@IBI
Für Ziele bin ich unbedingt! Hier, von der Party gestern mitgebracht:
„Wenn du ein glückliches Leben willst, verbinde es mit einem Ziel.“ (Albert Einstein)
Das menschliche Streben kann sicherlich üble Formen annehmen, aber - was mittlerweile gar nicht mehr so in der öffentlichen Debatte ist, finde ich - es ist auch wunderbar! Da steckt die Fähigkeit drin, hinauszudenken über das, was ist; sich vorzustellen, was sein soll. Ohne das hätten wir keine Fähigkeit zur Kritik, wir könnten nur leiden. Wir könnten nix bauen und planen und machen und nicht nach Idealen streben, es gäbe keine Kunst und keine Wissenschaft...
Strebe nach deinen Idealen, da bin ich ganz bei dir!
Nur was die Würde angeht... Es scheint ja mehrere zu geben. Die, die nicht antastbar ist, die, die dauernd angetastet wird, die, nach der man streben kann... Ich mag ja die besonders gern, die man irgendwo verlegt haben kann, aber die sofort da ist, wenn man sie ergreift und erkennt, dass sie eigentlich schon immer da war!
Und dann bin ich noch davon beeinflusst, dass ich beruflich mit Menschen arbeite, die körperliche oder geistige Einschränkungen haben, auch Leute mit Altersschwäche oder Demenz. Und wenn ich da nicht ganz selbstverständlich von der beiderseitigen Würde ausginge, aber auch davon, dass die nicht gleich 'ne Schramme kriegt, wenn jemand mal Pipi muss oder so, dann hätte ich ein Problem.
Ja, ich glaube, die Würde kann ich mit zu dem zählen, was immer da ist. Es können mal Wolken davor sein, dann sieht man sie nicht, aber hinter den Wolken ist immer die Sonne, und auch die Würde. 🤗
Und so wie ich es verstehe, oder auch bei mir beobachtet hab, ist es überhaupt nicht hilfreich, sich selbst herabzusetzen, wenn man den Arsch nicht hochkriegt.
Was ja bei mir dem Punkt jetzt vorausging, wo ich anfange, meinen Kram rauszuräumen, war, dass ich schrittweise in die totale Verweigerung gegangen bin. Aber ich war die ganze Zeit wach dabei und habe beobachtet. Ich habe beobachtet, wie ich in meinem "Tiny Space" rumwirtschafte mit Stirnlampe und Campingkocher und dass die meisten Menschen bei der bloßen Vorstellung von kalten Duschen schon schaudern. Ich habe beobachtet, dass ich meinen Job gut mache, und habe im Urlaub ehrenamtlich gearbeitet (allein *dass* ich das tue, hat viele schon schwer beeindruckt). Es ist vielleicht schwer zu verstehen, wenn man nur darauf sieht, was auf der Außenseite in der Wohnung passiert - aber dass ist ja eine Sache, die ich so sehr an dir schätze, dass du immer schaust, was in den Menschen passiert! Und was da passiert ist war, dass ich nach einem Fehler gesucht habe an mir, der so gravierend ist, dass ich im Gegensatz zu anderen Leuten nicht hinkriege, ohne Hilfe zu wohnen. Und wirklich, ich hatte schon eine Adresse gekriegt und einen Tag nach dem anderen vor mir hergeschoben, dort anzurufen! Wegen Einzelfallhilfe. Als Aspie sollte es mir nicht schwer fallen, da ranzukommen. Aber es war immer ein Unbehagen da, ein leises Stimmchen sozusagen, das sagte: "Du brauchst das nicht wirklich."
Und deshalb hab ich weiter zugeschaut, was ich so mache, statt da anzurufen.
Ich hoffe, dass die Totalverweigerung kein nötiger Schritt ist, und definitiv würde ich das wirklich nur dann empfehlen, wenn man auch wirklich total die Schnauze voll hat. Und *nur* in Kombination damit, in anderen Lebensbereichen seine Fähigkeiten zu erproben. Sich zu bestätigen, dass da gar kein so gravierender Fehler sein *kann*!
Also versuch 's dir einfach mal vorzustellen: Da brennt nur eine Kerze, deine Stirnlampe, das Feuer im Ofen, deine Würde, deine Träume... Und der Kram ist gar nicht mehr so wichtig. Der ist noch da, steckt voller Überraschungen, Fragen, Fragen, *Fragen*... Aber keine Kritik mehr, keine Angst... Manchmal Verwirrung, z.B. "Klare Sache, *diese* drei Pullover sind perfekt, aber warte, *diese* 5 Pullover sind die, die ich im letzten Jahr angezogen hab" usw.. Aber wenn die Menge, die man wegschleppen kann, eh begrenzt ist, kann man auch erstmal ausprobieren.
Ich hab z.B. Jacken ausgemistet und unter den "ganz netten", die ich nicht angezogen hab, fand ich meine alte Lieblingsjacke. Wunderschön diese verblichene Sandfarbe, diese Farbübergänge kriegt nur die Zeit hin, und leicht, bequem, einfach nicht so leicht ersetzbar. Hat mir allerdings schon vor Jahren ein Freund gesagt, dass es keinen guten Eindruck macht, wenn ich mit so kaputten Klamotten ankomme. Jaa, ist echt "Fetzenlook"...
Also nun sind die "ganz netten" Jacken zum Sozialladen gewandert, und meine alte Jacke kriegt ringsum neue Kanten, schön bunt. Weil die Regel ist, dass nichts mehr da sein soll, was nicht getragen wird, weil es kaputt ist.
Nu ja, und ich hab auch vom Sozialladen wieder eine mitgebracht, die fühlt sich an wie ein Federbett, aber jetzt kommt der Winter und ich brauchte wirklich was richtig Warmes - mal sehen, ob ich mich an sie gewöhne oder nicht. Dann muss sie halt wieder gehen.
Ich sehe es schon eine Weile ziemlich entspannt mit dem rein und raus von Klamotten, der Sozialladen ist sozusagen meine Tauschbörse.
Größtes Problem scheint mir echt im Moment: Die liebsten Teile sind immer die kaputten! Aber wer zum Teufel zwingt mich dazu, mich mit Stopfen und Flicken zu pesten? Wenn ich Lust dazu habe, darf ich das machen, ja, aber es ist verdammtnochmal nicht verwerflich, lokale Handwerksbetriebe zu stärken! Klar, die Schneiderin war etwas verblüfft, als ich meine Jacke vor ihr ausbreitete... 😁
Und wenn es mir nicht wert ist, ein Teil professionell reparieren zu lassen, dann sollte es mir auch die Zeit nicht wert sein, die ich selbst dafür bräuchte! Das ist nämlich viel mehr Zeit. Aber natürlich ist es anders, wenn man kein Geld hat. Ich hab sehr lange von Hartz IV gelebt - die meiste Zeit mit sog. 1-Euro-Jobs nebenher - und hab irgendwie keine psychischen Reserven mehr mit dem Kaputtgehen von Dingen. Und dieser endlosen Bugwelle von Dingen, die repariert werden müssten, die man da vor sich herschiebt. Ich seh das nicht mehr als Vergnügen an im Moment. Also das Ideal alles "Do it yourself" muss grade gehn und darf vielleicht wiederkommen, wenn meine Wohnung in Ordnung ist. Aber nur, wenn ich meine Zeit nicht für was brauche, was mir mehr Spaß macht.
