Heute sollte es weiter gehen. Ich habe gestern alte Ordner entdeckt, von denen ich dachte, ich hätte sie schon längst weggeworden. Ich war sehr erfreut, weil ich doch dachte, heute kann ich sie dann aussortieren. Aber bei genauerem Hinsehen hatte ich mich leider verlesen, das waren gar nicht Ordner zu dem Thema, was ich gestern dachte. Hm, blöd.

Jetzt brüte ich über diesen alten Ordnern, aber komme zu keinem klaren Ergebnis. Also doch bei den anderen Unterlagen weiter machen? Hm.

Ich hatte noch an einer anderen Stelle Ordner entdeckt, bei denen ich mich vielleicht noch durchringen kann, sie endgültig wegzuschmeißen.

Was mir dabei aber immer im Weg steht, ist diese fixe Idee, ich könnte sie eines Tages nochmal lesen wollen. Dann, wenn der bisher noch nie eingetretene Zustand eintreten sollte, dass ich mal über einen ausreichend langen Zeitraum ganz viel Zeit und nichts Dringlicheres zu tun habe.

Wie gesagt, diesen Zustand gab es in der Vergangenheit nie oder er war zu kurz anhaltend, dass ich in dieser Zeit der Muße hätte mich bis zu diesen Ordnern durcharbeiten können.

Okay, aber … was ist, wenn mir etwas einfallen sollte, was in diesen Ordnern steht und ich es eines Tages ganz plötzlich einmal nachlesen wollen würde? Was die letzten Jahrzehnte so nicht passiert ist oder wenn, dann hatte ich den entsprechenden Ordner nicht auf die Schnelle gefunden. Also auch kein Weltuntergang.

Dann wäre da ja auch noch das Internet. Was den Informationsinhalt angeht. Aber was ist mit dem Erinnerungsinhalt? 😐

Gestern Abend bin ich etwas ins Philosophieren gekommen. Über Perfektionismus.

Es gibt ja diese Metapher vom halb vollen oder halb leeren Glas. Also eher zufriedene Menschen sehen auf ihr Leben und sehen all die guten Dinge darin, für sie ist das Glas halb voll. Unzufriedene Menschen schauen auf die nicht so gut gelaufenen Dinge und Dinge, die fehlen. Für sie ist das Glas halb leer.

Da habe ich mich gefragt, ob man diese Metapher nicht genauso für perfektionistische Menschen und weniger perfektionistische Menschen anwenden kann. Der weniger perfektionistische Mensch sieht mehr auf alles, was er kann und was er schon erreicht hat, auf die Stärken und Talente, die er hat, und die Aufgaben, die er erfolgreich gemeistert hat. Er schwimmt in einem halb vollen Glas. Der perfektionistische Mensch ist so getrieben, sich immer mit einem (unerreichbaren) Ideal zu vergleichen, weil nur das „gut genug“ wäre, dass sein Blick in erster Linie auf das, was ihm noch fehlt zum Ideal, gerichtet ist. Er sieht nur auf die Luft (oder Leere) oberhalb des Wassers. Da ist noch eine Schwäche, das können andere besser, dort ist zwar einiges vorhanden, aber noch nicht 100 % viel, also da fehlt auch noch dieses und welches.

Und ich frage mich, ob der perfektionistische Mensch vor lauter Schauen auf die Luft, also die Fähigkeiten und Erfolge, die ihm (noch) fehlen (also eigentlich gar nicht zu ihm gehören), nicht sich selbst (also das Wasser) völlig aus den Augen verlieren kann?

Wie soll jemand mit dieser Sichtweise eine Idee dazu entwickeln, wer er selbst ist, was er selbst will und welchen Sinn sein Leben haben soll? Wenn er nicht sich selbst (also das Wasser) sieht, sondern nur auf seine Mängel starrt (also die Luft)?

Natürlich führt jemand mit dieser Sichtweise fort, was er von seinen Eltern so gelernt und erlebt hat. Eltern, die nur kritisiert und nie gelobt haben, in der zweifelhaften Hoffnung, das Kind würde sich so mehr anstrengen und ein ehrgeizigerer Mensch werden. Aber ich frage mich, was für ein Bild hatten die Eltern damals von ihrem Kind? Haben sie auch nur eine Mängel Ansammlung gesehen, projiziert auf eine Person, ihr Kind? Haben sie jemals das Wasser, was ihr Kind war, gesehen?

Tja, was ist Wahrheit? Wenn man als Kind von seinen Eltern zu hören bekommt, man wäre falsch, so wie man von Natur aus ist. Ist das dann eine Lüge oder das ehrliche Empfinden der Eltern dem Kind gegenüber?

Wenn man zu hören bekommt, man hätte aber noch die Möglichkeit, mit viel Anstrengung doch zu einem guten Kind zu werden, ist das dann eine Lüge? Ich denke ja, weil zu jemand anders zu werden, ist grundsätzlich nicht möglich. Egal, wie man sich auch anstrengen mag. (Aber das wusste ich als Kind noch nicht.)

Wenn man zu hören bekommt, wenn man sich so verhalten würde, wie man ist, würde man auch vom größten Teil der Gesellschaft abgelehnt werden und müsste als Aussätziger leben. Ist das dann eine Lüge? Ich denke ja, im Dienste der Angstmache. Damit die Eltern nicht in Gefahr kommen, sich vor anderen für ihr Kind schämen zu müssen, soll es sich verbiegen und verstellen.

Morgen soll es mit einer Regalreihe weiter gehen. Dort befinden sich Ordner, Bücher und Kartons. Diese will ich alle mal durchschauen.