Mutter Messie - wie Besuche gestalten?

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10.08.2014 15:18 (zuletzt bearbeitet: 10.08.2014 15:20)
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Hallo maryli,

was ich nun sage, wird dir vielleicht nicht gefallen, aber du solltest es dir anhören, und darüber nachdenken. Gleich der erste Satz wird hart.

DU hast ein Problem mit ihrem Zeug. Deiner Mutter gehts prima, die hat kein Problem, fühlt sich pudelwohl so, wie es ist. Wenn du verstehen möchtest, wie sie sich fühlt, dann stelle es dir mal genau umgekehrt vor: Du hast eine supersaubere, ordentliche Wohnung, und dann kommt jemand herein und ruft "Meine Güte, wie sieht es denn hier aus? Du hast viel zu wenig Müll hier drin, und es ist viel zu ordentlich, so kann man sich doch nicht wohlfühlen! Schlimmer als im Katalog, das ist doch kein Leben, das ist ein Stilleben!" (fängt an, dein ordentliches Bett zu zerwurschteln, dreht den Mülleimer um und verteilt den Inhalt auf den frisch geputzten Fliesen, reißt die Schränke auf und schmeißt alle Inhalte durcheinander...)

Du wärst entsetzt, oder?

Und ungefähr so gehts deiner Mutter auch, wenn du dich bei ihr einmischst. Bei ihr hat das alles sein Sinn und seine Ordnung. Sie braucht es, dass es so ist wie es ist - dass sie schon ziemlich alt ist, verstärkt das noch. Du kennst doch bestimmt das Sprichwort "Einen alten Baum kann man nicht verpflanzen". Damit spricht man normalerweise darauf an, dass alte Leute einen Umzug aus ihrer gewohnten Umgebung nicht mehr gut verkraften. Aber ein Haus, eine Wohnung, das IST die gewohnte Umgebung, und es zu verändern, so dass es nicht mehr ihr Zuhause ist, das kann sich genauso fatal auf ihr Gemüt auswirken wie ein konkreter Umzug.

Für den Angehörigen besteht manchmal der wichtigste Schritt darin, zu verstehen, dass der andere ein Recht hat, so zu leben, auch wenn man das selbst total unverständlich und furchtbar findet, und Mitleid hat, und sich Sorgen macht. Aber es ist ihr Leben. Sie will es so haben. Du musst nicht so leben, also musst du es auch nicht ändern.
Deine Mutter ist vielleicht auch nicht mit allem einverstanden wie du lebst. Vielleicht ist es ihr "zu steril". Vielleicht mag sie deine Freunde nicht, oder dein Parfüm oder deine Haustiere, findet, dass du deine Kinder nicht so erziehst, wie sie es machen würde. Aber es ist DEIN Leben, und du wehrst dich gegen solche Einmischungen. Und das völlig zu Recht - sie aber genauso.
Heimlich hinter ihrem Rücken aufzuräumen ist ein Grenzübertritt, den du selbst wahrscheinlich auch nicht ertragen würdest. Stell dir vor, du fährst zwei Wochen in Urlaub, kommst wieder und stellst fest, deine Freunde haben deine Wohnung gestrichen. Würdest du dich freuen? Okay. Und was, wenn die Farben absolut nicht deinem Geschmack entsprechen? Und wenn du dann noch merkst, dass sie deine Lieblingsbettwäsche weggeschmissen haben?
Und den Teddy, den du schon als Kind hattest? Den ersten Teddy _deines_ Kindes?

Die Freude über die Renovierung würde sich...äh...in Grenzen halten, oder?^^ Auch wenn du weißt, dass es lieb gemeint war.



Was das betrifft, ticken viele Messies genau wie Normalos - nur extremer, und bei Sachen, für die wir kein Verständnis haben. Einen Ansatz zur Hilfe kann man eigentlich nur finden, wenn der Messie selbst sagt "Ich will nicht mehr so leben, aber ich hab keine Ahnung, wie ich dieses Chaos in den Griff kriegen soll".


Was deine Frage betrifft, wie du dich abgrenzen könntest: Ja, ins Hotel gehen. Auch wenn es deine Mutter verletzt. "Mama, ich weiß, dass dir das nichts ausmacht, aber ich fühle mich mit diesem Dreck und den Fruchtfliegen unwohl. Ich bin gern mit dir zusammen, ich freu mich immer tierisch, dich zu sehen, aber ich möchte lieber an einem Ort schlafen, wo es mich nicht ständig zu jucken anfängt."

Wie, wenn nicht, indem du ihr auch mal demonstrativ zeigst, dass der nächtliche Aufenthalt in diesem Haus für dich inakzeptabel ist, könntest du ihr besser signalisieren, dass ihr Haushalt außer Kontrolle geraten ist? Und wer weiß, vielleicht gibt sie sich dann vor dem nächsten Besuch mal Mühe und entsorgt einiges, damit du bei ihr schläfst, und nicht im Hotel.


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11.08.2014 09:00 (zuletzt bearbeitet: 11.08.2014 09:03)
avatar  maryli
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@Zipserin
Danke, ja, ich verstehe, was du meinst! Wobei ich mir immer noch relativ sicher bin, dass sie Vieles nicht vermissen würde (ich habe schon paar Mal in der Vergangenheit z.B. ein paar alte Lebensmittel weggeworfen und ist nie aufgefallen). Ihr geht es nicht ums Nutzen, sondern ums Horten von Sachen. Aber generell muss ich wohl eher akzeptieren lernen statt ändern zu wollen.

@NormalLife
Du hast Recht, ich denke auch, dass es definitiv mit der Nachkriegszeit zu tun hat! Ja, geistig ist sie sonst völlig fit. Aber inwiefern meinst du, dass man ihr da helfen kann, wo sie ja gar kein Problem sieht?

@numi
Danke für die ehrlichen Worte! Es stimmt völlig, ich habe das Problem, nicht sie. Es ist halt nur ziemlich schwierig, ihren Wohnstil zu akzeptieren, wenn man auch da wohnen muss - daher ist eine Pension wohl wirklich die beste Alternative, auch wenn das ein sehr harter Schritt wird - vor allem für sie. Ich werde hoffentlich dazu durchringen, dass das nächste Mal zu probieren und hoffe sehr, dass es statt einen Bruch zu erzeugen, unser Verhältnis vielleicht sogar verbessert.

Wie gesagt, was noch als Belastung dazu kommt, ist ehrlich gesagt schon der Gedanke, dass ich irgendwann, wenn sie nicht mehr in dem Haus leben kann oder stirbt, wahrscheinlich Monate brauche, um die ganzen Sachen zu sortieren, zu verkaufen, zu entrümpeln... da es ja zum Großteil keine wertlosen Sachen sind, werde ich sie nicht einfach alle wegschmeissen wollen, wenn schon spenden oder so. Monate, in denen ich hier dann in der Stadt meiner Mutter verbringen muss und nicht regulär werde arbeiten können... Natürlich sollte ich mich freuen, dass ich wohl was erben werde, aber der Gedanke, dann gezwungenermaßen für Monate aus meinem Leben gerissen zu werden und mich an einem für mich eher negativ besetzten Ort mich mit diesen ganzen Dingen (und letztendlich dadurch auch mit meiner Familie und meiner Vergangenheit) auseinandersetzen zu müssen, fühlt sich jetzt schon wie eine bedrohliche, dunkle Wolke an. Falls es hier andere gibt, die ähnliche Probleme haben und vielleicht sich schon Gedanken darüber machen, würde ich mich sehr über Austausch freuen!

Danke noch mal an alle und liebe Grüße!


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11.08.2014 11:59
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#8
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Es ist sehr schwer, zu beurteilen, ob das für euch der richtige Schritt wäre, denn dazu fehlt mir die persönliche Bekanntschaft, um das auch nur annähernd einschätzen zu können. Aber es könnte eventuell eine Möglichkeit sein, genau diese Dinge anzusprechen.

Das ist unfassbar schwer. Den Tod eines geliebten Menschen als "damit ist in absehbarer Zeit zu rechnen" überhaupt anzusprechen, ja, nur zu DENKEN ist ein Tabubruch in unserer Gesellschaft. Was mit dem Nachlass geschieht, was derjenige sich für seine Beerdigung wünscht...all das sind Themen, über die wir nicht nachdenken wollen, um uns nicht mit den finstersten Gedanken zu belasten, mit denen man sich wohl überhaupt belasten kann.

Wenn man alt wird, ändert sich diese Perspekte oft. Der, der weiß, dass er näher am Grab, als an der Wiege steht, möchte diese Dinge geregelt wissen. Aber immer wenn er davon anfängt, heißt es "Ach, Tante Elfriede, hör doch auf vom Tod zu reden, du wirst 120 Jahre alt!"

Vielleicht ist es genau das Richtige, ihr exakt das zu sagen, was du hier gesagt hast: Wie unbehaglich du dich damit fühlst, diese Dinge aussortieren zu müssen. Dass es dich mit einer Vergangenheit konfrontiert, die du hinter dir lassen wolltest. Und vielleicht sogar genau diese Vergangenheit dann auszugraben und zu verarbeiten. Vielleicht, indem ihr beide euch dieser Vergangenheit gemeinsam stellt, und das Haus gemeinsam in Angriff nehmt.

Vielleicht ist der Vorschlag auch vollkommen utopisch. Das kann ich wie gesagt nicht beurteilen. Aber vielleicht trifft er auch den Nagel auf den Kopf, und deshalb wollte ich ihn gemacht haben :)

Alles Gute wünsch ich dir!


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11.08.2014 13:35
#9
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Ja numi, das ist ein sehr heisses Eisen. Um so mehr erstaunt mich meine Mama, die mich wohl besser kennt, als ich dachte und
wohl sehr genau weiss, wie wenig ich belastbar bin. Sie hat so einige Bestimmungen getroffen, die mich überrascht haben und
ausserdem war ich überrascht, wie nüchtern und klar wir darüber sprechen konnten.

Grüssele Mausohr


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16.01.2015 17:15
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Meine Mutter ist mehr ein leichter Fall von Messie, Generation Nachkriegskind mit dem Lieblingssatz - das kann man ja bestimmt noch einmal gebrauchen. Persönlich stört es mich, dass die kleine Wohnung, der Keller, der Boden eigentlich jeder freie Raum vollgestellt ist mit Zeug, was zum Teil jahrelang nicht angerührt wurde. Eine Methode ist, die Sachen erstmal aus Sicht zu räumen, damit sie dann in Vergessenheit geraten und von mir heimlich entsorgt werden können. Bei richtig harten Fällen ist das wohl eher nicht möglich...


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