obwohl ich nicht darauf gehofft hatte, kam unser Sohn tatsächlich zu meinem "Ultimatum" heute um 14.00 Uhr zum Gespräch. Dabei habe ich versucht, ihm klar zu machen, dass wir keinen anderen Rat mehr haben, als ihn vor die Tür zu setzen....
aber erst mal nach und nach:
an Weihnachten waren mein Mann und ich zwei Wochen im Ausland, unser Sohn hatte keinen Urlaub mehr, um mit zu fliegen. Also haben wir ihm erlaubt, mit seiner Freundin zusammen im Haus zu bleiben und die Zeit zu genießen. Ich habe die Wohnung noch mal auf Vordermann gebracht und ausreichend "Proviant" besorgt. Wir hatten auch ausgemacht, dass sonstige Ausgaben für Essen und Trinken nach unserer Rückkehr übernommen werden, für beide! Während unserer Abwesenheit hatten wir alle paar Tage Kontakt über Whatsapp, dabei schien alles Bestens, wir waren mächtig stolz... Dann kam eine Nachricht, zwei Schubladen in der Küche wären herausgebrochen und der Wasserhahn abgebrochen, die Küche habe ein wenig "unter Wasser gestanden"... Wir haben die Beiden getröstet und gebeten, nichts weiter zu unternehmen, die Küche ist schon alt, aber Papa repariert das wieder, keine Sorgen! Als wir dann nach Hause kamen, kam uns aber ein merkwürdiger Geruch entgegen, und eine Kerze brannte auf der Treppe, obwohl wir eindringlich gebeten hatten, auf gar keinen Fall Kerzen, den Kachelofen oder sonstiges offenes Feuer an zu stecken, so lange wir nicht da sind. Aber egal, dachte ich, sieht ja alles gar nicht so schlimm aus, sie haben ja tatsächlich offensichtlich vor kurzem sauber gemacht. Aber als ich die Kerze gelöscht habe, kommt unter dem Teller ein riesiger Brandfleck auf dem Teppichboden zum Vorschein. Auch der Geruch war plötzlich deutlich zu identifizieren, es war im Haus exzessiv geraucht worden. Da unser Sohn bis zu unserer Abreise uns immer stolz erzählt hatte, dass er nicht raucht, haben wir ihn und die Freundin dazu befragt, woraufhin sie meinte, er solle nun endlich mal zugeben, dass er schon so lange raucht. Auch dann waren wir noch wirklich ruhig. Als ich dann nicht mehr in unser Gäste-/Aquarienzimmer konnte, weil alles vollgestellt war und ich sah, dass jemand jede Menge Futter in meine Aquarien geschüttet hatte, war ich schon
sehr sauer. Am darauffolgenden Morgen habe ich mir erlaubt, die beiden zu wecken und verlangt, dass sie den von ihnen verursachten Saustall wieder in Ordnung bringen, wurde ich von der Freundin übelst beschimpft, sie würde sich nicht wie eine Dienstbotin behandeln lassen... Alles lief aber trotzdem von meiner Seite sehr ruhig ab. Und schwupps, waren beide verschwunden und bis auf weiteres war mein Sohn nicht mehr zu Hause. Da eine Bekannte, der ich meine Erlebnisse erzählt hatte, mit riet, als ältere und "weisere" dem Mädel wieder entgegen zu gehen, habe ich sie und unseren Sohn zusammen mit unserem Ältesten und dessen Freundin an meinem Geburtstag zum Essen eingeladen. Am Tag darauf ging das Auto unseres Junior "unrettbar" kaputt, der große Bruder lieh im sein Auto, dass er eigentlich gerade verkaufen wollte. Innerhalb von zwei Wochen hat Junior es geschafft, das Auto von einem Schätzwert von 800 bis 1000 Euro auf unverkäuflich herunter zu wirtschaften: Innenteile abgebrochen, total verdreckt und vor allem ein Nichtraucherfahrzeug total zugequalmt.
Innerhalb von zwei Wochen hat unser Junior einer Verwandten einen sehr guten Gebrauchtwagen für lau abgeschwatzt, ich habe das Fahrzeug überführt, angemeldet und versichert. Aber bis heute sein Schrottwagen noch nicht abgemeldet und sein Girokonto ist wieder mächtig überzogen, da er nun für zwei Fahrzeuge zahlen müsste.
Soviel zu der Vorgeschichte der letzten Monate.... jetzt zu den Punkten von numi:
An das Messie Forum habe ich mich gewandt, weil ich über eine Internetseite unseren Sohn in folgender Erklärung wieder erkannt habe:
[quote]Vier Typen von Messies
Werner Groß (Jg. 1949, Dipl.-Psychologe) unterscheidet vier Typen von Messies:
...
die «Zeit-Chaoten», die immer zu spät kommen oder Termine verbummeln, bis sie ihre Freunde oder den Job verlieren,
die «Chaosarbeiter», die alles beginnen und nichts zu Ende bringen,
und die so genannten «Ich-Chaoten», die von allem etwas verstehen, sich für alles begeistern, zwischen Themen, Trends und Interessen umherirren, ohne je bei irgendeiner Sache zu bleiben.
Ausschnitt aus: Renate Kingma: Wenn Sammelwut krankhaft wird (Berliner Morgenpost, 4.5.2002) ...
[/quote]
numi Punkt 1:
wir lieben unser Kind, emotionaler Abstand als Eltern ist verdammt schwer herzustellen, ihn vor die Tür setzen zu wollen ist die pure Verzweiflung, weil wir (begründete) Angst haben, nach unserer Rückkehr nur noch die Grundmauern unseres Hauses vor zu finden ...
Punkt 2:
es gibt bei uns keine Eskalation im typischen Sinne, wenn unser Sohn im Hause ist (was seit einem Jahr kaum der Fall ist) dann ist es viel harmonischer, als man annehmen müsste. Wir haben heute mittag noch mit seinem früheren Therapeuten telefoniert, er hatte die gleichen Befürchtungen wie wir, da er nur im Moment lebt, kein Gestern und kein Morgen kennt, dass es ein großes Risiko ist, dass er sich etwas antut, wenn er alleine gelassen wird. Aber sobald mein Mann ihn wieder in Haus gelassen hatte, war alles vergessen und die Diskutiererei ging von vorne los...
zum Thema, aus Konsequenzen lernen: schon als kleines Kind hat unser Sohn nicht aus Strafen oder Konsequenzen eine Lehre für die Zukunft gezogen. Er hat die Konsequens mehr oder weniger maulend hingenommen, "ausgesessen" und im Anschluss die gleiche "Tat" wieder begangen, egal wie oft. Ich erinnere mich wie heute an die großspurigen Worte eines Lehrers, der meinte, er würde ihn schon knacken, wenn er oft genug die Konsequenzen (sauberes Schreiben o.Ä) in Form von 10x, 100x oder tausendmal neu schreiben hätte erfahren müssen, würde er es schon lernen, dafür würde er als Pädagoge schon sorgen! Nach einem Jahr hatte auch er es nicht geschafft und alles war genau wie vorher...
Auch der dreijährige vollstationäre Aufenthalt in einer (sehr guten) heilpädagogischen Einrichtung, bei dem alle sicher waren, sie würden unserem Kind schon die Regeln beibringen können, sind gescheitert... Das Jugendamt sah keine Veranlassung mehr, uns und ihn zu unterstützen, trotz starker Bedenken der Einrichtung und haben unseren Sohn fast über Nacht zurück zu uns geschickt und wir waren wieder mit ihm stark überfordert.
Zum Thema Lebensangst, das ist etwas, was unseren Sohn sehr zeichnet. Aber das aus unserer Sicht völlig unbegründet, er kann (wenn er will oder besser, es sich gerade zutraut) super kochen, kann seit seinem 13. Lebensjahr seine Wäsche waschen und kann auch perfekt aufräumen und putzen. Nur wenn er egal vor was auch immer Angst hat, dann fängt er nicht mal damit an, nicht einmal mit den "einfachsten" Dingen...
Das er unsere "heile Welt" zerstört, darin kann ich mich/uns nicht wieder erkennen. Ich bin mir sicher, dass er das nicht will, vielmehr sieht er in uns eine Perfektion, die aber gar nicht so vorhanden ist. Wir sind unserer Fehler und Schwächen ziemlich bewusst, glaube ich, und gar nicht so perfektionistisch, aber es gibt einfach Dinge, die uns Eltern wichtig sind. Wir legen Wert auf ein Mindestmaß an Ordnung, um uns beispielsweise bei unerwartetem Besuch nicht schämen müssen. Deshalb wünschen wir, dass unser Badezimmer unser Wohnzimmer und unser Flur so sauber und ordentlich bleibt, dass sich ein typischer Mittelstands-Mitteleuropäer nicht schämen braucht. Sein eigenes Zimmer, ist für uns eine Tabu-Zone, in das wir nur nach Anklopfen und "Erlaubnis" eintreten oder notgedrungen bei seiner Abwesenheit, wenn es unbedingt sein muss, weil elektrische Geräte im Zimmer extrem laute Geräusche machen oder etwas von unseren Sachen (z.B. Unterwäsche meines Mannes oder unser Telefon,und, und ...) zu suchen, die er sich "nur ausnahmsweise mal geborgt hat"...
Sein Zimmer habe ich das letzte Mal vor etwa vier Jahren aufgeräumt und das auch nur, weil er damals aus dem Heim kam und er sich so geborgen wie möglich fühlen sollte, nachdem er so unerwartet aus seinem Umfeld im Heim herausgerissen wurde... Später habe ich mich zwar häufig bei ihm über die Ordnung, die Hygiene und den Gestank beschwert, aber nichts damit erreicht. Nur das, was in den gemeinsam genutzten Räumen aufgeräumt und geputzt werden musste, habe ich selbst erledigen müssen, da er sich immer aus dem Staub gemacht hat und ich ihn nicht anketten konnte, er war ja "erwachsen"...
Außerhalb des Konfliktes kann unser Sohn der charmanteste Gesprächspartner sein, er kann manchmal Situationen mit wenigen Worten so perfekt auf den Punkt bringen, dass es einen (im positiven Sinne) umhaut! Er hat es geschafft, mich mit wenigen Worten zu einer psychologischen Beratung zu überreden, nachdem in nach dem Verlust meines Jobs in eine schwere Depression geschliddert war und ohne Hilfe nicht mehr heraus kam. Das war ganz alleine sein Verdienst! Er hat mich dadurch aus der Depression geholt, die ich inzwischen erfolgreich überwunden habe. Ich weiß das, aber er ist sich dessen sicher nicht bewusst! Und das wir Familie, also ich seine Mama, sein Papa, seine zwei Brüder und sein Opa ihn wirklich lieb haben, dessen ist er sich nur dann bewusst, wenn wir es ihm Auge in Auge sagen, ich denke, er kann es grundsätzlich nicht spüren. Als kleines Kind wurde er deswegen auch jahrelang als atypischer Autist psychiatrisch betreut, bis es irgendwann hieß, diese Diagnose könne auf gar keinen Fall zutreffen... so viel zum Thema medizinische Diagnosen!
Deine Frage, ob ich mich von irgendwem in der Erziehung sabotiert gefühlt habe, kann ich irgendwie nicht beantworten. Auf keinen Fall gab es innerhalb unserer kleinen Familie grundlegende Differenzen, wie wir Erziehung definieren. Nur meinem Mann war früher nicht klar, warum ich häufig mich so hilflos gefühlt habe und konnte nicht glauben, dass es mit unserem Jüngsten so ein Problem ist. Er ging auch damals davon aus, das es wohl daran lag, dass ich nicht genau genug erklärt habe, er verstand damals nicht, dass ich immer davon sprach, dass unser Sohn und ich irgendwie in zwei verschiedenen Sprachen sprechen.... Ach ja, und heute wirft uns unser Kind vor, überall würde er besser behandelt, als bei uns. Andere Familien würden Spieleabende zusammen machen, zusammen basteln usw. Dabei ignoriert er aber völlig, dass er es war, der nicht mit uns spielen wollte, er wollte schon als Baby nicht gerne schmusen, interessierte sich nicht für Vorlesen oder gemeinsame Spiele...
Noch zur letzten Frage, zur Freundin: ich habe sie bis gestern immer noch in Schutz genommen, sie ist ein Mädchen (ich glaube noch nicht ganz 18) mit mindestens so vielen Problemen wie unser Sohn. Sie ist auch in intensiver psychologischer Betreuung, sie verletzt sich selbst und ich vermute, sie hat auch eine Essstörung. Sie gibt sich als tätowierte und gepiercte Punkerbraut, hat aber wie unser Sohn etwas sehr sehr liebenswertes. Aber nachdem sie mich gestern zum zweiten Mal massivst beleidigt hat, werde ich mich nicht auch noch mit ihr auseinander setzen, dazu fehlt mir echt die Kraft. Ich hatte so sehr gehofft, dass die beiden zusammen sich vielleicht gut tun, aber auch in ihrer Zweierbeziehung gibt es wohl ein ständiges Auf- und Ab, das ist mir wirklich zuviel.
Puh, das war nun echt viel, aber darüber zu schreiben, hilft mir ein doch ein wenig. Danke, wenn jemand sich die Zeit nimmt, das zu lesen und vielleicht den ein- oder anderen Kommentar schreibt, der mir und unserem geliebten Sorgenkind helfen könnte... (Bitte keine Vorwürfe, die verkrafte ich nicht auch noch)
BellaDonna