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erwachsenen Sohn rauswerfen?
#1
Hallo und guten Tag,
unser geliebter Sohn, jetzt 19, macht uns seit seinem dritten Lebensjahr immer wieder große Sorgen. Wir hatten seit dieser Zeit bis zu seiner Volljährigkeit immer durchgehen psychologische Betreuung, mit wechselndem Erfolg. Nun aber, da er von rechtswegen Erwachsen ist, haben wir keine Möglichkeit mehr, auf ihn angemessen einzuwirken. Trotz bescheinigter gut durchschnittlicher Intelligenz hat er nur einen qualifizierenden Hauptschulabschluss. Diesen hat er aber im Prinzip nur durch kontrolliertes Lernen von täglich maximal einer Stunde über einen Zeitraum von etwa 4 Wochen mit Superergebnis erreicht, obwohl seine Lehrer vorher sogar noch daran gezweifelt hatten, dass er überhaupt den "normalen" Abschluss schafft... Aber das nur am Rande...
Nach dem Abschluss wurde er aus der Betreuung in einer stationären heilpädagogischen Einrichtung als "nicht mehr unterstützungsbedürftig" rausgeschmissen und wir mussten in kurzer Zeit eine Ausbildungsstelle finden. Diese musste er nach zwei Jahren abbrechen, war daraufhin ein Jahr lang in der berufsvorbereitenden Maßnahme des Jobcenters. Nun macht er eine neue zweijährige Ausbildung.
Nun aber zum eigentlichen Problem: er hat kein Verständnis, dass es in unserem Zuhause ein Minimum an Regeln gibt, an dass ich (seine Mama), mein Mann (sein Papa) und er sich halten müssen, z.B. dass bei ums im Haus nicht geraucht wird, dass unser gemeinsam genutzter Bereich, wie Küche, Bad, Waschküche und Wohnzimmer in einem Zustand bleibt, bei dem man sich auch vor Gästen nicht schämen muss, dass das Eigentum von uns allen einfach pfleglich behandelt wird. Genau das sieht er nicht ein. Sobald wir das Haus verlassen und er alleine darin sich aufhält (oder mit seiner ebenso chaotischen Freundin), hinterlässt er eine "Spur des Chaos".
Besonders unangenehm war es uns, als wir entdecken mussten, dass währen unserer Abwesenheit überall "rumgeschnüffelt" wurde, alle meine Lippenstifte und Parfume-Fläschchen ausprobiert, unsere Schränke durchforstet, unsere schon 20 Jahre intakte Acrylbadewanne mit Zigaretten-Brandflecken verziert, mein Parfume als Duftverstärker gegen den Nikotingeruch auf BRENNENDE!!! Kerzen gesprüht, Brandflecken in unsere (Eltern-) Bettwäsche gemacht, alle meine rund 20 Mini-Aquarien versehentlich durch verbotenes Füttern zerstört, die Waschmaschine-, Wäschetrockner, Waschküche mit gewaschener und ungewaschener, nasser und trockener Wäsche, vermischt mit anderen Utensilien... Ich könnte leider noch eine Weile so weiter machen...
Da unser Sohn aber jedem Gespräch aus dem Weg geht, nur nach Hause kommt, wenn wir nicht da sind, telefonisch nicht erreichbar ist, wissen wir uns keinen Rat mehr. Müssen wir denn das große Risiko auf uns nehmen, dass unser Häuschen "aus Versehen, ganz ohne Absicht, Entschuldigung!!!" abbrennt, nur weil unser Sohn sich nicht an Regeln und Absprachen halten kann?
Kann uns jemand einen Rat geben, wie wir unserem Sohn die Augen öffnen können, dass er endlich lernt, erwachsen zu werden und Verantwortung für sein Handeln zu tragen und nicht nur zu glauben, mit einer Entschuldigung und dem Vorsatz, zukünftig alles besser zu machen, ist alles erledigt?
Vielen Dank im Vorraus von Mama und Papa eines geliebten Chaoten
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Hallo BellaDonna,
ich kann sehr gut verstehen, dass dich das alles wahnsinnig belastet. Ich weiß zwar anhand dieses Textes nicht genau, warum du dich an ein Messieforum gewandt hast, aber das macht eigentlich nix, jetzt bist du hier, und vielleicht weiß ich ja wirklich einen Rat.
Wenn du dir die anderen Angehörigen-Beiträge anschaust, wirst du feststellen, dass ich allen - in individuellen Variationen - das Gleiche rate:
1. Man braucht emotionalen Abstand zu dem Problem. Es ist nötig, seine Gefühle so weit unter Kontrolle zu bringen, dass man entweder in der entscheidenden, hoch eskalativen Situation einen kühlen Kopf behalten und klüger reagieren kann, oder - noch besser - dass man so sachlich und rational bleibt, dass man den Konflikt erst gar nicht wieder so stark eskalieren lässt.
Normal und verständlich wäre, nach deiner Rückkehr in dein verwüstetes Zuhause einen Wutanfall zu bekommen, alle Beteiligten anzuschreien, hinauszuwerfen und wenn möglich irgendwie zu bestrafen (was zunehmend schwieriger wird, je mehr sich der Konfliktpartner deinem Einfluss entziehen kann, und genau das tut er ja - er haut ab, versteckt sich und ist telefonisch nicht mehr erreichbar). Und danach? Da sehe ich dich vor mir, wie du - rauchend vor Zorn - das Chaos beseitigst, um deine Fische weinst und dich total hilflos, unglücklich und ungerecht behandelt fühlst.
Ja, ich würde dann wohl auch anfangen, darüber nachzudenken, den anderen "einfach" (wobei es ja alles andere als einfach ist) vor die Tür zu setzen.
2. Sage ich den Angehörigen immer wieder, dass sie den anderen nicht dadurch ändern können, dass sie auf die gleiche Weise auf ihn einwirken, auf die sie vorher schon tausendmal vergebens gesetzt haben. Man kann nur sich selbst - also das eigene Verhalten - ändern, und dadurch den Teufelskreis unterbrechen, in dem man sich befindet. Du kannst IHM also nicht die Augen öffnen. Aber du kannst DEINE Augen öffnen, und herausfinden, was dein Eigenanteil in diesem Konflikt ist. Indem du herausfindest, wie du dich immer wieder falsch (besser: eskalativ) verhältst, kannst du eine Möglichkeit finden, dich ein mal im entscheidenden Moment richtig (de-eskalativ) zu verhalten - und zu prüfen, ob deine Verhaltensänderung auch eine Verhaltensänderung bei ihm auslöst. Wichtig ist dabei, sich von seinen Emotionen nicht überwältigen zu lassen, und sich dann doch wieder anders zu verhalten, als man es sich vorgenommen hatte.
Ich betone ausdrücklich, dass ich das JEDEM sage. Ich sage NICHT auf den Einzelfall bezogen "Du bist ja eigentlich selbst Schuld daran, dass dein Sohn so ist", sondern ich sage in individuellen Variationen: "Etwas läuft schief, und indem wir gemeinsam analysieren, was genau, können wir versuchen, es zu korrigieren. Und es ist wesentlich einfacher, das _eigene_ Verhalten zu korrigieren, als das Verhalten des anderen." Also versuche bitte, nicht wütend auf mich oder meine Worte zu werden. Ich habe keinen Grund, dich anzugreifen, oder dir Vorwürfe zu machen. Ich kenne dich nicht, und möchte nur versuchen, euch zu helfen, wieder zu einem friedlichen Miteinander zurück zu finden. Ich kann dafür leider nicht mit deinem Sohn "arbeiten", sondern nur mit dir.
Wie du vielleicht in den anderen Beiträgen bemerken wirst, reagieren viele auf den Vorschlag, bei sich selbst anzufangen, sehr emotional. In ihren Ohren klingt das wie eine Schuldzuweisung. Wir sprechen hier NICHT von Schuld. Die Suche nach Schuld - oder Schuldigen - hilft niemandem weiter. Wir nennen das hier ganz neutral "Eigenanteil" an einer Situation. Es spielt keine Rolle, ob man die Situation verursacht/initiiert hat ("Täter"), oder ob man sich als derjenige fühlt, der "behandelt" wird, der nur "reagiert" ("Opfer") - ändern kann man in BEIDEN Positionen etwas. Und wenn man einen solchen Teufelskreis mit etwas Abstand genauer beleuchtet, so stellt man meistens fest, dass sich beide Seiten als Opfer fühlen - und das möglicherweise sogar völlig zu Recht.
Nur als Täter erkennt sich ohne gezielte Anleitung meistens keiner. Also, wenn man einen Teufelskreis ernsthaft unterbrechen will, muss man sich die Frage stellen:
Wann, durch welches Verhalten in dem Konflikt, werde ich in den Augen des anderen zum Täter? Wodurch verletze, kränke, provoziere, beschäme, verängstige ich ihn?
Und genau dieses verletzende, kränkende, provokative Verhalten gilt es dann "einfach" zu unterlassen. Natürlich nicht dauerhaft, das wäre sprichwörtliches "herunterschlucken" und ewiges Unterdrücken von Emotionen - das geht nicht lange gut. Aber es soll ja auch nicht auf Dauer sein, sondern es soll nur beiden Beteiligten die Möglichkeit geben, von dem "hochemotionalen Trip" runterzukommen, und wieder wie normale Menschen miteinander umzugehen. Wie die Menschen, die sie beide eigentlich sein wollen. Menschen, die einander ja eigentlich gern haben, und das auch zeigen können.
Meine Erfahrung ist die, dass Menschen, die sich nicht um Konsequenzen scheren (möglicherweise auch nur in Teilaspekten ihres Lebens, in anderen läuft es hingegen gut), vor diesen Konsequenzen zu sehr beschützt wurden. Die negativen Auswirkungen ihres Handelns mussten sie nicht erleben. Schmeißt man sie aber vom einen auf den anderen Tag ins kalte Wasser, dann werden sie damit oft überhaupt nicht fertig und stürzen total ab. Manchmal ist das nötig. Manchmal muss man ganz tief sinken, bevor man aufwacht. Aber es besteht immer das Risiko, dass "ganz tief unten" immer noch nicht tief genug ist. Und welche Eltern wollen es aus- und durchhalten müssen, mitzuerleben wie ihre Kinder ihr vertrautes Muster, mit Stress und Problemen umzugehen wiederholen: Jammern, davonlaufen, die Schuld bei anderen suchen, laut und immer lauter, bis sich - hoffentlich - endlich jemand (meistens heißt das: die Eltern, denen die Situation am Ende unerträglich geworden ist...) erbarmt, und sie aus ihrem Jammertal errettet.
Ganz ähnlich verhält es sich bei etwas, das ich "Lebens-Angst" nennen möchte. Wenn jemand mit alltäglichen Dingen überfordert ist (auch hier zumeist, weil er davor in seiner Kindheit und Jugend zumeist im Übermaß beschützt oder verschont wurde), er das aber nicht zugeben kann, weil er sich schämt, und weil er die Erfahrung gemacht hat, schon im Fall eines auch nur angedeuteten Eingeständnisses verhöhnt oder niedergemacht zu werden. ("Du willst echt behaupten, dass man in dem Alter nicht weiß, wie man Wäsche wäscht? Das kannst du deinem Friseur erzählen!")
Aber es ist mein Ernst. Manche Menschen verbergen ihre Angst sehr, sehr überzeugend hinter einer Fassade aus Überheblichkeit, Respektlosigkeit und Provokation. Also warum nicht? Warum kann dieses Verwüsten nicht auch eine Art von Hilferuf sein? Vielleicht ist es auch eine Form von "Rache" dafür, dass er wegen eurer Versäumnisse (oder weil er auch nur MEINT, ihr hättet etwas versäumt) nicht richtig Wäsche waschen kann? Es kann auch sein, dass es ihn befriedigt, eure "heile Welt" zu zerstören, weil er aus völlig anderen Gründen wütend auf euch ist. Kommt dir davon vielleicht irgendwas bekannt oder plausibel vor?
Meine Frage an dich wäre also, ob du dich darin wiedererkennen kannst, dass du deinen Sohn - aus welchen Gründen auch immer - in vielleicht zu hohem Maße vor Konsequenzen und "mühseligen" Alltagsdingen beschützt haben könntest? Wie war das in seiner Kindheit, musste er zum Beispiel im Haushalt mit anpacken? Hat er von dir gelernt, wie man Wäsche wäscht (und musste das auch tatsächlich regelmäßig anwenden)? Es gibt in einem gemeinsam bewohnten Haushalt immer Bereiche, für die der Theorie nach jeder selbst verantwortlich sein sollte, und Bereiche, die gemeinsam benutzt - und idealerweise gemeinsam in Ordnung gehalten werden. Habt ihr darauf Wert gelegt? Wenn ja, welche Konsequenzen ergaben sich für ihn, wenn er zum Beispiel seine Schmutzwäsche nicht herbei gebracht, oder seinen Anteil am gemeinsamen Haushalt nicht erfüllt hat? Hast du sie dann zum Beispiel aus dem Zimmer geholt, und trotzdem gewaschen? Seinen Teller mit abgeräumt, seine Turnschuhe seufzend in den Schuhschrank gestopft, weil sie dir im Weg waren?
Habt ihr auf die Regeln des Zusammenlebens nur mit Worten gepocht, oder habt ihr dem Zuwiderhandeln auch Konsequenzen folgen lassen? Wenn ja, wie sahen die aus? Hattet ihr ein klares System, mit dem ihr versucht habt, sein Handeln zu lenken (unerwünschtes abstellen, erwünschtes fördern?)
Wie ist euer momentaner Umgang außerhalb eines Konflikts? Funktioniert ihr abgesehen davon als Familie? Spürt euer Sohn noch, dass er so sehr geliebt wird?
Und wenn du ausschließen kannst, dass du selbst möglicherweise zu inkonsequent gewesen sein könntest, wie sieht es denn dann mit dem restlichen Umfeld aus? Gibt es da (abgesehen von seiner Freundin) Personen, durch die du dich bei der Erziehung eures Sohnes gelegentlich "sabotiert" fühlst, oder in der Vergangenheit sabotiert gefühlt hast? Sieht dein Mann es vielleicht "zu locker", oder die Großeltern, Onkels/Tanten?
Meine letzten Fragen gelten seiner Freundin: Du bist ja nicht sehr gut auf sie zu sprechen, das ist klar. Kannst du mir vielleicht ein bisschen mehr von ihr erzählen? Was ist das für eine, wie verhält sie sich dir gegenüber, und wie verhältst du dich ihr gegenüber, und wie sprichst du mit deinem Sohn über sie, wenn sie nicht da ist? Würdest du sagen, dass sie deinen Sohn "benutzt", um sich hinter ihm vor etwas oder jemandem zu verstecken, oder ist es womöglich umgekehrt, und die Anwesenheit der Freundin bewahrt deinen Sohn davor, dass ihr als Eltern ihn euren (gerechten) Zorn in vollem Umfang spüren lässt?
#3
Hallo liebe Numi,
vielen lieben Dank für deine ausführliche Antwort. Da du dich so sehr engagiert für mein/unser Problem interessierst, darf ich direkt alle deine Anmerkungen hier so intensiv besprechen, ich hatte gar nicht auf eine so intensive Antwort zu hoffen gewagt[smile], belaste ich damit nicht zu sehr?
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nein, ich verbringe nur so viel Zeit hier im Forum, wie ich dafür aufwenden möchte, und ich antworte, wenn ich Zeit habe (und mir was einfällt, das sich zu antworten lohnt). Ein sehr hilfreicher Vorteil für mich ist außerdem, auf ein paar hundert Tastaturanschläge pro Minute zu kommen ;) Aber nett, dass du fragst =)
#5
obwohl ich nicht darauf gehofft hatte, kam unser Sohn tatsächlich zu meinem "Ultimatum" heute um 14.00 Uhr zum Gespräch. Dabei habe ich versucht, ihm klar zu machen, dass wir keinen anderen Rat mehr haben, als ihn vor die Tür zu setzen....
aber erst mal nach und nach:
an Weihnachten waren mein Mann und ich zwei Wochen im Ausland, unser Sohn hatte keinen Urlaub mehr, um mit zu fliegen. Also haben wir ihm erlaubt, mit seiner Freundin zusammen im Haus zu bleiben und die Zeit zu genießen. Ich habe die Wohnung noch mal auf Vordermann gebracht und ausreichend "Proviant" besorgt. Wir hatten auch ausgemacht, dass sonstige Ausgaben für Essen und Trinken nach unserer Rückkehr übernommen werden, für beide! Während unserer Abwesenheit hatten wir alle paar Tage Kontakt über Whatsapp, dabei schien alles Bestens, wir waren mächtig stolz... Dann kam eine Nachricht, zwei Schubladen in der Küche wären herausgebrochen und der Wasserhahn abgebrochen, die Küche habe ein wenig "unter Wasser gestanden"... Wir haben die Beiden getröstet und gebeten, nichts weiter zu unternehmen, die Küche ist schon alt, aber Papa repariert das wieder, keine Sorgen! Als wir dann nach Hause kamen, kam uns aber ein merkwürdiger Geruch entgegen, und eine Kerze brannte auf der Treppe, obwohl wir eindringlich gebeten hatten, auf gar keinen Fall Kerzen, den Kachelofen oder sonstiges offenes Feuer an zu stecken, so lange wir nicht da sind. Aber egal, dachte ich, sieht ja alles gar nicht so schlimm aus, sie haben ja tatsächlich offensichtlich vor kurzem sauber gemacht. Aber als ich die Kerze gelöscht habe, kommt unter dem Teller ein riesiger Brandfleck auf dem Teppichboden zum Vorschein. Auch der Geruch war plötzlich deutlich zu identifizieren, es war im Haus exzessiv geraucht worden. Da unser Sohn bis zu unserer Abreise uns immer stolz erzählt hatte, dass er nicht raucht, haben wir ihn und die Freundin dazu befragt, woraufhin sie meinte, er solle nun endlich mal zugeben, dass er schon so lange raucht. Auch dann waren wir noch wirklich ruhig. Als ich dann nicht mehr in unser Gäste-/Aquarienzimmer konnte, weil alles vollgestellt war und ich sah, dass jemand jede Menge Futter in meine Aquarien geschüttet hatte, war ich schon
sehr sauer. Am darauffolgenden Morgen habe ich mir erlaubt, die beiden zu wecken und verlangt, dass sie den von ihnen verursachten Saustall wieder in Ordnung bringen, wurde ich von der Freundin übelst beschimpft, sie würde sich nicht wie eine Dienstbotin behandeln lassen... Alles lief aber trotzdem von meiner Seite sehr ruhig ab. Und schwupps, waren beide verschwunden und bis auf weiteres war mein Sohn nicht mehr zu Hause. Da eine Bekannte, der ich meine Erlebnisse erzählt hatte, mit riet, als ältere und "weisere" dem Mädel wieder entgegen zu gehen, habe ich sie und unseren Sohn zusammen mit unserem Ältesten und dessen Freundin an meinem Geburtstag zum Essen eingeladen. Am Tag darauf ging das Auto unseres Junior "unrettbar" kaputt, der große Bruder lieh im sein Auto, dass er eigentlich gerade verkaufen wollte. Innerhalb von zwei Wochen hat Junior es geschafft, das Auto von einem Schätzwert von 800 bis 1000 Euro auf unverkäuflich herunter zu wirtschaften: Innenteile abgebrochen, total verdreckt und vor allem ein Nichtraucherfahrzeug total zugequalmt.
Innerhalb von zwei Wochen hat unser Junior einer Verwandten einen sehr guten Gebrauchtwagen für lau abgeschwatzt, ich habe das Fahrzeug überführt, angemeldet und versichert. Aber bis heute sein Schrottwagen noch nicht abgemeldet und sein Girokonto ist wieder mächtig überzogen, da er nun für zwei Fahrzeuge zahlen müsste.
Soviel zu der Vorgeschichte der letzten Monate.... jetzt zu den Punkten von numi:
An das Messie Forum habe ich mich gewandt, weil ich über eine Internetseite unseren Sohn in folgender Erklärung wieder erkannt habe:
[quote]Vier Typen von Messies
Werner Groß (Jg. 1949, Dipl.-Psychologe) unterscheidet vier Typen von Messies:
...
die «Zeit-Chaoten», die immer zu spät kommen oder Termine verbummeln, bis sie ihre Freunde oder den Job verlieren,
die «Chaosarbeiter», die alles beginnen und nichts zu Ende bringen,
und die so genannten «Ich-Chaoten», die von allem etwas verstehen, sich für alles begeistern, zwischen Themen, Trends und Interessen umherirren, ohne je bei irgendeiner Sache zu bleiben.
Ausschnitt aus: Renate Kingma: Wenn Sammelwut krankhaft wird (Berliner Morgenpost, 4.5.2002) ...
[/quote]
numi Punkt 1:
wir lieben unser Kind, emotionaler Abstand als Eltern ist verdammt schwer herzustellen, ihn vor die Tür setzen zu wollen ist die pure Verzweiflung, weil wir (begründete) Angst haben, nach unserer Rückkehr nur noch die Grundmauern unseres Hauses vor zu finden ...
Punkt 2:
es gibt bei uns keine Eskalation im typischen Sinne, wenn unser Sohn im Hause ist (was seit einem Jahr kaum der Fall ist) dann ist es viel harmonischer, als man annehmen müsste. Wir haben heute mittag noch mit seinem früheren Therapeuten telefoniert, er hatte die gleichen Befürchtungen wie wir, da er nur im Moment lebt, kein Gestern und kein Morgen kennt, dass es ein großes Risiko ist, dass er sich etwas antut, wenn er alleine gelassen wird. Aber sobald mein Mann ihn wieder in Haus gelassen hatte, war alles vergessen und die Diskutiererei ging von vorne los...
zum Thema, aus Konsequenzen lernen: schon als kleines Kind hat unser Sohn nicht aus Strafen oder Konsequenzen eine Lehre für die Zukunft gezogen. Er hat die Konsequens mehr oder weniger maulend hingenommen, "ausgesessen" und im Anschluss die gleiche "Tat" wieder begangen, egal wie oft. Ich erinnere mich wie heute an die großspurigen Worte eines Lehrers, der meinte, er würde ihn schon knacken, wenn er oft genug die Konsequenzen (sauberes Schreiben o.Ä) in Form von 10x, 100x oder tausendmal neu schreiben hätte erfahren müssen, würde er es schon lernen, dafür würde er als Pädagoge schon sorgen! Nach einem Jahr hatte auch er es nicht geschafft und alles war genau wie vorher...
Auch der dreijährige vollstationäre Aufenthalt in einer (sehr guten) heilpädagogischen Einrichtung, bei dem alle sicher waren, sie würden unserem Kind schon die Regeln beibringen können, sind gescheitert... Das Jugendamt sah keine Veranlassung mehr, uns und ihn zu unterstützen, trotz starker Bedenken der Einrichtung und haben unseren Sohn fast über Nacht zurück zu uns geschickt und wir waren wieder mit ihm stark überfordert.
Zum Thema Lebensangst, das ist etwas, was unseren Sohn sehr zeichnet. Aber das aus unserer Sicht völlig unbegründet, er kann (wenn er will oder besser, es sich gerade zutraut) super kochen, kann seit seinem 13. Lebensjahr seine Wäsche waschen und kann auch perfekt aufräumen und putzen. Nur wenn er egal vor was auch immer Angst hat, dann fängt er nicht mal damit an, nicht einmal mit den "einfachsten" Dingen...
Das er unsere "heile Welt" zerstört, darin kann ich mich/uns nicht wieder erkennen. Ich bin mir sicher, dass er das nicht will, vielmehr sieht er in uns eine Perfektion, die aber gar nicht so vorhanden ist. Wir sind unserer Fehler und Schwächen ziemlich bewusst, glaube ich, und gar nicht so perfektionistisch, aber es gibt einfach Dinge, die uns Eltern wichtig sind. Wir legen Wert auf ein Mindestmaß an Ordnung, um uns beispielsweise bei unerwartetem Besuch nicht schämen müssen. Deshalb wünschen wir, dass unser Badezimmer unser Wohnzimmer und unser Flur so sauber und ordentlich bleibt, dass sich ein typischer Mittelstands-Mitteleuropäer nicht schämen braucht. Sein eigenes Zimmer, ist für uns eine Tabu-Zone, in das wir nur nach Anklopfen und "Erlaubnis" eintreten oder notgedrungen bei seiner Abwesenheit, wenn es unbedingt sein muss, weil elektrische Geräte im Zimmer extrem laute Geräusche machen oder etwas von unseren Sachen (z.B. Unterwäsche meines Mannes oder unser Telefon,und, und ...) zu suchen, die er sich "nur ausnahmsweise mal geborgt hat"...
Sein Zimmer habe ich das letzte Mal vor etwa vier Jahren aufgeräumt und das auch nur, weil er damals aus dem Heim kam und er sich so geborgen wie möglich fühlen sollte, nachdem er so unerwartet aus seinem Umfeld im Heim herausgerissen wurde... Später habe ich mich zwar häufig bei ihm über die Ordnung, die Hygiene und den Gestank beschwert, aber nichts damit erreicht. Nur das, was in den gemeinsam genutzten Räumen aufgeräumt und geputzt werden musste, habe ich selbst erledigen müssen, da er sich immer aus dem Staub gemacht hat und ich ihn nicht anketten konnte, er war ja "erwachsen"...
Außerhalb des Konfliktes kann unser Sohn der charmanteste Gesprächspartner sein, er kann manchmal Situationen mit wenigen Worten so perfekt auf den Punkt bringen, dass es einen (im positiven Sinne) umhaut! Er hat es geschafft, mich mit wenigen Worten zu einer psychologischen Beratung zu überreden, nachdem in nach dem Verlust meines Jobs in eine schwere Depression geschliddert war und ohne Hilfe nicht mehr heraus kam. Das war ganz alleine sein Verdienst! Er hat mich dadurch aus der Depression geholt, die ich inzwischen erfolgreich überwunden habe. Ich weiß das, aber er ist sich dessen sicher nicht bewusst! Und das wir Familie, also ich seine Mama, sein Papa, seine zwei Brüder und sein Opa ihn wirklich lieb haben, dessen ist er sich nur dann bewusst, wenn wir es ihm Auge in Auge sagen, ich denke, er kann es grundsätzlich nicht spüren. Als kleines Kind wurde er deswegen auch jahrelang als atypischer Autist psychiatrisch betreut, bis es irgendwann hieß, diese Diagnose könne auf gar keinen Fall zutreffen... so viel zum Thema medizinische Diagnosen!
Deine Frage, ob ich mich von irgendwem in der Erziehung sabotiert gefühlt habe, kann ich irgendwie nicht beantworten. Auf keinen Fall gab es innerhalb unserer kleinen Familie grundlegende Differenzen, wie wir Erziehung definieren. Nur meinem Mann war früher nicht klar, warum ich häufig mich so hilflos gefühlt habe und konnte nicht glauben, dass es mit unserem Jüngsten so ein Problem ist. Er ging auch damals davon aus, das es wohl daran lag, dass ich nicht genau genug erklärt habe, er verstand damals nicht, dass ich immer davon sprach, dass unser Sohn und ich irgendwie in zwei verschiedenen Sprachen sprechen.... Ach ja, und heute wirft uns unser Kind vor, überall würde er besser behandelt, als bei uns. Andere Familien würden Spieleabende zusammen machen, zusammen basteln usw. Dabei ignoriert er aber völlig, dass er es war, der nicht mit uns spielen wollte, er wollte schon als Baby nicht gerne schmusen, interessierte sich nicht für Vorlesen oder gemeinsame Spiele...
Noch zur letzten Frage, zur Freundin: ich habe sie bis gestern immer noch in Schutz genommen, sie ist ein Mädchen (ich glaube noch nicht ganz 18) mit mindestens so vielen Problemen wie unser Sohn. Sie ist auch in intensiver psychologischer Betreuung, sie verletzt sich selbst und ich vermute, sie hat auch eine Essstörung. Sie gibt sich als tätowierte und gepiercte Punkerbraut, hat aber wie unser Sohn etwas sehr sehr liebenswertes. Aber nachdem sie mich gestern zum zweiten Mal massivst beleidigt hat, werde ich mich nicht auch noch mit ihr auseinander setzen, dazu fehlt mir echt die Kraft. Ich hatte so sehr gehofft, dass die beiden zusammen sich vielleicht gut tun, aber auch in ihrer Zweierbeziehung gibt es wohl ein ständiges Auf- und Ab, das ist mir wirklich zuviel.
Puh, das war nun echt viel, aber darüber zu schreiben, hilft mir ein doch ein wenig. Danke, wenn jemand sich die Zeit nimmt, das zu lesen und vielleicht den ein- oder anderen Kommentar schreibt, der mir und unserem geliebten Sorgenkind helfen könnte... (Bitte keine Vorwürfe, die verkrafte ich nicht auch noch)
BellaDonna
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