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Messie auf dem Weg zur Besserung.
Hallo, liebes Forum,
in meiner Jugend war ich ein Prachtexemplar von einem Messie.
In meiner ersten, für mich viel zu großen Altbauwohnung spielten sich zutiefst beschämende Dinge ab. Ich werde nie vergessen, wie meine Katze aus dem überquellenden Mülleimer einen blutigen Tampon stibitzte und ihn am Bändchen baumelnd wie eine erbeutete Maus durch die Wohnung schleppte.
In einem Putzeimer ging eine faulende Wassermelone im Verlauf von Monaten vom festen in den flüssigen Zustand über.
In meinem Spülbecken wuchs Weizen. Gut für die Katze, weil das für sie angepflanzte Katzengras im Topf vertrocknet war. Schlecht fürs Geschirr, das sich deshalb in der Badewanne stapelte.
Von den 90 Quadratmetern waren nur der Flur und das Bad frei betretbar. Der Rest der Wohnung war knöcheltief mit einer Schicht aus Gegenständen und Müll bedeckt.
Zum Glück lebte ich nur knapp zwei Jahre in dieser überdimensionierten Wohnung, die mich Haushaltsneuling komplett überforderte.
Mit dem Umzug in eine sehr kleine, moderne Zweizimmerwohnung wurde es besser. Den Müll hatte ich beim Umziehen entsorgt. Den verbliebenen Kram stapelte ich in einheitlichen Kartons die Wände entlang.
Meinen Abfall brachte ich seit dem Umzug mit religiöser Inbrunst jeden Morgen zur Mülltonne. Ich putzte. Nicht perfekt, aber alles Wichtige halbwegs regelmäßig.
Dieser Zustand war nicht ideal, aber erträglich. Ich traute mich, tolerante Freund:innen reinzulassen. Die Ordnung blieb jahrzehntelang stabil erhalten.
Wir spulen jetzt drei Jahrzehnte nach vorne. Mein Vater starb. Meine Mutter löste ihren Haushalt auf, verkaufte das Haus und zog in ein Altenheim. Ich übernahm einige Kartons voller Dinge und ein paar Möbelstücke aus meinem Elternhaus...und hatte plötzlich ein Problem: Die zusätzlichen Dinge passten nicht in meine kleinen, durch die bereits vorhandenen Kartonstapelwände weiter flächenreduzierten Zimmer.
Ich musste den Gebrauch des Schlafzimmers aufgeben, um dort die Sachen aus dem Elternhaus unterzubringen. Meine Wohnung war nicht mehr in vollem Umfang zugänglich - und nicht mehr vorzeigbar.
Als Notmaßnahme engagierte ich eine professionelle Aufräumerin. Sie ging mit mir zwei Tage lang meinen gesamten Besitz durch und wir füllten 30 Kartons mit Dingen zum Wegwerfen. (Zum Glück habe ich keine Probleme, Dinge loszulassen, die mir nicht viel bedeuten.) Ein auf Messies spezialisierter Transporteur entsorgte das Aussortierte.
Trotzdem bekam ich das Problem nicht in den Griff. Es blieb immer noch viel zu viel Zeug in der Wohnung. Ich kann weiterhin das Schlafzimmer nicht mehr bewohnen und das Wohnzimmer ist ebenfalls sehr voll.
Abends mache ich das Licht nur noch bei geschlossenen Vorhängen an, damit die Nachbarn nicht sehen, wie es bei mir ausschaut. Außer zwei altbewährten Freunden lasse ich niemanden mehr herein.
Ich starb fast vor Scham, als ich eine nette, verschwiegene Nachbarin bitten musste, einen Handwerker bei mir hereinzulassen. Weil ich an dem nicht zu ändernden Handwerkertermin an einer tausend Kilometer entfernten Beerdigung teilnahm.
Für mich steht fest: Es ist Zeit fürs nächste Level.
Ich will nicht nur mein Schlafzimmer zurückhaben, sondern mich von allem befreien, das ich nicht benutze.
Meine innere Minimalistin sehnt sich danach, geboren zu werden.
Ich weiß noch nicht, wie ich es anstellen werde, mein Ziel zu erreichen. Doch ich werde es erreichen. (Ohne damit angeben zu wollen: Ich bin sehr diszipliniert und erfahrungsgemäß zu allem fähig. ;--)
Ich brauche einen simplen, griffigen Ansatz, der etwas in mir zum Klingen bringt.
Eure Ideen dazu wären mir hochwillkommen.
Danke fürs Lesen, liebe Foristinnen und Foristen.
Gold
Silber
Bronze
Medaille
Pokal
Hallo erstmal
ich habe deinen Text gerne gelesen, ist gut geschrieben. Und wenn man beim Lesen weiß, dass manches davon in der Vergangenheit war, kann man sogar leicht schmunzeln über manche Auswüchse eines Prachtexemplars.
Aber ich bin gerade etwas überfordert.
Zitat von Rica im Beitrag #1
Ich brauche einen simplen, griffigen Ansatz, der etwas in mir zum Klingen bringt.
Tipps, wie man aufräumt, sind, wenn ich das richtig verstehe, nicht das, was du brauchst.
Aber was brauchst du denn?
Wenn du dich von allem befreien möchtest, was du nicht benutzt, dann wäre es ja relativ einfach: Alle Kartons und was sich da sonst so stapelt, entsorgen. Weg damit. Aber das hättest du wahrscheinlich schon gemacht, wenn es so einfach wäre.
Passiert bei dir gerade irgendwas? Oder passiert nichts, weil du nicht weißt, wie angehen?
Was sind die Probleme?
Zitat von Goofy im Beitrag #2
Tipps, wie man aufräumt, sind, wenn ich das richtig verstehe, nicht das, was du brauchst.
Aber was brauchst du denn?
Ein Beispiel aus einem anderen Bereich meines Lebens: Früher war ich übergewichtig. Ich bekam das Gewicht nicht dauerhaft runter, obwohl ich mich entsetzlich für meine Figur schämte und alles versuchte, um abzunehmen.
Eines Tages fand ich online die damals noch weitgehend unbekannte Extremversion des intermittierenden Fastens: nur noch einmal am Tag zu essen.
Das war simpel und es inspirierte die Spartanerin in mir. Ab da aß ich nur noch eine Mahlzeit pro Tag. Nach etwa einem Jahr erreichte ich mein Wunschgewicht. Und blieb für immer beim Wunschgewicht samt diesem anscheinend perfekt zu mir passenden Essrhythmus.
Jetzt brauche ich wieder so eine Wundermethode, um die Bude leer zu kriegen.
Zitat von Goofy im Beitrag #2
Wenn du dich von allem befreien möchtest, was du nicht benutzt, dann wäre es ja relativ einfach: Alle Kartons und was sich da sonst so stapelt, entsorgen. Weg damit. Aber das hättest du wahrscheinlich schon gemacht, wenn es so einfach wäre.
Möglicherweise hast du mir gerade gegeben, wonach ich gefragt habe. (Mein Herz klopft aufgeregt.) Wahrscheinlich i s t es so einfach!
Mit Ausnahme der Papiere, in denen sich Wichtigkeiten wie falsch oder nicht abgelegte Sozialversicherungsnachweise u. Ä. befinden, könnte ich den Inhalt sämtlicher seit drei Jahrzehnten an den Wänden aufgereihter Kartons folgenlos entsorgen.
Ich muss ein wenig darüber nachdenken. Es klingt so einfach, dass ich misstrauisch nach dem Haken suche...
Zitat von Goofy im Beitrag #2
Passiert bei dir gerade irgendwas? Oder passiert nichts, weil du nicht weißt, wie angehen?
Was sind die Probleme?
Bücher. Ich. liebe. Bücher.
Bevor ich die Bücherkisten weggeben und die überquellenden Bücherregal ausräumen kann, muss ich jedes einzelne Buch gründlich anlesen, um entscheiden zu können: Das kann weg, weil ich es nicht noch einmal lesen werde.
Ich arbeite mich seit etwa einem Jahr auf diese Weise durch meine Bücher. Ich habe in der Zeit schon hunderte Bücher im öffentlichen Bücherschrank ausgesetzt. Doch es sind immer noch an die zweitausend Bücher durchzuchecken.
Das Bücherproblem kann ich vertagen. Die Bücher machen höchstens ein Drittel meiner Besitztümer aus. Gibt es hier vielleicht einen Thread, der sich mit dem Thema "Bücher weggeben" befasst? Ich kann nicht die einzige mit einem Bücherproblem sein.
Hallo Rica, schön, dass du hier bist! Hmmmh, Methoden zum Aussortieren gibt es viele - wahrscheinlich muss dich das Vorgehen ansprechen und in deinen Alltag passen, am wichtigsten finde ich aber Kontinuität und "Mut zur Lücke". Momentan sortierte ich nach Möglichkeit jeden Tag einen Karton voll aus, dessen Inhalt innerhalb einer Woche auch unwiderruflich die Wohnung verlassen darf. Die Größe des Kartons ist nicht definiert, von Schächtelchen bis Umzugskarton ist alles erlaubt. Wenn ich einen Tag aussetze, dann ist das so - am nächsten Tag geht es normal weiter.
Kennst du die KonMari Methode? Dort wird in einer bestimmten Reihenfolge nach Kategorien aufgeräumt (und zwar in einem Rutsch und perfekt). Die Erfinderin, Marie Kondo, finde ich sehr inspirierend, denke aber, dass die Methode aktuell nicht das richtige für mich wäre.
Dann gibt es noch die Minimalismus Challenge, bei der am ersten Tag eine Sache, am zweiten Tag zwei aussortiert werden und so weiter, bis man an Tag 30 angekommen ist. Diese Challenge habe ich mittlerweile dreimal gemacht und sie hat mir auf jeden Fall einen spielerischen Zugang zum Aussortieren ermöglicht.
@Rica
Was mir hilft ist, jeden Tag etwas aussortieren. Eine Zeitlang, als her noch echter Müll herumlag, waren es drei pro Tag, das habe ich fast immer geschafft. Jetzt wird es schwieriger, weil der offensichtliche Müll schon weg ist. Aber ich schaffe trotzdem jeden Tag ein Teil. Am Freitag hat jemand einen Koffer abgeholt, den ich über Kleinanzeigen verschenkt habe, am Samstag hat bei Ebay jemand eine Hose gekauft. Mal sehen, was ich am Sonntag weg bekomme. Es zählt auch, wenn ich ein Buch fertig lese und in die Spendentüte tue. Dann ist es schon so gut wie weg. Ein Teil pro Tag ist nicht viel, aber man darf natürlich mehr machen. Wenn man dann schonmal dran ist, werden es leicht auch mehr Teile.
Ich würde keine ganze Kiste ungeöffnet einfach wegwerfen. Gerade bei einem Messie ist ja nicht unbedingt alles sortiert, da stecken auch wichtige Unterlagen zwischen dem Müll. Die Kisten zu öffnen, ist aber auch gefährlich, weil man dann mit Lesen, Träumen und Festhalten wieder anfängt...
Anna
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