Wie fühlte ich mich beim Entmüllen der Wohnung von meinen Vater

11.03.2021 08:51
#1
Th
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Hallo,

Erstmal weiß ich leider nicht, wie ich das mit dem @ hinbekommen.
Ich wurde gefragt, wie ich mich beim Entrümpeln fühle. Es sind viele Aspekte dabei.

Ich habe keine Angst vor der Reaktion meines Vaters. Er hat eine schwere Krankheit - er wird in absehbarer Zeit sterben - das ist viel schlimmer als alles andere. Ich bin mir durchaus bewusst, was das Entrümplen für meinen Vater heißt und welche Belastung es für ihn wäre. Ich bringe ihm regelmäßig alle neuen Zeitungen und auch die Tageszeitung bekommt er jeden Tag. Also kann er sich sich dort seine Sammelumgebung einrichten.


Wieso dann? Mein Vater hat mich gebeten, seine Betreuung zu übernehmen. Es ist das erste Mal, dass er um Hilfe gebeten hat. Er hat diverse Hilfsangebot erhalten - von einer Sozialarbeiterin der Wohnungsgesellschaft, von der Seniorenstellle der Stadt,.... er hat alles ausgeschlagen. Also fühle ich mich verpflichtet. Ich könnte dieses nicht Nicht-tun- es wäre ein leichtes einfach das Erbe auszuschlagen und die Vermüllung so zu lassen. Aber mein großer Bruder wohnt in einer Müllhalde. Das tut weh. Egal was vorher passiert ist.

Anders als viele andere Kinder als Angehörige habe ich nicht wirklich unter dem Messie-Sein meines Vaters als Kind gelitten. Wir haben im Studium bei uns gelernt, Besuch hat mitgegessen, Parties waren bei uns .... Erst kurz nach meinem Auszug ist mein Vater frühpensioniert worden. Dann ist es richtig schlimm geworden, da er viel mehr Zeit hatte zum Sammeln. Vorher war nur der Keller zu - und als Teenies wusste man, dass man Weinflaschen aus dem Keller mitnehmen konnte, ohne das er es jemals merkt. Die lagern dort noch immer fröhlich neben dem Eingemachten von meiner Oma.

Ansonsten ist es viel Ekel. Mein großer Bruder hilft nicht mit - das macht mich sauer. Aber es ist Ekel vor dem Silberfischen am Boden, Ekel vor der Toilette, die extrem verschmutzt ist, Ekel vor dem Geruch in der Wohnung. Mein Atem riecht danach noch nach der Wohnung - Ekel vor mir selbst. Anderseits sieht man beim Aufräumen die Mikrolevel-Organsiertheit. In Mitten des Chaos in Tütchen Zettelchen mit Gedanken und Büchern die er kaufen möchte. Immer wieder Schellhefter zu verschieden Themen. Mein Vater hat als Kind den Krieg erlebt, seine Heimat verloren und wurde mehrfach entwurzelt. Er wurde im jetzigen Polen geboren. Für die Polen war er nach den Krieg Deutscher, für die Deutschen dann Pole. Als er mit seiner Familie nach Deutschland kam, konnte er kein Deutsch mehr. Er hatte kein Zugang zu Bildung. Ich habe Abi gemacht und studiert. Das haben meine Eltern finanziert. Diese Option hatte mein Vater nicht. Mein Vater ist lokal politisch aktiv gewesen. Ich möchte, dass die Menschen ihn als den charmanten Kerl kennen und nicht als den verloderten Messie.

Ja - extrem viel Ambivalenz. Sauer bin ich nicht mehr auf meinen Vater - ich sehe die Wirrheit in seinem Chaos und die Überforderung.

Ganz liebe Grüße


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11.03.2021 13:20
#2
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Liebe @The_Daugther,
es tut mir leid zu lesen, wie groß die Belastung für dich ist. Und dass dein Vater so krank ist, das ist sehr traurig!
Ich bin selbst Tochter einer Messie-Mutter, die auch ein wunderbarer Mensch ist und die ich sehr schätze. Aus Erfahrung kann ich nur raten: wenn man aufräumt unbedingt den eigenen Körper gut schützen: Maske tragen (FFP3 Filter, Corona Maske oder mein Favorit: die Profi Masken der Firma Dräger. Dazu den P3 Filter kaufen) ! Haare mit Kopftuch oder Mütze bedecken, Handschuhe tragen, ggf. einen wegwerf Overall über die Kleidung ziehen. Das hilft zusammen schon sehr gut! Und dann ausreichend Pausen machen und nicht zu lange am Stück im Chaos und Schmutz bleiben, damit man sich seine Kräfte gut einteilt. Einen Zeitplan mit Pausen machen und gut auf den eigenen Körper hören, wann man aufhören muss für den Tag. Auch seelische Belastungen sind körperlich anstrengend, das ist hinreichend wissenschaftlich belegt.
Das Bad würde ich persönlich übrig lassen und dafür, wenn der Rest soweit fertig ist, einen Profi bestellen. Man muss nicht immer seinen Ekel überwinden. Du kümmerst dich schon so toll und liebevoll um deinen Vater - da kannst du dir erlauben dir den "Luxus" zu gönnen, dass du das Bad nicht selbst reinigst 😉
Alles Gute und liebe Grüße,
Cinderella


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25.03.2021 23:01
#3
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Der Tipp mit der FFP3 Maske war super - hilft enorm - Danke !!!!!


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26.03.2021 01:05
#4
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Super, das freut mich sehr!!! Auch wir Angehörigen können uns nur gegenseitig helfen, wenn wir uns trauen über das Thema zu sprechen...
Liebe Grüße!


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