Hallo, ich entschuldige mich mal lieber gleich am Anfang, das Ganze wird etwas länger werden. Ich habe noch nie mit jemandem über mein Problem gesprochen.
Ich bin 41 Jahre alt, weiblich und single und ich bin ein Messie, solange ich denken kann.
Ich habe auch so ziemlich alle möglichen Phasen des Messietums durchlaufen. Von leicht chaotisch, bis komplett vermüllt. Das hing immer stark von meiner seelischen Verfassung ab. Ich habe 2 Grundprobleme, die das Messie Verhalten fördern. Einmal eine ganz starke Verlustangst mit kaum Selbstwertgefühl und eine generalisierte Angststörung.In Therapie bin ich nicht, da müsste ich ja eingestehen, wie es bei mir zu Hause aussieht. Ich weiss, das ist total idiotisch, aber ich komme nicht dagegen an.
Ich hatte eine problematische Kindheit in einer Alkoholiker Familie, in der ich früh die Verantwortung für meinen jüngeren Bruder übernehmen musste, weil sich meine Mutter in die Arbeit flüchtete und uns schliesslich ganz bei unserem alkoholkranken Vater zurück liess. Schon damals habe ich begonnen, mich in meinem Zimmer mit Chaos zu umgeben.
Ich konnte den Tag kaum abwarten, bis ich endlich in meine eigene Wohnung ziehen würde und hatte unglaublichen Spass, alles auszusuchen, Tapeten, Möbel u.s.w. und es mir richtig gemütlich zu machen.
Nach etwa 2 Jahren war ich an dem Punkt angekommen, an dem ich niemanden mehr in meine Wohnung lassen konnte, das war kurz nach dem Suizid meines Vaters.
Ich habe es dann noch mal für etwa 1 Jahr geschafft, alles wieder auf Vordermann zu bringen, doch dann hatte ich über 1 1/2 Jahre einen Stalker, der mir täglich bis zu 100 Nachrichten auf meinem Anrufbeantworter hinterliess und auch auf der Arbeit anrief...da wurde es wieder ganz schlimm, da hat es mit der Vermüllung angefangen.
Damals gab es noch nicht das Anti-Stalking Gesetz und ich konnte rechtlich nichts unternehmen. Man riet mir schliesslich nach den ersten Morddrohungen, ganz schnell umzuziehen. Ganz schnell.......ich habe zu Hause erst mal eine Panikattacke gehabt. Ich stand vor riesigen Papierhaufen und auch Müll und ich sollte innerhalb von 4 Wochen Umziehen, die alte Wohnung renovieren und die neue auch. Und alles alleine, da ich mich zu sehr schämte, um mir jemanden zum Helfen zu holen. Irgendwie habe ich es neben der Arbeit geschafft und bin in einen fremden Stadtteil in eine gemütliche 2 Zimmerwohnung gezogen.
3 Jahre habe ich dort mit meinem damaligen Freund gelebt, den ich kurz nach dem Umzug kennenlernte und in der Zeit hatte ich komischer Weise kaum Probleme, Ordnung zu halten, von den kleinen, ganz normalen Unordentlichkeiten mal abgesehen. Auf der Arbeit sowieso nicht, da bin ich extrem strukturiert und über-ordentlich.
Leider entwickelte mein Freund eine schwere Depression und weigerte sich aber, Hilfe anzunehmen. Irgendwann kam er von einem Besuch bei seinen Eltern in Süddeutschland einfach nicht zurück. Und das bringt mich zu meiner Situation heute.
Ich bin regelrecht in Trauer verfallen, ich war total handlungsunfähig, habe auf der Arbeit irgendwie noch funktioniert, aber zu Hause ging garnichts mehr. Über die nächsten 5 Jahre habe ich mich sozial fast komplett isoliert und mich in meiner Wohnung total zugemüllt. Seit 2 Jahren habe ich das Schlafzimmer nicht mehr betreten.
Ich ekel mich vor dem Dreck und der Unordnung und vor mir selbst.
Dazu der ungeheure Leidensdruck, die panische Angst entdeckt zu werden. Letztes Jahr bin ich sogar mal 2 Tage in ein Hotel bei mir um die Ecke gezogen, weil ich es zu Hause nicht mehr ausgehalten habe. Meine freien Tage habe ich damit verbracht, in meiner Wohnung zu sitzen und keine Geräusche zu machen, damit blos niemand merkt, dass ich da bin und etwa klingelt.
Im Mai letzten Jahres hat mich dann ein Nachbar bei der Amtstierärztin gemeldet, völlig zu Recht, wegen des starken Uringeruchs, da ich natürlich auch die Katzentoilette nicht regelmässig gereinigt habe. Abgesehen davon waren meine Katzen immer gut versorgt, aber halt in einer Messie Wohnung.
So, mein grösster Albtraum war wahr geworden. Zu meinem grossen Glück war ich zu der Zeit krank geschrieben und habe in einem Gewaltakt Küche und Wohnzimmer so gut es eben ging entmüllt und geputzt und auch im Flur und Badezimmer mein Bestes gegeben.
Der Besuch der Dame war natürlich trotzdem beschämend. Aber ich hatte Glück, da war jemand sehr verständnisvolles gekommen. Ich war relativ ehrlich mit Ihr, nicht ganz so detailiert wie hier (entschuldigt bitte, aber irgendwie muss das alles mal raus) und ich habe sie gebeten, nicht in mein Schlafzimmer zu schauen, worauf sie sich eingelassen hat, da beide Katzen trotz chronischer erkrankungen (Niereninsuffizienz und Schilddrüsenüberfunktion) in sehr gutem gesundheitlichen Zustand waren.
Wir verabredeten einen weiteren Kontrollbesuch. Aber trotz der Erfolge, die ich zu verzeichnen hatte, konnte ich mich nicht aufraffen, weiter zu machen. Ich habe es geschafft, Küche und Wohnzimmer ordentlich und sauber zu halten, auch der Flur ist frei von Kisten und Dingen, die dort nicht hingehören, aber das war es.
Vor dem nächsten Besuch hab ich noch das Bad gemacht. Wie durch ein Wunder hat sie wieder nicht darauf bestanden, das Schlafzimmer zu sehen. Laut Ihrer Aussage sei ich nicht verpflichtet, sie in jeden Raum zu lassen. Tiermedizinisch und tierschutzrechtlich sei ja alles in Ordnung. Ich konnte mein Glück kaum fassen!
Aber früher, oder später wird der Tag kommen, wan dem irgend jemand in das gefürchtete Schlafzimmer muss. Also habe ich gestern Abend eine 20er Rolle 60l Müllsäcke genommen und Angefangen diese zu befüllen. Nach und nach wurden alle 20 voll und ich verteilte sie in der Nacht in Müllcontainern in der ganzen Nachbarschaft. Das für mich erschreckenste ist, dass ich kaum einen Unterschied sehe. Ich habe kein Auto und ich kann nicht ständig nachts durch die Nachbarschaft schleichen und Müll in fremde Tonnen schmeissen, statt zu schlafen.. Ich habe vielleicht 20% von dem entsorgt, was weg muss.
Und da kommt mein Hilferuf. Ich höre sie schon wieder leise in meinem Kopf, diese Stimme, die mir sagt, dass ich das eh nicht schaffen kann, dass ich es lieber gleich lassen soll. So wie ich es schon so oft getan habe. Aber das will ich nicht mehr! Ich möchte mein Leben zurück!
Kann mich hier jemand in irgend einer Form unterstützen?
Vielleicht ist meine endlos-lange Story hier ein Schritt in die richtige Richtung. Ich weiss nicht, ob ich so eine Chance nochmal erhalte.
Vielleicht mag sich ja jemand mit mir darüber unterhalten? Ich bin wirklich sehr verzweifelt und habe grosse Angst, an dieser Hürde zu scheitern.
Vielen Dank an alle, die dies bis zum Ende gelesen haben....Ihr habt Durchhaltevermögen. Und Euch allen schöne Ostern