Ich bin so niedergeschlagen

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29.08.2015 15:52
avatar  Frosch
#86
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So es gibt Neues beim Frosch.

Am Mittwoch rief mein Vermieter an, drei Wochen nach unserem ersten Gespräch über meine Wohnsituation. Er hatte mir ja, statt mit "Zwangsbesuch" zu drohen, beim ersten Gespräch einen Termin bei einer Beratungsstelle der Caritas gemacht. Danach kam ja der Stein ins Rollen und ich hatte die Firma bestellt, und danach Ns Hilfe gehabt. Inzwischen weiß ich auch, dass mein Vermieter von außen meine Küche und ihren Zustand vorher gesehen hat. Der eigentliche Grund seines Anrufs war, dass er mit mir absprechen wollte, dass ER meine Fenster von außen putzen möchte, damit die Außenwirkung des Hauses aufgewertet ist. Er war
sehr erfreut, als ich ihm sagen konnte, dass dies inzwischen erledigt ist.

Trotzdem hatte ich so eine blöde Angst, irgendwann steht er zufällig hier und möchte mal rein und dann kommt "das dicke Ende" ... eine völlig unbegründete Angst, sagte mein Verstand, aber meine Seele bekam Panik.
Ich hab am Telefon all meinen Mut zusammengenommen und ihn gefragt, wann er wieder in der Stadt ist, und ob er mal vorbeikommen möchte. Ich wollte es hinter mir haben.

Eben kam er mit seiner Frau. Und zu meiner Verwunderung: Beide haben große Augen gemacht und waren sehr positiv überrascht. Ich hatte mit "Schelte" wegen des total verfleckten Parketts im Wohnzimmer gerechnet.
Sie haben es gesehen, wollten aber gar nicht großartig eine Führung machen. Und er, der die Küche gesehen hatte, hat sich sogar reingesetzt. Am Freitag kommt er wieder, und nimmt mir ein paar Säcke mit Kleidung, die ich bis dorthin verpacke und Elektroschrott mit auf die Mülldeponie.

Gestern war meine Mutter kurz hier und fragte mich, ob sie meine total versiffte Küchenlampe putzen soll. Früher hätte ich mich geschämt, gesagt, das mach ich irgendwann selber, und hätte es gelassen. Gestern hab ich sie wirken lassen, und sie hat auch nicht drauf rumgeritten.

Warum ich euch das schreibe?

Weil ich nie aus Scham bisher Hilfe angenommen hätte (siehe Beispiel Küchenlampe). Weil Hilfsangebote nicht immer leere Phrasen sind. (ich bin mir Mittwoch noch schäbig vorgekommen als mein Vermieter meinte,
beim Entsorgen könnte er mir ein bißchen helfen). Eure Hilfen nehme ich ja auch jetzt an. Und weil jetzt langsam ruckhaft das Gefühl aufkommt, das ich seit Wochen vermisst habe: Wohnungstechnisch brauche ich keine Angst mehr zu haben. Weil ich mich freue, spätestens Montag den Inhalt eines kompletten Kleiderschrankes, an dem ich jahrelang nicht dran war, in blaue Säcke zu schmeißen (außer ein T-Shirt mit Erinnerungswert, war mal ein Geschenk von einem Freund). Alles was da drin ist, hab ich jahrelang nicht mehr gesehen und gebraucht. Aber Platz brauche ich für die Klamotten, die schon frisch gewaschen auf dem Bett liegen.

Weil es ein Supergefühl war, den Vermieter anzusprechen, dass mein Wasserdruck in der Toilette viel zu schwach ist, und er das mit einem Handgriff gerade noch korrigiert hat. Und er hat geschmunzelt, als ich ihn fragte, ob er sich mal erkundigen kann, ob er eine weitere blaue Papiertonne für unser Haus bekommen kann, weil die immer voll sind hier.

UND WEIL ES JETZT KEIN IRGENDWANN STEHT ER HIER UND SCHMEISST MICH RAUS mehr gibt. Diese unbegründeten Ängste, die man aber nicht abschütteln kann. Eine riesengroße ist gerade von mir abgefallen. Die allergrößte eigentlich. JETZT kann ich es glauben. Jahrelang hat mich das Schlaf, Nerven und Ruhe gekostet.

Und weil ich mich drauf freue N heute abend zu erzählen, dass sie meinten: Der junge Mann, der Ihnen bei der Küche geholfen hat, kann aber sehr stolz auf sich sein.

Ansonsten.... ich glaube mein Hirn fängt langsam an, sich konditionieren zu lassen. Es ist mir eben an einer Kleinigkeit aufgefallen. Aschenbecher im Arbeitszimmer war halbvoll, noch lange kein Kippenigel in Sicht.
Ich hab ihn ausgeleert und ohne drüber nachzudenken stand ich plötzlich mit dem Aschenbecher vor der Spüle und hab ihn ausgewaschen. Das hat mich selber sehr gefreut. Das Auswaschen plötzlich zu Ausleeren gehörte, und erst danach der Vorgang als abgeschlossen erklärt wurde.


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29.08.2015 16:15
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#87
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Glückwunsch, zum Erreichten!
Da sieht man es wieder, die Probleme welche man sich in seiner Phantasie ausmalt, sind um einiges schlimmer als die Realität.

Viel Erfolg beim Klamotten rümpeln;)


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29.08.2015 16:26 (zuletzt bearbeitet: 29.08.2015 16:27)
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toll, wirklich schön zu lesen. Damit machst du sicher vielen Betroffenen Mut :)



nörgelnumi merkt nur ganz vorsichtig an: Belohnungen...nicht vergessen. Ich weiß, das gute Gefühl etc, das ist auf jeden Fall Belohnung, aber um dauerhaft dran zu bleiben, sind sie der Schlüssel. Die positive Veränderung fing eigentlich ab dem Moment an, wo du dich entschieden hast, auf den Balkon zu gehen, statt drinnen zu hocken - oder?


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29.08.2015 17:16
avatar  Frosch
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Ja, numi, der Balkon, und das Verlangen da wieder mit einem Freund sitzen zu können... der war übrigens am Donnerstag kurz da.

Das mit den Belohnungen behalte ich bei. Aber es hat sich auch eingebürgert, dass ich sie mir verdiene. z. B. das mit dem Spülen, vor dem Kaffee auf dem Balkon. Ich hatte schon 2 Tage, wo ich morgens echt keinen Bock hatte. Aber dann hat mich die Belohnung so gelockt, dass ich die 10 Minuten doch aufgewendet habe. Einmal bin ich sogar vor dem Spülen schon Einkaufen gegangen, weil ich keine Milch mehr hatte. Danach dann gespült und "balkont". Und das mit dem guten Gefühl, danach nicht die nächste Aufgabe: Einkaufen zu erledigen, weil ich das schon erledigt hatte.

Womit ich mich auch belohne ist, wenn ich was bestelle und das Päckchen kommt. Früher aufgerissen, Karton hinter mich geworfen, Inhalt aus Verpackung gezauselt und ab damit, zum Karton.
Jetzt mach ich das anders. Karton aufschneiden, schon klein zerlegen, entweder gleich an die Tonne im Hof bringen, oder wenns was Kleines ist in die Tasche in der Diele stellen, fürs Altpapier.
Und danach mit dem Inhalt "spielen" oder wegräumen wo es hingehört. Wenn ich was bestellen will, dann überlege ich erst: Habe ich überhaupt für das DING einen festen PLATZ zu bieten?

z. B. gibts demnächst einen neuen Pürierstab. Den Platz dafür habe ich schon chic gemacht. Der wartet schon auf ihn. Bestellt habe ich ihn aber noch nicht, weil ich ihn bisher noch nicht benötige. Auch etwas, was ich
lerne abzuwägen: Brauch ich das, oder will ich gerade nur haben? Pürierstab hab ich oft benutzt, als ich noch gekocht habe. Aber bis jetzt habe ich noch gar nicht richtig gekocht. Also hatte ich ihn auch noch nicht nötig. Irgendwann kommt das auch bald, und DANN hat er einen reservierten Platz.

Ja, und genau, ich möchte Mut machen. Ganz klar, was die Kosten für die Firma angeht, war ich in einer guten Position. Dieses Forum hat mir alleine schon in den paar Tagen, wo ich anfing den Termin
für die Räumfirma zu machen bis Ausführung so viel Trost und Beistand gegeben, weil es da noch die einzige Stelle auf der Welt war, wo ich mich mitteilen konnte. Und was bin ich in ein Loch gefallen vor Angst, vor dem was kommt. Als ich mich hier vorstellte, hat ein Forumsmitglied gleich geschrieben, dass es sich freuen würde, wenn ich meine Erfahrungen hier weitergebe, auch das andere davon lernen können. (Ich nenne es lieber profitieren). Deshalb schreibe ich das heute hier.

Hätte man mir vor einem Monat erzählt, das meine Mutter hier in der Wohnung sein wird... denjenigen hätte ich doch gebeten, einen Arzt aufzusuchen... ;-)


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29.08.2015 20:49
avatar  Lena
#90
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Dein Bericht hört sich so positiv an - einfach super:)


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