mein freund ist mit Ordnung überfordert

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31.07.2015 12:48 (zuletzt bearbeitet: 31.07.2015 12:50)
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Ja, es ist schwer, sein Verhalten dauerhaft zu ändern. Die negativen Reaktionen werden viel intensiver wahrgenommen, als die positiven. So wie sich schlechte Erfahrungen tiefer ins Gedächtnis eingraben. Du kannst tausendmal im Fluss geschwommen sein, ohne dass etwas passiert ist, aber das eine Mal, wo du beinahe ertrunken wärst, das vergisst du nie mehr ganz.

Was du noch ausprobieren könntest, wäre ihm dabei zu helfen, ein System zu etablieren, das es ihm so einfach wie möglich macht, Ordnung bei Alltagsdingen zu halten. Dadurch spart er Energie, die es ihm zum Beispiel ermöglichen würde, Altlasten abzutragen. In Altlasten ist sozusagen Energie gebunden (sie belastet unterbewusst, und das zehrt an den Kräften und erschwert die tägliche Regeneration durch "Abschalten"), die man wieder nutzbar machen kann, wenn man sie abträgt/erledigt.

Energiearme Systeme basieren auf Vorbeigehen, werfen, fallen lassen. Im Wesentlichen geht es darum, dort, wo man gewohnheitsmäßig geht, steht und sitzt, wo man "sowieso" lang muss, zum Beispiel Behälter aufzustellen: Für Schmutzwäsche dort, wo man sich immer umzieht. Mülleimer dort, wo man gern und viel sitzt und Müll produziert (z.B. am PC, am Sofa, am Bett). Auch kleine Tische, auf denen man etwas zentral sammeln und im Vorbeigehen mitnehmen und an ihren Bestimmungsort bringen kann, ersparen Zeit und Energie. Wenn es regelmäßig mehr ist, als man mit zwei Händen tragen kann, empfehlen sich kleine Körbe auf den Tischen. Es geht darum, zu akzeptieren, dass man eben zu faul ist, sich zu bücken, zu faul, sich vor dem Verlassen des Raums noch mal umzudrehen, zu faul, die drei Schritte zum Mülleimer zu machen usw. Statt sich dazu zwingen zu wollen, jedesmal trotzdem Energie aufzuwenden, obwohl man tief innendrin das Gefühl hat, dass es sich nicht lohnt, kommt man sich bei der Methode möglichst weit selbst entgegen, so dass es bequemer wird, aufzuräumen und Ordnung zu halten. Bequemer heißt, geringere Energiekosten - so gering, dass es sich mehr lohnt, den Handgriff zu machen, als ihn nicht zu machen, weil man später sehr viel mehr Arbeit damit hat, alles einzeln zu beseitigen.

Am einfachsten ist es, wenn man ein Vorbild hat - idealerweise schon im Elternhaus - was hier natürlich nicht mehr gegeben ist. Jemand, der vormacht, bei jedem Verlassen des Wohnzimmers ein paar Teile Geschirr und ein bisschen Plastikmüll mit rauszunehmen und im Vorbeigehen abzustellen bzw in den Mülleimer zu werfen. Bei mir zum Beispiel machen schon die Kinder mit, weil das System so simpel ist, dass es jeder versteht, und sich - ganz wichtig - nicht dabei überarbeiten muss, um helfen zu können. Schmutzwäsche nur oben an die Treppe werfen, statt zu verlangen, sie ins Erdgeschoss zu bringen und in die Behälter zu sortieren, um ein Beispiel zu nennen. Wenn man jedesmal sagt: "Nimmst du bitte auch was mit", wenn man runter- oder in die Küche geht - und es steht eben gleich griffbereit da, es macht keine Umstände, danach zu greifen und es auf dem Weg, den man sowieso nehmen muss, mitzunehmen und dort abzustellen, wo man sowieso gerade hinwollte, dann macht man das auch - und nach ein paar Dutzend Malen hat man es sich dann angewöhnt, und muss nicht erinnert werden.

Auch ich muss dich leider noch einmal daran erinnern: Du musst deine Ansprüche, deine Erwartungshaltung an ihn auf ein Minimum runterschrauben, wie bei kleinen Kindern. Ich kann verstehen, dass es dich nervt, aber du fängst mit ihm nicht mal bei Null an, sondern bei Minus...
Das hält nicht jeder durch. Nicht jeder erträgt es auf Dauer, so zu leben. Nicht jeder schafft es, sich selbst genug am Riemen zu reißen. Das ist mir klar. Bei den meisten Streitigkeiten unter Paaren in Deutschland geht es um den Haushalt. Erst danach kommt das liebe Geld.
Vielleicht bist du noch immer zu sehr darauf bedacht, ihn zu ändern. Der Trick besteht darin, sich selbst zu verändern, und dem anderen mit einer veränderten Haltung zu begegnen und mit einem "imitierenswerten" Verhalten voranzugehen...

Mehr weiß ich leider im Moment auch nicht, was ich dir erzählen könnte :(


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31.07.2015 23:53
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Habe mir gerade Deinen Post durchgelesen! Mir kommt da Einiges ziemlich bekannt vor!!! Es ist wirklich schwierig, nicht immer auszurasten, wenn sich wieder etwas anhäuft! Mir ist aber hier im Forum ziemlich schnell klar geworden, dass ich mit ständigem Meckern und Daraufhinweisen eigentlich nur das Gegenteil erreiche! Warum kommt man da eigentlich nicht von selbst darauf? Und... ich habe auch gemerkt, dass das bei uns schon über viele Jahre so läuft! Wir sind im Moment dabei, wieder zu einen "normalen" Umgangston zurückzufinden. Sehr angenehm ... aber auch echte "Arbeit"! Im Moment kann ich auch die Haufen etwas entspannter sehen! Und... ich war gestern zum ersten mal beim Yoga!!! Ich denke, es ist ein Anfang!!!!


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01.08.2015 22:25 (zuletzt bearbeitet: 01.08.2015 22:28)
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Nach einigem Nachdenken und nachlesen sind mir dann doch noch ein paar Dinge ein- bzw aufgefallen. Eigentlich lag es direkt vor meiner Nase, und ich hab auch schon darüber geschrieben, nur manchmal stehe ich auch auf dem Schlauch.

"Nur leider ist dem ganzen Ende dieser Sache nichts positives entwachsen, ich habe immer versucht, was positives daraus zu ziehen, nur sieht er nur das negative in der Zusammenarbeit mit anderen, sodass er sich heftig gerieben hat mir den anderen. Seine Uni hat er dadurch liegen lassen uns ist nun so kaputt von der ganzen Sache, dass er total schlecht gelaunt ist. Entäuschung und das Gefühl, missverstanden zu werden, dominieren und lassen keinen Raum für die Erleichterung, dieses Projekt trotz alledem gestämmt zu haben."

Das ist typisch für den Typ 5
Der "Miesmacher" - Statt Belohnung folgt Bestrafung
Diese Betroffenen haben in der Kindheit die Erfahrung gemacht, dass Leistung nicht zu Lob, sondern zu Kritik führt. Statt, dass man ihnen gesagt hätte, was sie gut gemacht haben, hat man ihnen gesagt, was sie noch nicht gut genug gemacht haben. Solche Betroffenen neigen im Erwachsenenleben dazu, sich nach einer erfüllten Leistung selbst (meist in der "Du-Form") zu beschimpfen oder sich zu kritisieren, egal, wie gut das Ergebnis auch gewesen sein mag. Hier finden oft überhaupt keine Leistungs-Belohnungs-Verhandlungen mehr statt, und auch "Lock-Angebote" nutzen nichts, weil der Betroffene die tief verwurzelte Erfahrung besitzt, dass die in Aussicht gestellte Belohnung "gelogen" ist, und in Wahrheit nach Erfüllung der Leistung nur (schmerzhafte) Bestrafung auf ihn wartet. Der Miesmacher fokussiert sich bei der Reflektion seiner Leistungen fast ausschließlich auf den unerledigten Großteil, wodurch die schon erbrachte Leistung entsprechend winzig, und daher nicht anerkennenswert erscheint.
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Wenn du, julika, mit ihm schimpfst, wiederholst du das Muster, das er aus der Kindheit kennt. Das hatte ich dir ja auch schon mal geschrieben, aber ich möchte es dir in Erinnerung rufen.


Das zweite, was mir eingefallen ist, ist vielleicht auch für @paper noch mal interessant zu lesen:

Angehörige können selbst - schon vorher, oder durch den Umgang mit dem Betroffenen - eine Antriebsstörung entwickelt haben. Oder sagen wir, noch ist es bloß eine Antriebsschwäche. Paper klagte auch über Kraftlosigkeit, und darüber, dass es ihr schwer fällt, positiv zu motivieren. Ebenso, wie du. Paper sagte weiter, dass ihr deine Geschichte so bekannt vorkommt.

Wenn nun - logische Schlussfolgerung - eure Fähigkeit, positiv zu motivieren, so ..hm...verkümmert ist, dann ist es doch denkbar, dass ihr das deshalb nicht könnt, weil ihr es selbst nie so wirklich kennengelernt habt. Ich hatte an anderer Stelle schon mal die Theorie beschrieben, dass wir ein "ganzes Volk von nahezu ausschließlich negativ motivierten Menschen" sind. (Selbst-)Motivation ist ja Erziehungssache. Wir geben es so an unsere Kinder (oder "unsere" Betroffenen) weiter, wie wir es im Elternhaus lernten. Wenn wir selbst nur gelernt haben, durch Schimpfe und Genörgel zu funktionieren, wie sollen wir dann dieses für uns abstrakte Konzept von Lob, Anerkennung und Belohnung an andere vernünftig weitergeben?

Ich habe hier auch schon einmal dieses Thema angeschnitten: Dieses Energie-Dilemma, die Kraft nicht mehr für den (aussichtslosen) Kampf gegen den Betroffenen verpulvern zu wollen, ist eigentlich genau dasselbe, nur bei einem anderen Thema, das sich "nicht lohnt". In dem verlinkten Text steht mehr dazu, und wie man dem möglicherweise begegnen kann.

Für dich speziell, julika, es gibt auch noch die "Hardcore"-Variante. Paper kennt sie schon. Dabei geht es unter anderem darum, dass man lieber gar nichts mehr sagt, bevor man das Falsche sagt. Du findest die Beschreibung dieser Vorgehensweise in der "Softcore"-Variante in #4 "Katalog der Selbstverständlichkeiten - kann nicht schaden, aber viel helfen", wo es darum geht, aufzuhören, erziehen, sich einmischen, beeinflussen zu wollen. Weil es nichts bringt, weil es zu viel Kraft kostet.
#5 Entkrampfen - Entspannen - Loslassen geht noch einen Schritt weiter. Wenn man merkt, dass die softe Variante schon Verbesserungen bringt, dass sich der andere allein dadurch entspannt, dass man aufhört, Druck auf ihn auszuüben, kann man diesen Weg gehen.
Der ist richtig harte Arbeit für einen selbst. Er ist etwas für Menschen, die wirklich so verzweifelt ihre Beziehung retten bzw normalisieren wollen, dass sie bereit sind, die Arschbacken zusammenzukneifen und richtig loszulegen. Interessanterweise gerät dabei der Energiehaushalt gar nicht so weit ins Minus wie man meint, da man sich selbst auch die energieverschleudernden Diskussionen spart, und stattdessen nur noch handelt. Ich würde dir empfehlen: Lies die drei Texte einfach mal, vielleicht bringt es dir (und sei es nur teilweise) neue Erkenntnisse. Nicht nur über ihn, sondern auch über dich selbst.
#4 und #5


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05.08.2015 22:34
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Hallo Julika !
Piep,piep, wie geht es euch ?

Gruss Mausohr


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27.12.2015 16:51 (zuletzt bearbeitet: 27.12.2015 16:54)
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Hallo zurück, jetzt wieder mal ein update (ich hatte gerade gesehen, dass meine letzte Antwort gar nicht abgeschickt wurde... da stand nur drin, dass mir langsam die Energie ausgeht...)

Ich suche weiterhin Rat, weil mir mein Freund wirklich wichtig ist. Ich versuche mein Leben so zu leben, wie ich will und mich von seinem Ordnungsproblem nicht so sehr beeinflussen zu lassen. Mit viel lachen kann ich darüber hinweg sehen. Und ich bin ja weiterhin gewillt, ihn bei einem Wandel zu unterstützen, nur ist es wahnsinnig schwer.

Also: positive Versärker habe ich genutzt, nur läuft dieses Spiel nicht mehr so gut. Aber mittlerweile gibt er sich wieder mehr Mühe, aufzuräumen, bevor ich komme, ich lobe ihn dafür und wir sind nett zueinander. Aber ich war gerade einen Monat nicht da, kam dann gleich zu ihm. Er räumt dann immer in einer Art Panik-stunde auf, Müll weg, wäscht ab etc.. Als ich kam, war alles relativ ordentlich in seinem Wohnraum. Jetzt fällt mir ein, dass ich ihn dafür nicht gelobt hatte, ich habs einfach vergessen....(Shit!)

Allerdings sehe ich einfach, dass er nicht klarkommt ohne mich bzw. immer an der Kippe zum versumpfen steht. 3 aktuelle Probleme:

ERSTENS: Er muss gerade seine Bachelorarbeit schreiben. Das Problem: Er hat seine Anmeldung verschlafen. Danach hat der Prüfungsausschuss ihm eine nachträhliche Anmeldung genehmigt. Allerdings wurde ihm das von der Sekretärin nicht mitgeteilt, sodass er schon 4 Wochen verloren hat. Nun muss er da durch und kann sich schön wieder über die Fehler von anderen aufregen, ohne einzusehen, dass er auch einen großen Teil zu dieser Situation beigetragen hat. Momentan: Frust und offensichtliche Anfangsschwierigkeiten. Ich war gerade einen Monat nicht da. In dieser Zeit hat er gerade mal an DREI Seiten gesessen. Er sagt jeden Tag, er macht morgen was. Jeden tag findet er eine andere Ausrede. Ich hab schon nur noch gesagt " OK, ich shreibe einfach jetzt auf, was du heute sagst und guck mal wie sich das morgen für dich anfühlt"

Ich habe mir vorgenommen auch nicht mehr den Finger zu heben... es ist seine Sache. Auch meine kleinen Tips "Fang doch einfach JETZT an, drei Seiten zu lesen und dann mach wieder was anderes" bringt nichts. Er schiebt alles auf Morgen, und tut so, als ob morgen der ganzen Haufen Arbeit auf einmal zu schaffen wäre.

ZWEITENS: Gibt er sich wirklich Mühe, immer was zu sortieren, aber er sagt selbst: "Du siehst ja, ich räume schon immer wieder auf, aber es kommen eben immer wieder neue Haufen" Haufen bei ihm sind Bilderrahmen, Geräte, die er reparieren will etc. Die Reparaturen macht er nur, wenn wir äußerst harmonisch miteinander sind. Aber eben ist sein allgemeiner Reparaturstapel auch schon zu gross für sein Leben... also realistisch gesehen muss er irgendwann mal sein Grundstück ausmüllen. Aber wie soll ich ihn bloß dazu bringen. Denn der Alltag kommt immer wieder dazwischen. Es ist vor allem Problematisch, gegen seine Blockade zu argumentieren, denn sicherlich will er es ja immer auf später versch

DRITTES Problem: Bei mir wurde eine Schimmelpilz Allergie festgestellt und der Pilz, den ich nicht vertrage ist vor allem auf verschimmelnden Lebensmitteln und in Blumentöpfen.Das heißt, es gibt jetzt noch mehr Druck , den wir bewältigen müssen, da ich auch sehr auf mich achten muss und es tatsächlich sein kann, dass seine Unsauberkeit Folgen für mich haben kann. Ich reagiere nicht heftig, allerdings macht mich die Allergie hypersensibel und ich bin anfälliger auf andere Stoffe, Nahrungsmittel etc. <daher gilt einfach strengstes Gebot: Sauberkeit.

Was soll ich in so einer Situatiion tun ohne ihn unter Druck zu setzen?

Meine Versuche wie " Hej lass uns am Wochenenden mal ausmisten" Antwort - "nee, ich will erstmall die Arbeit fertig machen..." ABER : die Bachelorarbeit beginnt er ja auch nicht....

???
Zudem sehe ich dass sich allein meine Anwesenheit positiv auf seine Motivation auswirkt, bin ich aber weg macht er nichts.

Ich hab ihn schon gefragt, wie er sowas sieht, und da stimmt er zu. Er sagt auch sowas wie "Sie dich doch draussen um, es ist ja offensichtlich, dass ich damit Probleme habe"...

Also bin ich jetzt im Stadium 2 von euren Tips für Angehörige. Aber ich weiß nicht, wie ich gegen seine Boykottierungen angehen soll...


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