Die Möchtegern-Minimalistin

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30.07.2024 20:16 (zuletzt bearbeitet: 30.07.2024 20:29)
avatar  Rica
#391
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Zitat von Rica im Beitrag #388
Morgen ist wieder Entkrempeldienstag. Habe mir einen schweren XXX ausgeliehen, um morgen YYY auszumisten. 🤐🤫


Entkrempeldienstag

Heute hatte ich es mit einer Holztruhe voller alter Papiere zu tun. Eine Mischung aus Verwaltungskram, Zeitungsausschnitten, Briefen und Fotos.

Bisher habe ich persönlichen Papierkram im jährlichen Sonnwendfeuer der Freiwilligen Feuerwehr entsorgt. Doch heute wollte ich alles aussortierte Papier sofort aus dem Haus haben. Deshalb borgte mir die Nachbarin ihren tonnenschweren Aktenvernichter für datensensible Papiere.

Zum Glück habe ich immer schon alles sinnvoll in Ordnern abgelegt. So konnte ich auf einen Blick sehen, was weg kann. Aus drei überbreiten Leitzordnern (Jahrzehnte an Gehaltsabrechnungen, Steuererklärungen u. Ä.) wurde eine sehr schmale Mappe zum Behalten (Sozialversicherungsnachweise, Kontogründungsunterlagen).

Weinend las ich einige der vielen Briefe meiner Mutter. Wie sehr sie sich immer für meine Belange eingesetzt hat! Mit Tränen in den Augen küsste ich die Liebesbriefe eines kürzlich verstorbenen Exfreundes. Aus einem dicken Umschlag mit Fotos behielt ich zwei von mir.

Ohne Bedauern schredderte ich dann alle Briefe und Fotos.

Ich verwandelte längst gelöste Probleme, deren Echo mich beim Durchblättern stresste, in Papierstreifen: die Abofalle, aus der ich nur durch langwierige Korrespondenz und mit Hilfe des Verbrauchervereins entkommen war. Der halbseidene Exlover, der mich um viel Geld betrogen hatte, das ich mir zum Teil durch ein gewagtes Verwaltungsmanöver zurückerobern konnte.

Es war ein langer und emotional anstrengender Entkrempeldienstag. Ich bin verstört von der Reise in die Vergangenheit. Zu ausgelaugt, um mich über den Entkrempelerfolg zu freuen. Doch rein logisch ist mir klar: Heute habe ich großen Fortschritt auf meinem Weg in eine krempelfreie Zukunft gemacht.

In der Kiste war auch mein erster eigener Leitzordner, den meine Mutter für mich angelegt hatte: Geburtsurkunde, Schulabschlusszeugnis, Teilnahmezertifikate von Schulungen während meiner Ausbildung, die ersten Gehaltsabrechnungen, die erste Steuererklärung, mein rührendes erstes Arbeitszeugnis.

In wenigen Jahren wird mein gesamter Papierkram wieder in einen einzigen Leitzordner passen. Weil ich den Weltkrempel schrumpfe, bis er wieder in meinen Seekoffer passt, mit dem ich mich einst aus dem Elternhaus auf den Weg gemacht habe.


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31.07.2024 00:01
avatar  Nona
#392
No

Hallo @Rica,
da gebührt dir großer Respekt! Verständlich, dass du ausgelaugt bist; mir fällt es schon schwer, Geburtstags- oder Weihnachtskarten zu entsorgen (aber ich mache es).
Übrigens schreibst du sehr schön.

LG


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31.07.2024 05:53
avatar  Robin
#393
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Oh, ja, @Rica ! Das hat mich ja schon beim Lesen mitgenommen! Ich wünsche dir, dass du dich offen und frei fühlst für neue Erfahrungen. 😘


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31.07.2024 15:12 (zuletzt bearbeitet: 31.07.2024 15:17)
avatar  Rica
#394
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Heute, also wie immer am letzten Mittwoch im Monat, habe ich die Monatsendversionen von Staubsaugen und Staubwischen durchgeführt.

Dabei fahre ich vor dem Staubsaugen mit der Fugendüse alle Zimmerränder entlang und in alle Krempelschlitze am Boden. Nach dem Staubsaugen wische ich monatsendlich das Parkett.

Das Staubwischen erweitert sich um feucht abgewischte Türklinken, Staubwedeltherapie gegen Spinnweben und zum Lampen Entstauben und sonstige Ausführlichkeiten.

Der ganze Akt dauert gefühlt eine Stunde und lohnt sich: Das geputze-Wohnung-Gefühl ist so angenehm.

Dieses Mal war das Putzen weniger langweilig und nicht so anstrengend wie sonst. Weil ich dabei mit den Händen in den vielen freien Raum durch die zunehmende Entkrempelung greifen konnte.

Trotzdem finde ich es erschütternd, wieviel Zeit und Arbeit Putzen fordert. Selbst wenn ich Superminimalistin wäre und nur hundert Gegenstände hätte, die alle staubgeschützt in Schränken untergebracht wären, hätte das heute genauso lange gedauert. Dabei arbeite ich weder langsam noch pedantisch gründlich.

Putzen muss mensch wohl einfach tun. Ohne zu erwarten, dass es schneller geht und leichter ist, als es ist.

Andererseits erkenne ich durch mein regelmäßiges Putzen: Ich putze nicht, weil es schmutzig ist, sondern damit es sauber bleibt. Was sehr viel schneller und einfacher geht, als zu putzen, wenn es dreckig geworden ist.

Bestes Beispiel: Mein Bad, das ich fast täglich putze. Da reicht ein Schnelldurchgang mit Mikrofasertuch und ein bisschen Geschirrspülmittel. Weil ich nichts schrubben muss. Abwischen, was sowieso noch sauber und belagfrei ist, damit es sauber und belagfrei bleibt.

Allmählich komme ich dahinter, wie es geht.


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31.07.2024 15:22
#395
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Ich kann mich gerade nicht zwischen großem Neid oder grenzenloser Bewunderung entscheiden 🙈


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