Mein Vater ist Messie- meine Mutter hält es nicht mehr aus

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25.09.2013 04:28
#11
Ta
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Liebe Kayla, so etwas ähnlich bin ich auch gestrickt......hihihi........
Aber ich bin leider über die Erfahrung von Kränkung und gekränkt werden im Nahbereich von Familie und Freundschaft lange schwer hinweg gekommen.
Das trug bei zur Depression und zum Messie - Dasein.
Du schreibst, Messie sein und Faulheit/Schlampigkeit sei ein Unterschied...........wenn ich dem doch mal auf die Spur käme.....
Najut..........immerhin freue ich mich und bin dankbar, dass die Beziehung mit Mama sich wieder ein bisschen besser anfühlt.

Grüssele Mausohr


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25.09.2013 12:03
avatar  Kayla
#12
Ka
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Hallo Mauseöhrchen!
Der Messie hat ein Wertzumessungsproblem. Er ist (grundsätzlich) nicht im eigentlichen Sinne liederlich, sondern er "hortet" Dinge, die ihm zu schade zum Wegwerfen sind, deren Wert aber ein Normalsterblicher nicht unbedingt erkennen kann. Das ist schwierig, wie ich an einem Beispiel schon mal erklärte. Wer 1 Mio bierdeckel ordentlich sortiert in Alben oder in Schaukästen hat, ist ein Sammler, wer auch nur die Hälfte davon in einer Küchenschublade hortet, weil er sie ja mal brauchen könnte, ist ein Messie und wer sie rumliegen lässt, weil er zu faul ist, sie weg zu werfen, ist ein Liederling ;-).
Das Problem dabei ist, dass zunächst mal eins fließend ins andere übergehen kann. Wenn ich genügend Dinge über einen genügend langen Zeitraum hinweg ansammle, wird es automatisch liederlich und ist es zu liederlich, kann mir der Antrieb fehlen, es wieder in Ordnung zu bringen.
Zweitens bedeutet auch "nur liederlich" sein, nicht, dass man kein Problem hat. Depressionen, nicht erkanntes ADHS, Agoraphobie und andere psychische Probleme erzeugen oft ein Wohnungsbild, das dem des Messiesyndroms gleicht.
Ich habe da in meinem Bekanntenkreis ein deutliches Beispiel. Eine junge Frau, Mitte 20, zwei Kinder. Bis zur Geburt des zweiten Kindes war alles in Ordnung. Nach der Geburt fühlte sie sich plötzlich total überfordert und fertig, selbst die Kinder wurden ihr zu viel. Postnatale Depressionen sind häufiger als man annimmt und werden immer noch oft übersehen. Jahrelang schaffte diese Frau noch einen Balanceakt, es gelang ihr, ein Mindesmaß an Ordnung aufrecht zu erhalten. Dann trennte sich ihr Partner von ihr und damit einher ging Geldknappheit. Also begann sie, jede Sache daraufhin ab zu klopfen, ob man sie noch verwenden könne ... wenn sie nicht mehr weiterwusste, begann sie zu trinken. Die Kinder bekamen Probleme in der Schule, das Jugendamt wurde aufmerksam.
Die Frau ging in Therapie, der Therapeut war schnell fertig, nachdem er vom Jugendamt über die Zustände in der Wohnung informiert worden war. Messiesyndrom. Die Kinder kamen ins Heim, die Frau bekam Medikamente ... wechselte vom Alkoholismus in die Medikamentenabhängigkeit, hatte Suizidgedanken.
Ich menge mich normalerweise nicht oft in solche Dinge ein. Aber in dem Falle habe ich der Frau geraten, sich doch bitte mal bei meiner Therapeutin an zu melden. Mein persönlicher Endruck war nämlich, dass ihrer es sich, auf Grund der Tatsache, dass die junge Frau auch kein Mensch war, der viel von sich preis gab, sich die Arbeit zu leicht gemacht hatte.
Und dann haben wir aufgeräumt ... und es ist sauber geblieben. Die Frau war niemals ein Messie. Bei ihr kamen lediglich echte Existenzängste und eine depressionsbedingte Antriebsschwäche zusammen. Heute ist sie auf einem guten Weg, hat wieder Arbeit und jedes Wochenende und im Urlaub die Kinder bei sich. Sie ist dort dreimal schneller hingekommen als ich, obwohl ich "nur" das Ordnungsproblem habe und niemals suchtkrank war.
Das Gegenteil davon ist ein Mann, mit dem ich beruflich zu tun hatte. Die Wohnung absolut ordentlich, wenn auch nicht extrem sauber, aber Trilliarden und Abertrilliarden von Sammelkärtchen auf jeder freien Bodenfläche, ordentlich in Katalogen erfasst, teilweise 4-5 mal jede vorhanden (könnte ja mal eine kaputtgehen).
Da klingelt dann allerdings das Messiglöckchen.
Fang ja nicht an, dich als faul und schlampig zu titulieren, Mauseöhrchen. Das ist der Anfang vom Ende. Du bist keins davon, sonst würde Dich das Chaos nicht stören und sonst würdest du nicht Kraft investieren, es zu beseitigen.
Wir sind es gewohnt, dass wir uns mal lustlos oder müde fühlen und das eben auch wieder vorbei geht. Aber bei einer Blastung wie Du sie stemmst, dauern die Regenerationszeiten halt länger und das kann in extremis eben dazu führen, dass man mehr aufmüllt, ls man in den "guten Zeiten" weggeräumt bekommt.
Das rechtfertigt noch lange keine Selbstverachtung. Schlimm wärs, wenn Du penibelt putzen würdest und dafür andere, viel wichtigere Dinge, wie z.B. Deinen Mann, vernachlässigen würdest. Irgendwo muss man Kompromisse schließen, das ist halt so. Du kriegst das schon in den Griff, nur die Ruhe.
Ich veruche auch gerade, mich ran zu motiveiren, die letzten kleinen Tapetenstücke in der Küche zu kleben und dann mal in der ganzen Wohnung die Fußböden sauber zu machen, weil es den alten Farbstaub überall hingeweht hat. Aber ich glaube, jetzt gönn ich mir erstmal ein Käffchen und eine Mütze voll Schlaf, nachdem letzte Nacht nicht sehr erholsam und heute morgen schon vor dem Aufstehen Zahnarzttermin war. Die dreckerten Böden rennen ja nicht weg :-D.

Kay

Ordnung ist etwas Künstliches. Das Natürliche ist das Chaos. (Arthur Schnitzler)


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25.09.2013 12:20
#13
Ta
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Hallo Kayla !
Da sprichst Du ein wahres Wort mit den Regenerationszeiten,die länger dauern. ich spüre das auch, aber bis jetzt wollte ich das immer nicht so recht wahr haben,weil
ich mich am "Durchschnitt" messe und das ist falsch. Es ist falsch, weil ich nicht Durchschnitt bin. Und weil die unsichtbare Teilleistungstörung(Motor zu langsam)
durchaus ihren Anteil hat an all dem, was nicht so rund läuft. Ich hätte es also von vornherein lernen müssen, dass ich auf eine gewisse Selbstdisziplin wert lege.
Wenn man mir das vor 30Jahren so deutlich gesagt hätte,ich hätte es nicht geglaubt.Manches muss man selber erfahren und draus lernen.......
Und weil ich darauf nicht geachtet habe,warum auch immer, muss ich mich jetzt um so mehr anstrengen.

Und da ist dann noch Mama, die ja gerade daran leidet, dass Töchting in so einem Chaos sitzt.
Auch wenn ich mich mittlerweile etwas davon abgrenzen kann, so tut s mir doch andererseits leid, weil sie ja Kraft "verpulvert", die sie woanders dringend braucht.....

Najut..........auf ein neues.....Grüssele Mausohr


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25.09.2013 15:35 (zuletzt bearbeitet: 25.09.2013 15:37)
avatar  Thea
#14
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Dann ist da noch eine Frage oder eine Angst, die mir unter den Nägeln brennt.
Ich habe einen Sohn, 22 Jahre, der auch nicht der Aufräumer ist. Ich mache aber nicht oder nur sehr selten den Fehler, hinter ihm herzuputzen. In dem Alter ist der Ordnungssinn wohl noch nicht so ausgeprägt, kennt man ja von seiner eigenen Jugend. Manchmal bin ich aber unsicher, ob man, wenn man penibel eine Ordnung anerzieht, dann das Messietum nicht erst aufkommen läßt oder der Sohn dann aufgrund eines Ordnungswahns der Mutter einen anderen psychischen Knacks bekommt.
Ich würde mich in meiner Haushaltsführung als normal sauber und ordentlich bezeichnen, ich renne nicht jedem Klecks auf dem Boden hinterher, aber einmal die Woche wird klar Schiff gemacht. Das versuche ich auch meinem Sohn (immer noch) beizubringen. Leider trug meine 22-jährige Lehre wenig Früchte. Nun bezieht er aufgrund seines Studiums seine eigene Wohnung 150km entfernt. Das heißt, er ist auf sich allein gestellt und ich kann auch nicht ständig schnüffeln gehen, ob er ab und zu putzt.
Da er oft bei seinen Großeltern zu Gast ist, bekommt er dieses Chaos dort auch mit und ich befürchte, er könnte sich ein schlechtes Beispiel nehmen in Bezug auf sein eigenes Leben.


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25.09.2013 18:15
avatar  Kayla
#15
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Entwarnung, Thea. Kinder haben ihre eigene Uhr. Ich hab 5 davon und keiner ist ein Messie, auch wenn meine älteste Tochter mal, auf Grund von Überforderung, Symptome zeigte, war das vorübergehend. Was für Kinder wichtig ist und das sehe ich jeden Tag bei Kunden, ist, dass sie wissen, WIE man aufräumt. Lach nicht, das ist ein echtes Problem.
Manche junge Leute entwickeln eine Art Pseudomessiesyndrom, dem man aber ganz schnell beikommt, indem man mit ihnen einen Plan macht, was und wie in welcher Reihenfolge erledigt werden muss. Sie haben das einfach nie gelernt und das oft bei intaktem Elternhaus.
Meine Kinder waren liederlich ohne ende, so sehr, dass es sogar mir oft viel zu viel wurde. Kaum waren sie ausgezogen und für ihre Buden selbst verantwortlich, war das vorbei. Bei allen. Was sie mitgenommen haben ist ein sehr lockerer Umgang mit dem Wort "traditionell".
Ich glaub meine Kinder hätten kein Problem damit, die Kaffeemaschine aufs Klo zu stellen und noch eine Kaffeebar drumrum zu bauen, vorausgesetzt sie würden das als praktisch empfinden. Eben so haben sie keine Probleme damit, zu zu geben, dass ihre heißgeliebten Kätzchen (wir sind seit Generationen eine Katzenhalterdynastie) mit im Bett schlafen dürfen. Aber die Wohnungen sind wie geleckt und das trotz Mehrschichtarbeit und vielen Kindern.
Es hat auch was Gutes gehabt, dass ich mich bei dem Thema immer schwergetan habe. Sie haben das "my home is my castle" mitgenommen und lassen sich da auch von keinem reinreden, wie irgendwas "sein muss".
Meiner Erfahrung nach werden Kinder aus Messiehaushalten, die Aufräumen trotzdem gelernt haben weit seltener selbst zum Problemfall als Kinder, die nicht genügend Nestwärme bekamen oder zu sehr behütet wurden. Also beobachte das einfach in Ruhe. Bei meinem Sohn war z.B. der springende Punkt, dass ihm auf einmal klar wurde, dass er für das tolle Sofa, dass er sich gekauft hatte, lange arbeiten musste, dass es also einen echten Wert darstellte und daher gepflegt werden musste. Solange Mama das bezahlte, war das ja kein Thema.
Ich glaube, wir Mütter stehen uns oft selbst im Weg und machen uns Gedanken um ungelegte Eier (geht mir aber oft genau so), statt mal vor unserer eigenen Tür zu kehren. Ich glaub, unsere Kinder haben mehr Grund, sich Sorgen um uns zu machen, als wir uns um sie.
Einen Vorteil hat das allerdings. Ich brauch mir keinen Herd kaufen. Mein Töchterlein war so begeistert, dass ich mich an die Küche rangetraut habe, dass sie sich gleich gekümmert hat, wo ich einen herbekomme.

Also. Nur die Ruhe und bissie Gelassenheit. Wir haben tolle Gören großgezogen.
Kay

Ordnung ist etwas Künstliches. Das Natürliche ist das Chaos. (Arthur Schnitzler)


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