mein freund ist mit Ordnung überfordert

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19.05.2015 10:08 (zuletzt bearbeitet: 19.05.2015 10:13)
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Hey julika,

Wir sind entscheidend weiter, wenn du diese Fehlprogrammierung von Leistung und Belohnug bei ihm bestätigen kannst. So wie du es beschreibst, wurde er wohl nach erbrachter Leistung bestraft. Bestrafung wirkt normalerweise, um unerwünschtes Verhalten weniger häufig auftreten zu lassen. Folgt Strafe auf Leistung, lernt der Betroffene nicht bloß "Es lohnt sich nicht", sondern "es ist richtig schlecht für mich, mich anzustrengen".

"Dennoch seine Fehlprägungen empfinde ich wie eine unüberwindbare Mauer. Er ist 8 Jahre alter als ich - da würde jeder sagen, dass man einen Menschen dann nicht mehr ändern kann."

Im Kern gehts darum, dein eigenes Verhalten ihm gegenüber zu analysieren (dabei helfe ich nachfolgend), zu erkennen, wodurch du seine typische "Trotzreaktion" auslöst, und dein Verhalten so zu ändern, dass ihm ermöglicht wird, dir gegenüber anders zu reagieren - worauf von dir wieder eine Reaktion erfolgt, die ihn darin bestärkt, in der richtigen Richtung weiterzumachen.
Man kann das als Sozialarbeiterdasein interpretieren, oder als Sozialexperiment. Man könnte auch sagen: "Gott hat dich vielleicht zu ihm geschickt, damit du ihm hilfst, aus dieser Misere rauszukommen", wenn du religiös bist, wie manche hier. Man kann auch sagen: "Zwei Menschen sind dann die Richtigen füreinander, wenn sie durch einander zu besseren Versionen ihrer selbst werden". Letzteres gefällt mir am besten. Was ich aber nicht wissen kann, und was zu beurteilen mir auch nicht zusteht, ist, ob er dir das wert ist.

Auch du profitierst davon, es auszuprobieren. Dein Leidensdruck wird kleiner, dein Ärger, dein Stress, deine Grübelei, ob das mit ihm überhaupt noch einen Sinn hat, wird sich dadurch klären.
Die Strategien, zu deeskalieren, und gegen Antriebslosigkeit anzugehen, können außerdem jedem Menschen sein ganzes Leben lang in allen Bereichen (Beziehung, Beruf, Kindererziehung...) von großem Nutzen sein. Daher lohnt es sich auf jeden Fall für dich selbst, dich dahingehend mit Informationen einzudecken.

Sein Verhalten, das dich manchmal zur Weißglut treibt, ist Folge einer Art von Trauma. Das sieht nicht immer so aus, wie man sich das vorstellt, aber fast immer, wenn Menschen sich so irrational, so unlogisch verhalten, steckt eine traumatisierende Erfahrung dahinter. (Ansonsten bleiben noch andere, zum Beispiel genetisch bedingte psychische Erkrankungen, aber davon wollen wir hier mal nicht ausgehen). Wir sind schon so weit, diese in seiner Kindheit zu verorten, in der "brutalen" Mutter (ich frage nicht - es spielt nämlich keine große Rolle). Bei einer Antriebsstörung sagen wir hier immer wieder (und die Betroffenen, die hier erfolgreich an sich arbeiten, bestätigen es): Es ist nicht so wichtig, woher es kommt, sondern wie man es schleunigst loswird. Und das geschieht auf die immer gleiche Art und Weise: Man überschreibt den fehlerhaften Prozess mit dem Korrekten.

Ich verstehe deinen Einwand, dass du keine Zeit hast, für ihn sein Leben in die Hand zu nehmen. Sollst du auch nicht, darum geht es überhaupt nicht. Simpel gesagt geht es darum, ihn durch kleine, ja, winzige Aufgaben, die du ihm stellst, auf einen normalen Leistungs-Belohnungs-Prozess zu "programmieren". Alternativ könntest du ihm erklären, was bei ihm schiefläuft, damit er sich selbst schlau macht, und sich selbst reprogrammiert. Das geht auch, birgt aber bestimmte Risiken, die du sicherlich selbst erfassen kannst, da du ihn sowieso am besten kennst.

Also, gehen wir davon aus, dass du grundsätzlich bereit bist, ihn zu "reprogrammieren". Lassen wir die Ethik-, Sozialarbeiter- oder Ersatzmutti-Gedanken beiseite, und sagen wir einfach nur, dass es darum geht, einem Menschen zu helfen, der aus eigener Kraft nicht aus seinem Loch kommt, okay?

Dann liefe das so ab - ganz harmlos, ehrlich: Bitte ihn, Kleinigkeiten zu tun. Fange so klein an, wie es nur geht. Ideal sind dabei immer Aufgaben, die nur er erledigen kann - entweder aus dem Augenblick heraus, oder aufgrund seiner Kenntnisse, seiner Körpergröße, was auch immer. Es muss einfach außer Frage stehen, dass er gerade im Augenblick der einzige ist, der es tun kann, und dass es jetzt getan werden muss. Zum Beispiel, dir ein Handtuch zu reichen, wenn du unter der Dusche stehst (und es "vergessen" hast, dir zurecht zu legen), oder gemeinsam mit dir eine schwere Kiste zu bewegen. Alternativ finde Aufgaben, die gerade auch erledigt werden müssten, aber du kannst nicht, weil du gerade etwas anderes machst. Das klingt jetzt hochkompliziert, ist es aber gar nicht, es ist eigentlich bloß ein Taschenspielertrick. Wenn du zum Beispiel bis zu den Ellenbogen in Spülgeschirr steckst, und zu ihm sagst: "Könntest du bitte den Mülleimer rausbringen, der stinkt", ist er viel eher bereit, das zu tun, als wenn du gemütlich neben ihm auf der Couch sitzt, ihr beide TV schaut, und du zu ihm sagst: "Häng doch bitte nachher noch deine Wäsche ab, die ist doch auch schon seit drei Tagen trocken"
Probier es einfach mal aus. Und sobald er dann getan hat, worum du ihn gebeten hast, dann loben und bedanken. Es darf ruhig ein bisschen dick aufgetragen sein: "Du bist echt ein Schatz, was würde ich nur ohne dich machen?" oder "Ach, ich bin so froh, dass der Mülleimer jetzt draußen ist, der hat so übel gestunken, ich danke dir!"

Du siehst also: Was die Belohnungen betrifft, denkst du zum Beispiel in Richtung Sex viel zu krass, weil du vermutlich meinst, dass du etwas finden musst, das das andere toppt. Für eine so kleine Leistung bekommt man normalerweise gar keine Belohnung mehr - aber er wurde dafür vermutlich sogar bestraft.
Normalos sehen deshalb auch meistens nicht ein, dass eine Belohnung her muss, um diesen Prozess bei dem Betroffenen zu normalisieren. Wir hören das hier häufig. "Ich finde es lächerlich, ihn/sie für so nen Kleinscheiß zu loben!" Verständlich, wirklich. Aber nicht hilfreich. Hilfreich ist, ihn zu loben, weil er das braucht. Und um zu verstehen, warum er das braucht, ist es wichtig, zu verstehen, dass der Vergleich mit normalen Menschen total unfair ist. Er braucht das Lob und die Bestätigung, dass sein Handeln richtig war, damit neuronale Verknüpfungen gebildet werden, die ihm beim nächsten Mal melden: "Leistung erbringen ist was Gutes, denn darauf folgt Lob/Belohnung/ein angenehmes Gefühl, also auf geht's!"

"Anders Beispiel : ich: " Hej kannst du später die Wäsche noch abhängen.?""ja.ok" wenn ich dann 2 Tag später wieder zu ihm komme hängt die Wäsche immer noch draußen oder er hat sie gerade mal irgendwo drinnen hingestapelt, wo noch pla ist,aber nicht an seinen entgültigen Platz geräumt. Er knallt die Sachen dann meist hin. Wenn ich dann sage: " ach das finde ich aber schade, dass du die Wäsche, die ich gewaschen habe wieder so rumliegen lässt. Wir haben doch erst kûrzlich deinen Kleiderchaos beseitigt." seine Reaktion ; eine Ausrede... Das ist Sehr sehr mühsam, und ich weiß nicht wie ich reagieren soll. Innerlich konnte ich ausrasten."


Ich bin jetzt mal so fies und deute dieses Gespräch so, wie es bei einem Betroffenen ankommt ;)

" Hej kannst du später die Wäsche noch abhängen.?" (Forderung, mit Pseudo-Beiläufigkeit formuliert)
"ja.ok" (Erlernte, deeskalative Antwort. Jede andere würde zu Diskussionen führen)
Er knallt die Sachen dann meist hin. (Aber deine Forderung wurde erfüllt, also nörgel nicht)
" ach das finde ich aber schade, dass du die Wäsche, die ich gewaschen habe wieder so rumliegen lässt. Wir haben doch erst kûrzlich deinen Kleiderchaos beseitigt." Du manipulierst ihn schon jetzt, nur eben nicht geschickt genug.
("ach das finde ich aber schade") (Ist mir doch egal, wie du das findest)
("die Wäsche, die ich gewaschen habe") (verkappter Vorwurf - allerspätestens hier ist das Rollo dicht.)
("Wir haben doch erst kûrzlich deinen Kleiderchaos beseitigt") (noch ein Vorwurf)

Julika, ich weiß, dass du es ganz anders gemeint hast, aber jetzt kommt der grausame Teil, den du aber leider hören musst: Du hast ihm eine Aufgabe gestellt. Er hat sie nicht perfekt erledigt, und du bestrafst ihn mit Vorwürfen.
Du wiederholst also das bekannte Muster aus dem Elternhaus - auf Leistung folgt Bestrafung - und er reagiert auf die vertraute Art - mit Ausreden.

Eine zielführende, den Programmablauf ändernde Reaktion wäre: "Hey, klasse, du hast die Wäsche abgehängt, dann kann ich ja wieder welche aufhängen! Danke!"

JA, ich weiß, dass dich das ärgert und ankotzt und dass du dich am liebsten ganz anders verhalten würdest. Ich kenne das, ich bin es auch durch. Und ich weiß auch, dass du es ganz anders gemeint hast, und deshalb führe ich dir eben so deutlich vor, in welchem Hals das bei ihm landet. Man kann bei einem Betroffenen nicht auf rohen Eiern tanzen. Subtile Andeutungen etc pp bringen nichts, da verliert man immer. Klare, simple Ansagen, die ihm deutlich signalisieren: "Das war GUT!"

Zuletzt noch einmal: Du musst das nicht für immer machen, um Gottes Willen. Aber mach es doch mal, sagen wir: für zwei Tage, und schau, ob sich bei ihm etwas zu verändern beginnt. Und sobald du irgendwie auch nur den HAUCH von Eigeninitiative siehst - LOBEN! Und während dieser zwei Tage nicht über das schimpfen, was er nicht perfekt gemacht hat, oder was er nicht gemacht hat - sondern nur das, was er gemacht hat, positiv verstärken. Das ist schon alles, der ganze "Sozialarbeiter-Part", den du übernehmen sollst.

Typische Reaktionen, und wie man clever mit ihnen umgeht

Deeskalation von Konflikten

Leistung und Belohnung - Anleitung zur Selbstmotivation


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19.05.2015 13:59 (zuletzt bearbeitet: 19.05.2015 14:20)
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Also, numi, ich bedanke mich aufrichtig für so viele Tips! Das ist auch ein Lob!

Auch für dein Verständnis, mein Gemecker hier nicht ins Negative zu ziehen - das war nämlich meine Sorge, nachdem ich mich gestern abend so "ausgelassen" habe.

Ich weiß ja, dass ich da nochwas falsch gemacht habe, was die Wunde immer wieder aufreist. Werde es nun mal probieren und mir kleine Sachen ausdenken.

Eine Frage noch, so wie ich deinen Rat verstehe, sind es die "kleinen Aufgaben" , die unmittelbar zu machen sein sollten, oder? Damit er nicht die Möglichkeit hat, sie nich zu erledigen, damit es kein schlechte Vibrationen geben kann.

Ich werde mir die Links durchlesen und mich in einer Weile wieder melden und berichten, was mir aufgefallen ist. Und ich verspreche jetzt, kein Gemecker mehr!!

Zu guter letzt noch ein Beispiel, wo ich nciht weiß, wie ich ihm zu erledigen seiner Aufgaben helfen kann: Dienstags muss er beispielsweise in die Uni, in den letzten Wochen hat er es nicht einmal geschafft, sich nachmittags aufzuraffen und die Veranstaltung zu besuchen. Letzte Woche hatte er es nicht geschafft, weil ihn seine Mutter telefonisch "abgelenkt" hat. Ich hatte das oben schon geschildert. Heute hat er sich wieder bei mir gemeldet, erzählt mir wieder, dass er schon alles gepackt hätte (wie jede Woche). Wir sprechen über was anderes. Ich habe mich bei ihm bedankt, dass er mich angerufen hat. Am Ende vom Gespräch frage ich ihn nochmal: "Und soll ich dich nachher Anrufen und erinnern, dass du losfahren musst?" Dann sagt er , "musst du nicht, ich werde es schon schaffen".

Das ist soooo witzig, weil es die letzten Wochen ganz genauso lief, ich immer nicht nochmal angerufen habe und er dann kurzfristig wieder sein Vorhaben abgebrochen hat. Und heute stehr wieder die Entscheidung an, ich werde ihn nachher mal anrufen. Und sollte er wieder irgendeine Ausrede haben, werde ich nicht meckern, sondern ihm , wie du Numi, schreibst, eine kleine Aufgabe stellen.

Mal sehen...

Viele Grüße und einen sonnigen Tag!


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19.05.2015 14:23 (zuletzt bearbeitet: 19.05.2015 14:25)
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Nein, ich ziehe das gewiss nicht ins Negative. Du hast doch mit den besten Absichten geschimpft - mit dem Ziel, etwas zu ändern, und ihm zu helfen. Und das ist es, worauf es ankommt. Nur der Weg war "grundverkehrt", weil er sich bei ihm, bei seinem besonderen Hintergrund ins Gegenteil verkehrt. Und das konntest du nicht wissen.

Ich beschäftige mich schon lange mit Deeskalation, und mit Teufelskreisen. Wenn sich Szenarien so oft wiederholen, und immer ein nahezu identisches Ergebnis haben, so dass einer regelrecht vorhersagen kann: "Ich sage dies so und so, und dann sagt/macht er daraufhin das und das, und das treibt mich jedesmal auf die Palme" - ist das praktisch "Teufelskreis Standardedition". Da kann keiner was für, das ist irgendwie so gewachsen, einfach passiert. Darum sagen wir hier auch nicht "Schuld", sondern "Eigenanteil". Man hat an der Situation/dem Szenario/dem Dialog... einen Eigenanteil (ganz logisch, und ganz neutral: zwei Menschen agieren miteinander...), und wenn man den zielgerichtet verändert, ermöglicht man dem anderen, sich ebenfalls verändert zu verhalten. (Und dabei ist ganz egal, wie alt die Beteiligten sind ;) )


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19.05.2015 15:14
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"Eine Frage noch, so wie ich deinen Rat verstehe, sind es die "kleinen Aufgaben" , die unmittelbar zu machen sein sollten, oder? Damit er nicht die Möglichkeit hat, sie nich zu erledigen, damit es kein schlechte Vibrationen geben kann."

Ja...ich hätte das aber nicht mit Vibrationen erklärt, sondern mit neuronalen Prozessen.

Es gibt nur zwei grundsätzliche Möglichkeiten, sich selbst "anzutreiben" - negative und positive Verstärker. Negative Verstärker sind im Wesentlichen Angst, Scham oder Schmerz. Sie schwellen an, wenn unerledigte Aufgaben um einen herum sind. Man besitzt die Erfahrung, dass es schlimmer werden wird, wenn man es nicht erledigt, und deshalb erledigt man es - wenn man normal ist. Antriebsgestörte können diese negativen Verstärker unfassbar lange und in krassester Intensität aushalten, und lassen sich trotzdem nicht davon in Bewegung setzen. Aber mit den positiven Verstärkern können sie nicht richtig arbeiten. (Diese 5 Typen) Das müssen sie erst wieder lernen - und egal welcher Typ man ist, der korrekte Prozess "Auf eine Leistung folgt ein positiver Verstärker" ist ja immer derselbe - also überschreibt man den alten, falschen Prozess mit dem neuen, korrekten Prozess. Das kann man allein tun, oder mithilfe eines anderen Menschen, der es für einen übernimmt, an der richtigen Stelle das erwünschte Verhalten positiv zu verstärken.


Stern24 schrieb (gekürzt):
"er hat noch keine Wohnung bzw hat was in der Wohnung gemacht sondern würde von sein Bruder ( mein Partner) aufgenommen, da er dadurch Depression bekomm hat. Er meinte er kann nicht aufräumen und sich nicht um alles kümmern da er Depression hat. Dazu muß ich sagen das ich auch Depression hab welche noch eine angststörung beinhalten und eine körperliche Behinderung und ich schaffe es auch aufzuräumen. Nun ich erledige wieder seine unterlagen hab Wohnung gesucht wo er nur noch anrufen musste was er mit 1000 mal sagen auch machte. Ich muss Ohm alles sagen und vorarbeiten damit es überhaupt voran geht. Ich bin nervlich wieder total am ende das ich selber nicht mehr weiß wo ich am besten anfange die aufgaben zu erledigen habe kein Privatleben seitdem mehr und Schrei ihn bei jeder Gelegenheit an, da er nur auf den Sofa liegt sich nicht pflegt nur mit dem Handy beschäftigt ist und nicht mal von allein auf die Idee kommt wenigstens mir mal eine Arbeit abzunehmen. Was soll ich tun??? Ihn vor die Tür setzen oder hi lassen????"

Ich hatte ihr dann im Prinzip genau das Gleiche empfohlen wie dir. Das war ihr Feedback nach dem ersten "Test":

"Also ich hab es vorhin mal probiert zu ihm durch zukommen das er mal was macht. Hab zu ihm gesagt könntest du mir bitte beim aufwasch helfen? Ich wasch ab und du trocknest ab und räumst weg dabei hören wir schön Radio. Was soll ich sagen ohne zu meckern hat er von Anfang bis Ende geholfen haben geredet nebenbei lief die Waschmaschine da kam er von allein drauf mir den Wäschekorb zu bringen balkontür auf zu machen. Danach hab ich mich bei ihm dafür bedankt für seine Hilfe. Was kam von ihm??? Eigentlich müsste ich mich bei euch bedanken was ich nie tu. Darauf wusste ich keine Antwort mehr."


Also, ja, es sind Kleinigkeiten, oder Teilaspekte von Aufgaben - die du vielleicht für ihn zerlegen musst. Wenn er sich zu dem Handgriff überwinden kann, die Wäsche vom Ständer zu nehmen und irgendwo hin zu werfen, braucht er dafür ein Lob, auch wenn dir eigentlich danach zumute wäre, ihn anzupampen, weil er sie einfach auf den Boden geworfen und damit letztlich deine Wascharbeit zunichte gemacht hat. Er ist da im Prinzip eher wie ein Kleinkind, das das noch nicht gelernt hat, das sich aber - und das ist das Entscheidende - Mühe gegeben hat, es so zu tun, wie du es wolltest. Wenn du zu einem Kind sagst: "Deck doch mal den Tisch!", dann lobst du es, wenn es das tut, auch wenn es die Hälfte des Bestecks vergessen hat, und dabei ein Glas zu Bruch gegangen ist, und es dafür fünfmal so lange gebraucht hat wie du. Denn instinktiv weißt du, dass du das Kind nur dazu ermutigst, das öfters zu tun, wenn du es positiv darin bestärkst. Bei Erwachsenen allerdings sehen wir das nicht ein. Wir sagen: "Der ist doch alt genug, der weiß das doch!" Wir finden es falsch, einen Erwachsenen für eine "Kleinkind-Leistung" zu loben. Darum gilt es eben als erstes den Blick zu justieren, dass wir bei der Person, mit der wir es zu tun haben, auf einem "Kleinkind-Niveau" anfangen müssen (weil es bei ihm oder ihr banal gesagt schon im Kleinkindalter versaut wurde).

Ja, wahrscheinlich weiß er es, er kennt den korrekten Ablauf "Wäsche abhängen, zusammenlegen, in den Schrank räumen" ganz genau. Aber er hat gelernt, dass es dafür, dass man sich diese Arbeit macht, nur Strafe gibt. Und er hat gelernt: Wenn er die Wäsche einfach hängen lässt, gibt es ebenfalls Strafe.
Also versucht er einen schrägen Kompromiss: Er hängt die Wäsche ab, aber mit einem minimalen Arbeitsaufwand. So kann er sich im Recht fühlen ("Ich habe deine Forderung erfüllt!"), und hat sich zugleich die immense Energie gespart, es perfekt machen zu müssen.

Dass die Aufgaben "klein und sofort erfüllbar" sein sollen, ist deshalb so wichtig, weil es um "idiotensicheren" Erfolg geht. Das Ziel ist "Ich will ihn die Erfahrung machen lassen, einen positiven Verstärker zu erleben". Das ist aber nur dann sinnvoll, nachdem er eine Leistung erbracht hat. Da er momentan nicht in der Lage ist, eine "normale" Leistung ("Falte deine Wäsche und räum sie in den Schrank") - oder gar eine NOTWENDIGE Leistung ("Miste mal dein Leben aus...") zu erbringen, müssen wir eben mit Leistungen anfangen, die denen ähneln, die wir von Kindern erwarten ("Hilf mir mit dem Geschirr spülen" oder "Bring mal den Müll raus"), eben all das "anspruchslose" Zeug, bei dem man so gut wie nix falsch machen kann, DAMIT wir loben können. Das Lob (bzw der positive Verstärker) ist das Entscheidende: Es löst ein angenehmes Gefühl aus. Je öfter wir das tun, desto schneller wird im Gehirn die Verknüpfung gebildet "Leistung -> angenehmes Gefühl". Auf Leistung folgt Belohnung.
Dabei kommt es nicht auf die Größe der Aufgabe, sondern auf die Anzahl der Wiederholungen an. 50 kleine Aufgaben, die belohnt werden, sind daher effektiver, als 3 große. Die Belohnung muss sofort erfolgen, damit der Bezug hergestellt werden kann.
Ist diese neuronale Verknüpfung erst einmal hergestellt, läuft sie ja zukünftig von alleine ab. Irgendwann werden Dinge zur Selbstverständlichkeit. Dann muss nicht mehr für den "Kleinscheiß" gelobt werden. Mehr oder weniger von allein lernt man: "Mehr Leistung bringt mehr Belohnung", weshalb man sich dann nach und nach schwierigeren bzw anspruchsvolleren Aufgaben zuwendet. Also irgendwann erledigt er seine Wäsche komplett alleine, und dann irgendwann baut er seinen Gerümpelberg ab. Da musst du nicht die ganze Zeit daneben stehen, und ihn antreiben. Es genügt, wenn du ihm dabei hilfst, seinen fehlgeleiteten Prozess von Leistung und Belohnung zu korrigieren.


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19.05.2015 19:50
#10
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numi, weisst Du, was mir da einfällt ? Ich komm da wieder mit dem Thema Behinderte um die Ecke.......
Manche sind ja nur leicht geistig behindert und wenn man denen auf solche Art in kleinen Schritten beibringen würde,
was zum Leben dazugehört, würden sie ne Menge mehr können. Aber da es die Kinder nicht als normalen Entwicklungsprozess
durchmachen, wie andere Kinder auch, denken die Eltern, das geht sowieso nicht und nehmen es ihnen ab.

Grüssele Mausohr


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