten Müllsäcke vom Gewicht und Aufwand zu sehen, als auf "noch so viel vor mir?" als Sorge zu empfinden. eher zB dass neben gemeinsamer Untersützung mit deinem Freund auch geteilt wäre, dass du es super findest, dass er dich unterstützt ...Freunde wirken eher selten, welche neben Ratschläge auch aktiv bei unterschiedlichen Wetter kommen, bloss um dich als Person aktiv zu unterstützen.

bei mir ist es so, dass ich mir Personen suche, welche neben "wie kann ich sie unterstützen & wie wären sie für mich effektiv" auch auf längere Zeit das Vertrauen und die Sympathie abstimme. ich mag nicht Personen verändern, eher die Freundschaft neutralisieren, wäre zB die Person nicht automatisch ein positiven Lächeln in mein Gesicht zaubernd, würde ich an ihn oder sie denken / mich mit der Person treffen, nicht um Uneinigkeiten zu argumentieren, sondern zu klären und die Sicht der Personen zu empfinden, auch eine Balance zwischen der Situation und der Menschlichkeit zu finden.


ich fände es okay, mögen manche Personen mindestens Vollzeit einen Job haben, um monatliche Kosten zu bezahlen. manche mögen mehr Heizung und Strom nutzen, um dies als Euro-Wert an Organisationen zu überweisen.

ich lebe hingegen bevorzugter effizient, um meine Freizeit mit Neuen auszustatten und zu erweitern. meine Umsetzung wäre, für andere Personen da zu sein, jedoch mit spezifischen Faktoren sollte der Aufwand Wertigkeit haben und psoitiv empfindbar sein, finde ich.

auf mich wirkt dein Freund zu dir passend und ich denke, dass mit Erwähnung warum du dich nicht so freuen könntest, ihn auch verständlicher wäre, warum er dir dennoch Unterstützung bot und wie es vielleicht effizienter umsetzbar, zB auch wie diese Sorgen in Motivation wendbar wären?


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06.11.2018 17:47
#5
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@Silentium

Herzlich willkommen. Und, wie sieht es aus? Geht es Dir besser? Sieht Deine Wohnung schon besser aus? Was macht Dein Freund? Der Vermieter?

Ich kenne das mit dem Kopfkino. Ich hatte und habe das auch. Allerdings ist das bei mir im Laufe der Aufräumarbeiten besser geworden. Ich ärgere mich nur ständig darüber, das ich so gut wie keine Hilfe habe. Ich finde es toll, das Dein Freund Dir hilft. Dann bist Du ihm doch wichtig.

Klar fällt es im Moment schwer, ihm dankbar zu sein. Du schämst Dich wegen des Zustands der Wohnung. Versuche doch mal zu ergründen, warum es so gekommen ist. Und erkläre es ihm in einer ruhigen Minute. Dann versteht er Dich bestimmt besser und Du kannst ihm dann auch Deine Dankbarkeit zeigen.

Kopf hoch, Du schaffst das.

Herzliche Grüße

Alex



Ich bin wie ich bin. Die einen kennen mich, die anderen können mich. Konrad Adenauer


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