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Die Möchtegern-Minimalistin
Minimalismus-Experiment Tag 14
Wohlsein
Mein Experiment ist weit weniger dramatisch als ich gedacht hätte. Es ist alles so... einfach. Und leicht zu tun.
In der ersten Woche war ich streng und habe nur wenige Dinge pro Tag freigeschaltet. Dadurch habe ich meine Bedürfnisse erkannt und einige Überraschungen erlebt.
Ich komme immer noch nicht darüber weg, wie wenig Küchenzubehör ich brauche. Bis vor wenigen Tagen hatte ich weder ein Messer noch einen Löffel, weil es auch ohne ging!
Bei anderen Dingen erkannte ich bald, dass ich nichts am "Vorher" ändern will:
Ich möchte nicht jeden Abend meine Unterwäsche von Hand waschen.
Ich will weiterhin jeden Tag ein frisches Handtuch und frische Putzlappen haben.
Ich bestehe darauf, auf einem Badteppich zu stehen.
Briefe zu schreiben ist (noch) Teil meines Lebens, Briefpapier und Briefmarken will ich zur Hand haben.
Gestern habe ich mir meinen Kochtopf zurückgeholt, den ich immer schon als Salatschüssel nutze. Weil ich die Topfform, den Edelstahl und zwei Henkel an einer Salatschüssel gut finde:
• Salatschüssel
Zum Shopping zu gehen in der Stadt, ist ohne konkreten Bedarf keine Option mehr. Deshalb mache ich in meiner Stadt seit einigen Wochen an meinen freien Freitagen exzentrische Exkursionen zu für mich interessanten Themen.
Vor Kurzem habe ich sämtliche Trinkbrunnen im Innenstadtbereich recherchiert und aufgesucht. Seitdem weiß ich, wo ich unterwegs einen Schluck frisches Wasser kriege. Viele der Trinkbrunnen sind nicht rein funktional sondern mit einer Brunnenskulptur verschönert, die der jeweiligen Wasserquelle ihren Namen gibt. Beim nächsten Date sage ich: Wir treffen uns am Hühnerbrunnen.
Ich entdeckte zufällig an einer Hauswand ein nirgends erwähntes, aber für jeden zugängliches Metallwaschbecken mit funktionierendem Wasserhahn im verschnörkelten historischen Stil. Ich liebe es, Dinge in meiner Stadt zu kennen, von denen nicht jeder weiß.
Gestern habe ich die öffentlichen WCs in der Innenstadt inspiziert. Von meinem Vater habe ich den europaweit funktionierenden Schlüssel für Behinderten-Toiletten geerbt, sodass ich mir (außer als Frau die Männer-WCs) alles angucken konnte...
Wir haben hier viele Touristen und ich werde oft nach bestimmten Orten gefragt. Und ja, auch nach der nächsten Toilette.
Was hätten mir im Vergleich zu meinen Exkursionen ein Bekleidungsgeschäft oder ein Buchladen zu bieten? Nichts, als mehr von dem Krempel, den ich sowieso in messiehaftem Überfluss besitze.
Weil ich statt eines Spiegel-Wandschranks im Bad nur einen großen Wandspiegel habe, gibt es im Bad einen
• Bambusrollwagen
Den habe ich mir heute zurückgeholt. "Vorher" mit Körperpflegemitteln und Handtüchern vollgestopft, ist er jetzt viel zu geräumig für die paar verbliebenen Dinge.
Ich werde beobachten, ob das so bleibt. Falls ja, tausche ich ihn gegen einen Spiegelschrank über dem Waschbecken aus. Leere Bodenflächen zu gewinnen ist mir im Laufe des Experiments noch wichtiger geworden.
Mein leerer Wohnzimmerboden hat mich heute dazu aufgerufen, ihn mal eben außerplanmäßig mit dem trockenen Mopp auszufegen. Hat drei Minuten gedauert, eine ordentliche Ausbeute an Staubfusseln eingefahren und mein Wohlbefinden verstärkt.
• Profimopp mit Bezug
Wohl fühle ich mich sowieso in meinem leeren Wohnzimmer. Das Zimmer bleibt auch nach dem Experiment zu mindestens zwei Dritteln leer. Es ist schön, in einem Raum zu leben, in dem alles möglich ist.
Stand: circa 96 Dinge
Dieser SPIEGEL-Autor spricht mir aus der Seele:
https:/ /w ww.spiegel.de/stil/warum-ich-jeden-tag-ins-restaurant-gehe-a-4583e387-0dbe-42b2-91b6-6bdd2106736c?sara_ref=re-xx-cp-sh
Ich hasse Kochen. Alles daran. Ich hasse es, mir zu überlegen, was ich kochen will. Ich hasse es, dafür einzukaufen. Ich hasse es, Gemüse zu schneiden, irgendwas anzurühren, alles in zwei Töpfen und einer Pfanne zu verteilen. Ich hasse es, dass ich eine halbe Stunde warten muss, bis ich endlich essen kann. Erst recht, wenn ich schon vor dem Kochen Hunger hatte. Ich hasse es, dass ich innerhalb von fünf Minuten wieder vor einem leeren Teller sitze. Nur um dann eine Viertelstunde lang die ganzen Brettchen und Schüsseln und Messer abwaschen zu müssen. Ich hasse es, dass die ganze Wohnung danach nach Käse oder Öl oder Sahnesoße stinkt. Ich will auf keinem Sahnesoße-Sofa sitzen müssen, wenn ich fernsehe. Kochen, als Gesamtkonzept, ist ein Albtraum. Ich koche nie.
Ich habe das neulich in einer Runde mit ein paar SPIEGEL-Kollegen erzählt. Einer fragte verdutzt: »Und was isst du dann?«
Nun ist es auch so: Ich liebe Essen sehr. Also gehe ich essen. Jeden Tag. Thailändisch, tibetanisch, israelisch, mexikanisch, italienisch, deutsch. You name it. Ich bin niemand, der seine Ausgaben trackt. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es nichts gibt, für das ich im Monat so viel Geld ausgebe wie für Restaurantbesuche. Viele Menschen verwundert das. Was mich wiederum verwundert. Anscheinend denken Menschen, man müsse doch kochen. Was für ein Irrtum.
Es gibt, zumindest wenn man in der Großstadt wohnt, keinen Grund zu kochen. Menschen, die selbst kochen, müssen sich jeden Tag die fürchterlichsten Fragen stellen. Was für Zutaten habe ich noch zu Hause? Welche davon muss ich heute benutzen, damit sie morgen nicht schlecht sind? Welches Gericht kann ich selbst kochen? Es muss sich anfühlen, als löste man ständig eine Matheaufgabe.
Ich muss mir jeden Tag nur eine Frage stellen: Was will ich heute essen?
Es ist ganz wunderbar. Vielleicht der größte Luxus, den ich mir im Leben gönne. Dass ich theoretisch immer alles essen kann. Völlig egal, ob ich das Gericht nun selbst zubereiten könnte oder nicht. Das Ergebnis ist, ganz nebenbei, auch, dass ich viel mehr unterschiedliche Dinge esse als Leute, die immer wieder dieselben drei Nudelgerichte machen. Zum Beispiel, in einer Woche, all das: Feta-Walnuss-Hummus, Kartoffelgratin, Pilzpasta, Hühnchen in Erdnuss-Kokosmilchsoße, Sushi, Köfte.
Macht das mal zu Hause nach.
Die Menschen, die mein Essen kochen, sind Profis. Warum sollte ich überhaupt versuchen, so gut kochen zu können wie Profis? Ich übe ja auch nicht in meinem Badezimmer, wie man Haare schneidet. Sondern gehe zum Friseur.
(...)
Ja, jeder Mensch muss essen. Aber niemand muss mehr kochen, um satt zu werden. Menschen tun es, weil es ihnen Spaß macht. So wie manche eben gärtnern. Oder besonders schwierige Sudokus lösen. Oder Hard-Rock-Café-T-Shirts aus verschiedenen Städten sammeln. Ich respektiere das.
@Rica
Hmmm... Ich liebe es, essen zu gehen. Aber ich wüsste jetzt nicht, wo Schwarze-Bohnen-Nudeln auf der Speisekarte stehen. Oder einfach Gemüse mit Tofu. Natürlich finde ich Weißmehlpizza auch sehr lecker... Nur tut mir das nicht wirklich gut. Also gibt es schon einen Grund, sich mit der Sache zu befassen.
Aber ich bin ganz eindeutig dafür, dass man solche Sachen auch in jeder Kantine kriegt, und denke manchmal daran, selbst sowas zu eröffnen, wo Leute einfach lecker satt werden ohne aufzugehen wie ein Hefeklopps!
Minimalismus-Experiment Tag 15
Hipster PDA
Der Hipster PDA kam um 2004 auf: ein paar Karteikarten, die von einem Clip zusammengehalten werden. Eine minimalistische, freie Form von Organizer als Alternative zu Filofax, Bullet Journal, Notizbuch, Taschenkalender.
Das spöttische Hipster Bashing hatte mich bisher davon abgehalten, mich näher damit zu befassen. Gestern las ich zum ersten Mal online sachliche bis selbstironisch-euphorische Texte über den Hipster PDA. Ich bin begeistert.
Aufgrund der Entkrempeldienstage und dem Großem Hauruck wusste ich, wo ich Karteikarten und eine kleine Leder-Dokumentenhülle im richtigen Format hatte.
Klammern und Klippse wie beim Original Hipster PDA mag ich nicht. Sie halten zwar Dinge zusammen, kneifen sie aber dabei und schützen die Dinge nicht. Meine kleine Lederhülle dagegen gefällt mir. Das Teil war ein Werbegeschenk einer Bank oder eines Autohauses, der silberne Aufdruck ist zu verblichen, um es abzulesen. Die Hülle gehörte meiner Großmutter. Perfekt.
Dieses eine Mal war es wirklich praktisch, eine Horterin zu sein. Weil ich dank Bordmitteln mitten in einer Samstagnacht sofort loslegen konnte.
Noch in der Nacht schrieb ich meine To-Do-Liste, Tagespläne und Termine für nächste Woche auf ein paar Karteikarten.
Möglicherweise habe ich damit endlich mein System gefunden. Bei Filofax und Ringbüchern fremdle ich immer mit der Mechanik. Die finde ich aggressiv. Bullet Journaling im gebundenen Notizbuch ist mir zu starr.
Hier dagegen nur eine Handvoll Karteikarten, für deren Format und Material ich sowieso eine Vorliebe habe. Frei sortierbar, leicht austauschbar und flugs neu zu schreiben:
• Set "Hipster PDA" (Lederhülle und A7 Karteikarten)
• pinkfarbener Textmarker
Meine vorher schon geringe Küchenarbeitszeit ist endgültig minimalisiert. Wo ich vor dem Experiment beim morgendlichen "Mealprep" und beim Teezubereiten mit zwei Esschalen, zwei Teegläsern und einem aufwendig sauberzuhaltendem Glastrinkhalm hantiert hatte, reichen jetzt eine Essschale und ein Teeglas.
Mein Bad putze ich seit heute wieder mit Geschirrspülmittel, statt mit Flüssigwaschmittel. Lässt sich leichter dosieren. Verleiht mehr Glanz.
• Geschirrspülmittel
Ich genieße die Einfachheit und Leere mit jedem Tag mehr.
Stand: circa 99 Dinge
Zitat von Robin im Beitrag #568
Hmmm... Ich liebe es, essen zu gehen. Aber ich wüsste jetzt nicht, wo Schwarze-Bohnen-Nudeln auf der Speisekarte stehen. Oder einfach Gemüse mit Tofu. Natürlich finde ich Weißmehlpizza auch sehr lecker... Nur tut mir das nicht wirklich gut. Also gibt es schon einen Grund, sich mit der Sache zu befassen.
@Robin
Es ist auch eine Kostenfrage. So teuer meine Smoothiezutaten sind (Proteinpulver, Nahrungsergänzungsmittel, Biosalate, Kräuter & Co), Essengehen kostet viel mehr.
Aber es gibt viele Bistros, in denen mensch sich Low Carb Bowls selbst zusammenstellen kann. Oder Asiaten, wo frau "ohne Reis" ordern könnte.
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