Gedanken! - Rückfall vermeiden - aber wie?

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13.09.2013 15:09
avatar  Kayla
#16
Ka
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Hallo Bessie!
Du, ich auch. Es war am Ende keine Therapie, sondern ein persönliches Erlebnis, dass ich mir plötzlich die Frage stellte: Mal angenommen, alle WENNs wären schon eingetreten. Könntest Du so sein wie der/die/das? Und vor allem - WÖLTTEST du überhaupt so sein? Wölltest Du all Deine Stärken und Schwächen gegen seine tauschen?"
Denn wir Menschen sitzen oft einem bösen Denkfehler auf. Könnte ich die Zeit zurückdrehen, würde ich das anders entscheiden! Wirklich? Du wüsstest nicht, welche Konsequenzen diese Entscheidung haben kann, könntest nur nach Deinem damaligen Kenntnisstand entscheiden.
Das heißt, die korrekte Frage zur Bewertung müsste lauten: Unter den damaligen Umständen und mit dem damaligen Wissen - hätte ich eine bessere Entscheidung treffen können? Und genau so ist es mit Vorbildern. Um so zu sein wie "er", müsste man Stärken und Schwächen Desjenigen übernehmen. Nur ein Teil geht nicht, denn die Stärken eines Anderen können sehr gut unsere Schwächen werden (letztlich sind ja auch unsere eigenen Laster die Forsetzung unserer Tugenden).
Und genau so ist es mit unserem Selbstwert. Gerade bei den Eltern ist das so eine Sache. Bei mir wars der Vater, der die Messlatte unglaublich hoch hing. Mein Leben lang, bis zwei Jahre vor seinem Tod, habe ich versucht, mir seinen Respekt zu verdienen. Erst als er versuchte, das gleiche Spiel mit einem meiner Kinder ab zu ziehen und dessen Selbstwertgefühl zu untergraben, wurde ich wach. Ist die Achtung eines solch unsensiblen und bösartigen Menschen, der die an andere angelegten Massstäbe selbst nicht mal ansatzweise erfüllt, wirklich etwas, was wert wäre, mich dafür zu quälen? Nein, ist es nicht und wars auch nie - aber ich war von seiner dominanten Persönlichkeit so geblendet, dass ich diesbezüglich einen blinden Fleck hatte.
Ich habe mich geweigert auf seine Beerdigung zu gehen. Amüsanterweise hat mir meine trotzig - wütende Aussage, dass ich ganz sicher nicht pflichtgemäß Krokodilstränen weinen werde, ganz ohne Mühe, den Respekt einer anderen Person gebracht, der tatsächlich wertvoll ist - nämlich meiner Mutter.
Komisch, nicht? Das Christentum sagt immer, der Weg zur ewigen Seeligkeit sei steinig. In den asiatischen Ländern lautet der Spruch anders und auch das halte ich für äußert richtig:
"Hell und glatt ist der Weg ins Licht, doch die Menschen lieben die Nebenpfade" oder - unphilosophischer, sagte Blaise Pascal: "Der Mensch ist ein seltsames Wesen. Da jagt er unter Aufbietung aller Kräfte einem dürren Hasen nach, den er geschenkt nicht würde haben wollen."
Wenn man das einmal verinnerlicht hat und zumindest anfängt, die übertriebenen Erwartungen an sich selbst los zu lassen, merkt man ganz schnell, dass man trotzdem gemocht und liebgehabt wird. Was spricht dagegen, eine supertolle und bildhübsche Ratte zu sein? Giraffen sind längst nicht so klug und überlebensfähig wie die kleinen Burschen. Sie sind nur groß.

Habt ein schönes Wochenende
Kay

Ordnung ist etwas Künstliches. Das Natürliche ist das Chaos. (Arthur Schnitzler)


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13.09.2013 20:59
avatar  bessie
#17
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Hallo Kay,

hm, warum nehmen wir (fast alle) die steinigen Umwege? Ich habe viele Jahre geglaubt, dass nur die Dinge wertvoll sind, wenn ich sie nicht so leicht erreichen kann. Welch fataler Irrtum, so viel verschenkte Stunden mit der Jagt nach dem "dürren Hasen" verbracht *kopfschüttel*.

Mein Vater lebt noch, ein gewalttätiger Alkoholiker, der mich körperlich schwer misshandelt und seelisch fertig gemacht hat. Ich habe schon in jungen Erwachsenen Jahren viel räumlichen Abstand zu ihm gehalten, als dann mein Sohn auf der Welt war, meinte ich echt ihm "einen Opa schenken zu müssen" und nahm öfters wieder Kontakt auf, fuhr zu Besuch mit meinem Sohn. Kay, Du glaubst es kaum, obwohl es mir jedesmal körperlich schlecht ging, Bauchweh, Kopfweh, Übelkeit usw. konnte ich erst diese Kontakte abbrechen, als mein Sohn bei diesen Besuchen Migräneanfälle bekam.

Heute frage ich mich sehr oft, wieso habe ich so Vieles schon gemerkt und dennoch nicht für mich gesorgt. Mal wieder diese Sache mit dem Selbstwert? Ich denke, genau das ist es. Zum einen Angst andere durch meine Entscheidungen zu verletzen, zum anderen dachte ich immer: das hältst du schon durch.

Und wozu sollte es in irgenteiner Form gut sein etwas durchzuhalten, was einem nicht gut tut. Die einzige Ausnahme ist für mich die Arbeitsstelle, da muss ich halt das machen was verlangt wird, denn ich esse gelegentlich gern eine Kleinigkeit *grins* und dafür brauche ich Geld, aber ansonsten? Nööö, ich will es mir so gut gehen lassen und mich wohl fühlen wann immer es mir möglich ist, Schluss mir der großen "Anpasserei".

Lieber Gruß, Bessie

Das Leben muss vorwärts gelebt werden, kann aber nur im Rückblick verstanden werden.

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14.09.2013 02:03
avatar  Kayla
#18
Ka
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Tja, warum tun wir das, Bessie? Das kann wohl jeder nur für sich sagen. Ich persönlich habe als Kind ein ausgeprägtes Gefühl für Gerechtigkeit und ein Loyalitätsempfinden mitbekommen, das bis an die Grenzen der Selbstzerstörung geht (heute noch). Nur heimlich und mit unglaublichem schlechtem Gewissen, haben ich gelegentlich auch mal auf meins geschaut, aber auch das in der Regel nur in Situationen, in denen andere schon lange vom nächsten Dach gesprungen wären.
Einer meiner Lieblingssätze früher war: Irgendwo hat er ja Recht ... Gemeint damit waren immer Beschuldigungen anderer gegen mich. Eigentlich hatten sie ja alle Recht. Ob es mein Mann war, der tobte, weil auf der obersten Platte der Schrankwand (5 cm unter der Zimmerdecke) kein Staub gewischt war, oder eben mein Vater ... mit genau so "wertvoller" Kritik. Dann hat mein Vater allerdings einen Fehler gemacht. Er hat meinem jüngsten Sohn, der damals 23 war, vorgeworfen, dass er noch bei Mama leben würde. Und das war der Moment, wo ich begriff, wie lächerlich das Ganze ist. Mein Sohn war nach der Schule beim Bund und hatte bereits ein Jahr gearbeitet, weil er auf die Fachschule wollte und das sich terminlich blöd ausging. Dadurch war er mit 23 erst im zweiten Ausbildungsjahr. Er war weder faul, noch dumm oder antriebsschwach, im Gegenteil. Und da kommt mein Vater daher ... Na ja. Das hatte er eben immer getan und es hatte immer geklappt ... Bess, mein Vater hatte meinen Sohn in diesen 23 Lebensjahren vielleicht 3-4 mal gesehen, er wusste nichts von ihm ...
Ich hab an dem Tag den Telefonhörer aufgelegt und einen Vater aus unserem Leben komplett entsorgt. Als er starb, war er für mich schon Jahre tot.
Und meine Mutter, die ihn kannte wie kaum jemand anders, hat mir das, entgegen meiner Angst, nicht vorgeworfen. sie war klüger als ich - sie hatte sich schon vor 40 Jahren von ihm scheiden lassen, konnte aber seinen Einfluss auf mich nicht verhindern.
Keine Vorwürfe ihrerseits, weil ich zur Beerdigung nicht aufgeschlagen war. Sie meinte, wenn ds sich für mich richtig anfühle, dann seis das auch.
Das war, als wenn man mit Karacho gegen eine Tür anläuft und sie geht einfach auf. So einfach war das? Ich konnte tun, was ich für richtig hielt und wr trotzdem nicht die Böse? Tja, warum hatte ich dann 30 Jahre lang versucht, die Heldin zu spielen, ohne es je zu schaffen???
Wusste ich, wie falsch das war? Ja. In jedem Augenblick. Warum habe ich dann nicht ... Weil man iemals den Weg des geringsten Widerstandes geht. Das ist feige. Weil man auch einem bösen Menschen gegenüber fair bleiben muss ... auch wenn ers nicht ist. Weißt du was? Das ist Bullshit. WEr mir in die fresse haut, dem muss ich nicht auch noch das Genick hinhalten und wer einen zweiten Schalg versucht, bekommt paar auf die Nase.
Wenn ich mir an einer Dornenhecke die Haut runterreiße, gehe ich drum herum oder hole eine Heckenschere - und zwänge mich nicht mit Gewalt durch die Stacheln.
Gott oder wem auch immer sei gedankt - insbesondere meine mittlere Tochter beherrscht das aus dem FF, ohne unsensibel oder hartherzig zu sein und die anderen haben zumindest die Anfangsgründe dieser Denkweise verinnerlicht. Sie wiederholen meine Fehler nicht. Wenn es einen geraden und schönen Weg gibt, der keinem Menschen schadet, dann muss ich nicht märtyrerhaft den Felspfad nehmen, nur um zu beweisen, wie toll ich bin.
Geh immer den Weg des geringsten Widerstandes, solange Du damit niemandem schadest und Dein Ziel erreichst. Dann klappts auch mit der Selbstachtung.

Hab ein schönes Wochenende
Kay

Ordnung ist etwas Künstliches. Das Natürliche ist das Chaos. (Arthur Schnitzler)


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