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Mein Vater ist Messie- meine Mutter hält es nicht mehr aus
Hallo Kay,
in der akuten Phase bestand bei meinem Vater das Problem der Suizidgefahr. Er hat es mehrmals ausgesprochen, daß er an Selbstmord gedacht hat und deshalb waren wir froh, als er Medikamente verschrieben bekommen hat, die ihn etwas ruhiggestellt haben. Die Depressionen sind wahrscheinlich von ein paar Problemen in seinem Alltag ausgelöst worden, meint mein Vater. Als wir mit vereinter Kraft diese Probleme gelöst haben, ging es ihm wieder besser. Ob nun diese Probleme wirklich an seiner Erkrankung schuld gewesen sind, kann ich nicht beurteilen. Seit es ihm besser geht, spricht er nicht mehr darüber, es ist als ob er sich dafür schämt, diese Depressionen bekommen zu haben.
Es ist bei meiner Mutter auch nicht nur die finanzielle Angst, sie macht sich Sorgen darüber, was die Nachbarn tratschen könnten, denn wir wohnen in einem kleinen Dorf, dann sieht sie nicht ein, daß sie im hohen Alter nochmal komplett von vorn anfangen soll, sie hat ihre gesamte Arbeitskraft mit in das Haus gesteckt ......und und und. Dabei ist sie gesundheitlich wirklich sehr angeschlagen und auch schon selbst in psychiatrischer Behandlung.
Ein anderes Problem bereitet ihr, daß wenn sie auszieht, wir als Töchter dann mit diesem Chaos fertig werden müssen, denn irgend jemand muß sich trotzdem um Wäsche, Essen usw. kümmern. Mein Vater ist in der Beziehung sehr unbeholfen. Wir hatten und haben ja als Töchter trotz der Misere immer ein guter Verhältnis zu unserem Vater, er hat viel für uns getan und macht auch heute noch alles mögliche, wenn wir Hilfe brauchen, sei es im Garten oder kleine Reparaturen am Haus, wenn unsere Männer unter der Woche nicht zu Hause sind.
Das die Finanzen nicht das Problem sind, haben wir unserer Mutter auch schon mehrmals versucht auszureden, aber wahrscheinlich ist, wie Du schon sagst, der Leidensdruck noch auszuhalten. Meine Mutter kann sich eben manchmal noch an den positiven Eigenschaften hochziehen, die unser Vater ja auch noch hat, bevor sie in das nächste Loch fällt.
Hallo Thea!
Weißt du, auch wenn es Dich erschreckt - ich verstehe Deinen Vater. Ich meine, was das "nicht mehr drüber reden" angeht. Ich komme auch aus einer Familie, in der psychische Leiden früher tabu waren. Dafür bekam man nur ein "Reiß dich doch zusammen!". Und damit möcht ich keinesfalls den Eindruck erwecken, meine Familie sei lieblos gewesen. Dem war nicht so. Sie waren nur der Ansicht, dass solche Probleme einfach mit mangelndem Willen zu tun haben.
Mein eigener Vater war auch Messie und das mag komisch klingen, wenn man wie, dass seine Wohnung nach außen hin top in Ordnung war. Die zwei Seelen in seiner Brust führten zu einem seltsamen Ergebnis. Einerseits sammelte er Bücher und uralten Krimskrams bis die Statik seiner Wohnung gefährdet war. Die Neigung dazu stammte von meinem Großvater (der allerdings NUR ein extremer Sammler und in seinen Ordnungsgewohnheiten sehr pedantisch war), die Fähigkeit, das Chaos zu verbergen von meiner Großmutter, die meinem Vater (Einzelkind) immer hinterher geräumt hat, ihm aber auch sehr hohe ansprüche an das "Äußere" einer Wohnung beigebracht hat. Meine Stiefmutter hat auf Dauer dadurch selbst einen ernsthaften psychischen Knacks bekommen. Sie konnte sich aus sehr rationalen und nachvollziehbaren Gründen keinesfalls von meinem Vater trennen. Darüber hinaus war mein Vater originell, superintelligent und ... ein fürchterlicher Egomane, der nie eingesehen hätte, irgendein Problem zu haben. War er gerade gut drauf, war er bis ins hohe Alter ein Mensch, der andere problemlos für sich einnehmen (und auch einspannen) konnte.
Ist halt alles nicht so einfach. Wenn ich heute mit Menschen spreche, die sich von ihrem Partner getrennt haben, gießen sie immer einen Kübel voll Gülle über den Expartner aus und merken nicht einmal, dass das nichts über den Partner, aber viel über sie aussagt. Mein Mann war einfach toll, als ich ihn kennenlernte, so wie halt mein Vater früher auch. Es waren äußere Umstände und eine miese Erziehung, die aus ihm gemacht haben, was er am Ende war. Ich hätte niemals einen Menschen geheiratet, über den ich das nicht hätte sagen können.
Und so hofft man halt irgendwie die ganze Zeit, das doch noch irgendwie in den Griff zu bekommen, wendet alle Energie auf, in der Hoffnung auf ein Wunder. Was kann man da tun? Nix. Von außen gesehen sage ich heute, ein Mensch (Mann oder Frau), der nicht mehr wahrnimmt, dass er den Partner mit seinen Extremgewohnheiten überfordert und krank macht, muss sich fragen lassen, wo denn seine angebliche "Liebe" ist.
Schaut mal zu, ob ihr für Eure Mutter eine Kur bekommen könnt. Sie soll nicht drüber nachdenken, wie die Wohnung anschließend aussieht, sondern nur mal ausspannen. Oft hilft schon eine kurze Distanz, um Dinge für sich selbst anders zu ordnen.
Und sollte das klappen, dann haltet Euch in der Zwischenzeit auch zurück damit, Eurem Vater zu helfen. Denkt Euch einfach mal paar Ausreden aus, warum ihr keine Zeit habt. Damit meine ich keinen Streit. Es geht nur darum, dass es mal wahrnimmt, wieviel Lebenszeit andere in seine Probleme investieren. Vergiss eins nicht. Keine Minute, die ihr oder Deine Mutter, in dieses Chaos stecken, bekommt Ihr je zurück.
Mein Vater ist gestorben, ohne diese Probleme jemals als solche auch nur wahr zu nehmen. Meine Stiefmutter blieb zurück, psychisch so kaputt, dass die Überlegung besteht, sie unter Vormundschaft zu stellen. Dabei ist sie eine kluge Frau, Akademikerin, und äußerst sensibel und liebevoll. Aber dass sie den Absprung erst nicht schaffen konnte und, als es möglich gewesen wäre, nicht mehr wollte, hat sie zerbrochen. Ist DAS der Sinn des Ganzen?
Diese Art Märtyrer werden nicht heiliggesprochen.
Ich habe lange überlegt, ob ich das Folgende jetzt schreibe. Ich habe meinen Vater abgöttisch geliebt, bis wenige Jahre vor seinem Tod, meine Mutter sprach sogar von Hörigkeit. Schafft eure Mutter aus der Schusslinie und hört auf Eurem Vater zu helfen. Das ist wirklich der absolut einzige Weg, auf dem er vielleicht selbst begreift, dass er ein Problem hat. Anders schafft Ihrs nicht.
Ich drück Dich mal ganz fest und schick Dir ein bissie Kraft
Kay
#8
Auf jeden Fall habe ich gerade heute im Zusammensein mit Mutti gelernt, wenn Beziehungen schief "hängen" macht das was mit einem. Manchmal kann man nix tun, ausser hoffen, dass es wieder besser wird........vor allem scheint es vergeblich zu sein, wenn Eltern und Kinder als Erwachsene noch irgendwelche Kämpfe miteinander ausfechten,um Beziehung zu retten.
Besser, jeder lässt den andern sein, wie er ist,ohne deswegen die Beziehung als solche zu kappen. Punkt..........oder ?
Was mein jüngerer Stiefbruder gemacht hat,alle Kontakte abzubrechen und nur noch nichtssagende kurze Festgrüsse schreiben an den Vater, nee, das könnte ich nicht.
Ist aber kein Einzelfall. Tja....wir sollten es am besten alle halten mit Helga Hahnemann : ich bin, was alle sind,ein kleines Menschenkind.
Grüssele Mausohr
Liebe Kayla,
das, was Du so über Deinen Vater schreibst, trifft auch ganz doll auf meinen Vater zu. Einzelkind- Mutter hat immer hinter ihm hergeräumt und war selbst sehr penibel- von der Ehefrau wird das auch erwartet- superintelligent- nach außen immer tiptop- gesegneter Handwerker, der alles pedantisch genau ausführt. Ich vermute, der Tod meiner Oma, (seiner Mutter), die ihn abgöttisch geliebt und verwöhnt hat, hat diese Krankheit bei ihm ausgelöst. Wahrscheinlich ist diese Generation im Großen und Ganzen so erzogen worden, daß es solche Leiden, die nicht körperlich sichtbar waren, nicht gibt, bzw. nicht geben durfte. Da möchte ich auch nicht daran herummeckern, es bestürzt mich nur so, daß mein Vater während seiner depressiven Phase so redselig war, er hat uns immer seine Gefühle geschildert, auch mal geweint, was er vorher und auch jetzt nicht oder nie wieder getan hat. Wie kann man sein ganzes Wesen so kurzfristig umkrempeln ? Im Grunde genommen tut er mir sehr leid, daß er so leben muß und manchmal bin ich auch wütend darüber, aber das hilft ja niemandem weiter.
Ich weiß nicht, ob ich das richtig sehe, aber vielleicht kann man diese Krankheit besser akzeptieren, wenn man selbst aus einem Messiehaushalt stammt oder schon in der Kindheit Angehörige hatte, die so gelebt haben. Da ist einem das vielleicht nicht mehr so fremd. Aber das jetzt das erste Mal von seinen nächsten Angehörigen so erleben, das ist schon hart.
Mit meiner Mutter richtig umzugehen, ist momentan auch ein großes Problem. Sie hatte durch ihre viele Krankheiten in den letzten Jahren schon mehrere Kuren, die letzte im Frühjahr, sie würde sich nicht dazu überreden lassen, wen sie wüßte, daß mein Vater sich selbst überlassen bleibt. Wir haben ihr schon etliche Male vorgeschlagen, wir fahren sie für ein paar Wochen zu Verwandten, daß sie mal ausspannen kann, aber es führt kein Weg dahin. Eben aus diesen von Dir angesprochenen Gründen, daß die Wohnung hinterher total vermüllt ist und sie "ihre Räume" auch komplett verwüstet vorfindet.
Wir haben ihr auch schon vorgeschlagen, meinen Vater mal vor vollendete Tatsachen zu stellen und ihm mit Auszug zu drohen, ohne das irgend jemand sich danach um ihn kümmert, aber bei dem Vorschlag ist es geblieben. Ich glaube, meine Mutter hat noch einen sehr langen Weg vor sich, das alles richtig zu begreifen, vielleicht lebt sie auch gar nicht mehr so lange, dies jemals richtig einzuordnen, so hart das auch klingt und so schmerzlich das für mich ist. Manchmal habe ich auch schon gedacht, es wäre besser, mein Vater würde sterben, damit sie noch ein wenig Lebensqualität geniesen kann, aber dafür schäme ich mich auch sehr. Natürlich wünsche ich meinem Vater das nicht wirklich, ich liebe ihn ja auch. Also hofft man weiter auf ein Wunder.
Liebes Mausohr,
da ist etwas Wahres dran an dem, was Du schreibst.
Ich finde es auch nicht passend, wenn man als Tochter in der Beziehung seiner Eltern rumpfuschen muß und schlichten und beruhigen und trösten ......und und und. Manchmal komme ich mir vor wie in einer Kindertagesstätte. Manchmal möchte ich beide anschreien, sie sollen doch endlich aufwachen und die restliche Zeit, die ihnen noch bleibt, genießen. Manchmal denke ich auch, meine Mutter soll doch meinen Vater machen lassen, es akzeptieren, wie es ist und es sich im Rest des von ihr bewohnten Hauses schön machen. Oder endlich einen Schlußstrich ziehen, damit wir als Töchter auch wieder zur Ruhe kommen können.
Hallo Thea!
Na ja, das kann sein, aber es ist nicht die Regel. Kiner aus Messiehaushalten, sofern wir von Messies reden und nicht von asozialen Faulpelzen (o ja, da ist ein Unterschied), haben in der Regel, siehe meine Kinder, sehr gepflegte Haushalte. Bei meinen ist das günstigerweise verbunden mit eienr gesunden Nutzordnung, also sauber genug für die Hygiene und liederlich genug fürs Gemütliche.
Schon als sie noch bei mir lebten, schaffte ich es nur unter Aufbietung aller Kräfte, einen gewissen Status Quo aufrecht zu erhalten. Zwei Dinge haben da aber vermutlich eine Rolle gespielt. Meine Kinder hatten den Respekt vor mir verloren, weil ich meine Ehe aufrecht erhalten habe und dadurch immer kleiner wurde. Als ich mich trennte, gewannen sie auch die Achtung vor mir zurück. sie WISSEN, haben es teilweise selbst am eigenen Leib erlebt, wie verdammt hart das alles war und wie schleppend der darauffolgende Ablöseprozess sich entwickelte. Kunststück mit drei Kindern im pubertären Vollwahnsinn.
Das Extreme der Situation war ihnen bewusst, daher haben sie mir niemals Vorwürfe wegen meiner psychischen Probleme gemacht.
Danebenher habe ich im sozialen Bereich gearbeitet. Meine Kinder waren oft bei mir auf Arbeit und haben Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen kennen gelernt, genau wie Menschen mit schwersten psychischen Störungen. Einer meienr Söhne hat das sogar selbst zum Beruf gemacht. Sie hatten nie Berührungsangst damit und haben niemals Faulheit mit diesen dingen verwechselt. Das hat mir natürlich schwer geholfen.
Mauseöhrchen, wie ich schon mal sagte, herrschte zwischen meienr Mutter und mir fast 20 Jahre Funkstille. Das ging nicht von mir aus, ich bin ein Mensch, der anderen ihre Macken sehr gut durchgehen lassen kann, aber meine Mutter hat lange Jahre nicht verstanden, dass ich niemals und zwar wirklich nie, nie, nie, niemals so denken und fühlen kann wie sie, oder wie sie sich das vorstellt. Erst mit dem Alter kam bei ihr die nötige Gelassenheit, zu akzeptieren, dass es mir auf meinem Weg prinzipiell gut geht, dass ich all die Dinge, die schief gelaufen sind gar nicht bedauere und mich als Mensch auch gar nicht ändern möchte.
Damit meine ich nicht die Rümpelei, sondern Dinge, die mich wirklich ausmachen, z.B. eine gewisse Blauäugigkeit im Bezug auf Menschen. Ich mag Menschen, haben keinerlei Vorschussmisstrauen und daran ändert auch die eine oder andere schlechte Erfahrung nix. Mom nennt sowas "gutdumm" und übersieht dabei z.B., dass sie nicht weniger, sondern eher mehr schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht hat als ich, obwohl sie vorsichtig war.
Ich will das Gute im Menschen sehen, das Schlechte sehen die anderen schon genug und das macht mir Freude, ganz egal, wie es am Ende ausgeht.
Heute lässt Mom das so stehen, wie auch viele andere Dinge. Es ist ein wenig lustig, dass sie mal meinte, sie sei erst heute, im hohen Alter, an einem Punkt der Gelassenheit angelangt, den ich schon mit 35 erreicht hatte ;-). Seltsames Lob.
Es ist mir zu anstrengend, alles im Leben daraufhin ab zu klopfen, ob eine Katastrophe drinsteckt. Das ist für mich so, wie man über einen Arztbesuch sagt:
Geh niemals als völlig gesunder Mensch zu einem Arzt. Wenn der Dich gründlich untersucht hat, bist Du sterbenskrank.
Daher - nein, Eltern und Kinder sollten als Erwachsene weder aneinander herum erziehen, noch vom Anderen irgendwelche Veränderungen "fordern" (solche Probleme wie von Thea mit ihrem Vati mal außen vor gelassen).
Es gibt 1 Mio. Themen über die man reden und lachen kann und die übrigen hunderttausend klammert man halt einfach aus.
Ich werde nächste Woche wieder mal zu Mutti zu Besuch fahren und ich freu mich dolle drauf. Heute ist das alles ganz ruhig und friedlich. Schade um die Vergeudeten Jahre.
So. Und jetzt geh ich schlummern, morgen früh ist Zahnarzt angesagt.
Gutnachti Welt
Kay
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