Hilfe, weiß nicht mehr weiter

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26.09.2014 13:07
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Hallo an Alle,

ich möchte Euch doch mal ein Update schreiben.

Mein Freund und ich hatten uns die ganze letzte Woche nicht gesehen. Ich habe ihn einfach in Ruhe gelassen, weil er mit den Proben für die anstehende Aufführung sehr beschäftigt war.
Am letzten Freitag war dann die Premiere, die sehr gut verlaufen ist. Er schrieb mir sogar, dass er sich freuen würde, mich zu sehen. Alles soweit gut.
Am Samstag war die zweite Aufführung, ebenfalls gut verlaufen, das Publikum war besser drauf, so dass die Stimmung sehr locker war. Am Schluss hat etwas mit der Abspann-Musik nicht geklappt, wofür mein Freund verantwortlich war. Die "Leitung" hat ihn wohl dafür kritisiert. Was gesagt wurde, weiß ich nicht. Fakt ist jedenfalls, dass mein Freund seine Jacke genommen und abgehauen ist.
Ich habe das erst gar nicht mitbekommen, weil ich im Publikum war. Die Schauspieler konnten sein Verhalten nicht verstehen, zumal dies seine zweite Vorstellung überhaupt war und jeder mal Fehler macht.

Ich bin dann zu ihm nach Hause gefahren, wo er mir natürlich nicht geöffnet hat. Er hat mich durch die Tür beschimpft und ich bin sicher, dass er da schon den ersten Alkohol intus hatte.

Am Sonntag nachmittag bin ich dann erneut zur Bühne gefahren, weil die nächste Vorstellung angesetzt war. Alle waren da, nur mein Freund nicht. Ich bin dann von der Regisseurin angesprochen worden, dass er in der Nacht bitterböse Mails verschickt hat, in denen er die Leute beleidigte. Als Konsequenz haben sie ihm sofort die Mitgliedschaft gekündigt. Sie brauchen Leute, auf die sie sich verlassen können. Er hat das ganze Team, die ganze Aufführung (immerhin vor jeweils 400 Personen) in Schwierigkeiten gebracht, da sie sehr kurzfristig einen neuen Techniker suchen mussten. Er hat sich die Tür selbst zu geschlagen und es gibt kein Zurück mehr.

Als ich das erfahren habe, war ich richtig geschockt. Den einzigen Kontakt zur Außenwelt bricht er einfach so ab. Diese Gruppe war sein ein und alles und er sollte im Frühjahr sogar beim nächsten Stück eine Rolle spielen, sein absoluter Traum!

Ich bin dann zu ihm gefahren; natürlich machte er nicht auf. Er kam nach einiger Zeit raus und sah sehr schlecht aus. Klar, er hat ja auch bis morgens um 5 Uhr Mails verschickt!

Ich fragte ihn, warum er die einzigen Kontakte, die er hat, dermassen in den Hintern tritt? Warum er sich seinen Traum versaut?

Er meinte nur, dass ich ja gar nicht wüsste, was hinter der Bühne gelaufen ist und ich solle aus seinem Leben verschwinden. Das habe ich dann gemacht. Das habe ich überhaupt nicht verstanden, weil ich ihm nichts getan habe.

Er holte dann seine Sachen bei mir ab und ich habe ihm mal anständig meine Meinung gesagt. Keine Samthandschuhe mehr, ich habe ihn richtig angeschrien. Ich habe ihm ganz deutlich gemacht, dass er selbst die Verantwortung dafür trägt, wenn Menschen sich von ihm abwenden. Und ich habe ihm gesagt, dass er sich endlich seinen Problemen stellen soll anstatt immer sofort wegzurennen. Natürlich bekam ich keine Antworten. Er meinte nachher noch, dass ich ja krank sei und nicht er!

Wieder allein zuhause, habe ich noch ein paar beleidigende SMS von ihm bekommen. Zuletzt teilte er mir am Dienstag Abend mit, dass er mich aus einem Foto herausschneiden musste und dieser Ausschnitt jetzt im Müll liegen würde. ich würde mich da gut machen. Darauf habe ich nicht mehr reagiert und seitdem ist der Kontakt völlig abgebrochen. Jetzt ist er eben wieder ganz alleine und hat keinerlei Kontakte mehr.

Es tut mir sehr weh, so hilflos zu sein. Aber wenn er sich nicht helfen lassen will, dann eben nicht. Ich bin sicher, dass es mit ihm ganz furchtbar enden wird. Aber ich muss auch an mich selbst denken, denn so, wie er sich verhält, zieht er mich völlig runter. Er leidet einfach unter einem völligen Realitätsverlust, woran der Alkohol bestimmt nicht ganz unschuldig ist. Er sieht sein Chaos gar nicht mehr und er ist nicht in der Lage, eine Beziehung zu irgendjemandem aufzubauen.

Mittlerweile glaube ich, dass sein "Drecksloch", wie er selbst immer dazu sagt, seine sichere Rückzugshöhle ist. "Draußen" kriegt er den Mund nicht auf, aber wenn er allein in seiner Bude ist, wo niemand reinkommt, verschickt er beleidigende Nachrichten und fühlt sich dabei noch wie der King. Dem ist einfach nicht zu helfen. Falls doch, so kann ich es mir nicht zu meiner Lebensaufgabe machen.

Ich bin so enttäuscht von ihm. Als wir uns im Urlaub kennenlernten, war er ein ganz anderer Mensch. Höflich, zuvorkommend und er hat mich ohne Übertreibung auf Händen getragen, so dass ich mich zwar geschmeichelt fühlte, ihn aber auch schon mal bremsen musste. Er hat sich total an mich geklammert.

Ich weiß, dass das alles sehr schwierig für ihn war, denn er wusste ja, was mit ihm los ist und konnte mir ja nichts davon erzählen. Er hatte es unter Tränen angedeutet und die Wahrheit hatte mich dann auch sehr geschockt, aber ich war bei ihm geblieben! Ich habe zu ihm gehalten, bis zum bitteren Schluss!

Vielleicht braucht er das jetzt, dass er völlig allein und am Boden ist. Aber wenn ich zurückdenke, ist er eigentlich immer allein gewesen. Er sagt ja selbst, dass er nie Freunde hatte und ich war seine zweite Beziehung (er ist immerhin 47 Jahre alt). Er will, er will, aber er kann einfach nicht aus seiner Haut. Ach, das ist alles so traurig

Dank dieses Forums habe ich viele Einblicke in das Messie- oder auch Nichtmessie-Sein bekommen. Ich weiß jetzt, dass es Jahre dauern kann, bis die Einsicht kommt, etwas ändern zu müssen. Aber darauf kann und will ich nicht warten. Auch wenn es mir um den Menschen wirklich leid tut, der dahinter steckt. Er ist einfach sehr sehr krank.


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26.09.2014 17:01
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Eine schreckliche, bewegende und traurige Geschichte mit einem deprimierenden, aber realistischen Ausang, Serafina, und ich bin dir sehr dankbar, dass du sie mit uns teilst. Das geschieht hier leider viel zu selten, obwohl das auch für uns wichtige Erkenntnisse sind (fast noch wichtiger als die Einstiegs-Info).

Ich würde sagen, dein Maß war voll. Dass du Grenzen hast - und diese einhältst, macht dich nicht zu einem schlechten Menschen, sondern zu einem normalen Menschen. Was er dir und anderen an den Kopf geknallt hat, ist nichts Persönliches. Wie du sagst, er ist ein wirklich kranker Mensch, und das ist nicht böse oder abwertend gemeint, nur eine Feststellung. Es gibt nur eine einzige Chance für ihn, nämlich, wenn er von sich aus Hilfe will. Wenn er an den Punkt kommt, an dem er sieht: Ich bin am Ende. OB er an diesen Punkt kommt, weiß der liebe Gott allein. Solange er auf jeden Hinweis kontert, dass ja alle anderen krank sind, nur nicht er selbst, ist da wohl nichts zu machen.

Wäre ich an deiner Stelle, würde ich jetzt ein paar Tage vergehen lassen, damit er Zeit hat, runter zu kommen von seiner Wut - und ja, damit er auch ein bisschen die Einsamkeit schmeckt, in die er sich mit seinem Verhalten hinein manövriert hat. Und dann würde ich sehr kurz, vielleicht als SMS, signalisieren, dass er - wenn er möchte - jemanden hat, der ihm hilft. Darauf wird er vermutlich so schnell nicht anspringen. Aber wenn der Tag kommt, nächsten Monat, nächstes Jahr, dann wird er vielleicht froh sein, dies zu wissen.


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26.09.2014 22:38
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Liebe Numi,

ich danke Dir für Deine, wie immer, wahren und aufrichtigen Worte.

Ja, mein Maß ist voll. Ich denke, eine Beziehung sollte eine Bereicherung sein und keine Belastung. Und wenn man ständig darüber nachdenken muss: "Was macht er gerade?", "Suhlt er sich wieder in seinem Selbstmitleid?", "Säuft er wieder?", "Hat er was gegessen?", "Kann er heute nacht mal schlafen?", "Wie ist er wieder drauf?" oder "Darf ich das jetzt sagen, ohne dass er beleidigt ist?", dann kann man bestimmt nicht von einer Bereicherung reden.

Diese Fragen stellt man sich ja nicht ohne Grund. Dann sind nämlich vorher schon mal solche Situationen eingetreten, die nicht angenehm waren.
Irgendwie muss man sich doch mal auf das Verhalten einer Person einstellen können.

Ich bin übrigens sicher, dass er hier mitliest, denn er hat mich in einer seiner Beleidigungen mit meinem Nicknamen angesprochen. Soll er doch ruhig lesen, was ich hier schreibe. Vielleicht kommt es dann mal bei ihm an, vor allen Dingen, wenn er die Beiträge anderer liest.

Am meisten belasten mich seine Interessenlosigkeit, seine Langeweile, seine Ignoranz trotz hoher Intelligenz, seine Antriebslosigkeit und seine Resignation. Er weiß überhaupt nicht, wie schön das Leben sein kann. Und leider ist es viel zu kurz.

Ich weiß, dass das alles von seiner Depression und Alkoholkrankheit kommt. Ich weiß, wie sich das anfühlt, da ich selber schon zwei erfolgreiche Therapien hinter mir habe. In einer ging es darum, den Abrutsch in den Alkoholismus zu verhindern. Die andere hatte ich wegen Burn-Out. Ich kann all diese miesen Gefühle nachempfinden, ganz bestimmt. Und ich weiß aber auch, dass einem geholfen werden kann.

Aber ich kann hier wirklich nur an jeden Betroffenen appellieren, ohne bitte missverstanden zu werden:

Werdet bitte bitte wach und nehmt Hilfe an! Lasst Euch helfen, wieder gesund zu werden. Damit Ihr die Schönheit des Lebens wieder erkennen könnt.

Liebe Numi,

soeben habe ich wieder eine Schimpf-SMS von ihm bekommen, nachdem 3 Tage lang Funkstille war. Klar: Wochenende, Langeweile, Wut, Alkohol....


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26.09.2014 23:01
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Mit dem Wissen im Kopf, dass er selbst diesen Beitrag gelesen hat, habe ich den jetzt auch noch einmal überflogen. Ich finde darin nichts konkret verletzendes, gemeines, hinter dem Rücken abgelästertes, das einen gerechtfertigten Anlass für so zornige Reaktionen bieten könnte. Das nur mal so nebenbei.

Ebenfalls nebenbei erinnert mich dein Freund auf geradezu gruselige Weise an den Freund meiner Mutter. Ich glaube zwar nicht, dass in dem ein Messie steckt, höchstens, dass er bei seinen Besitztümern so ein bisschen tüdelig ist, und sich z.B. beim Aussortieren etwas schwerer tut, als andere (er bereitet auch gerade einen Umzug vor, bei dem er sich verkleinert). Aber dieses zweigesichtige Verhalten - auf Händen tragen hier, beleidigen, böses unterstellen, schnell eingeschnappt sein dort, das macht er genauso. Er ist sehr eifersüchtig, durchaus besitzergreifend, aber auf der anderen Seite auch sehr großzügig. Lässt sich in nichts reinreden, z.b. versteht er seine Umgebung kaum, hat ein Hörgerät, aber schaltet es nicht gern ein, sondern sitzt lieber da und meckert dann, dass er nix mitbekommt. In meinen Augen entspringen viele dieser widersprüchlichen, und teilweise geradezu kindisch wirkenden Verhaltensweisen dem Wunsch nach Aufmerksamkeit.

Dass dein Freund hier mitliest, sozusagen auch kontrolliert, was geschrieben wird, spricht eigentlich dafür, dass ihm die Welt noch nicht völlig egal ist. Totale Resignation geht anders.

Was ich dir raten könnte, habe ich dir bereits geraten: Auf Distanz gehen, aber gesprächsbereit bleiben, ihm mitteilen, dass er nur so lange allein auf der Welt ist, wie er allein sein will.

Und was ich ihm raten könnte, das hast du ihm (und jedem anderen) bereits geraten: Nimm Hilfe an, das ist kein Zeichen von Schwäche, niemand meint es bös mit dir. Du kannst ein schönes Leben mit einer fürsorglichen, lieben Freundin haben, oder allein weiter in deiner Bude rumgranteln und die Welt verfluchen - es ist nicht so, dass dich jemand zwingt, dieses oder jenes Leben zu wählen - sondern es ist allein deine Entscheidung.


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26.09.2014 23:21
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Liebe Numi,

Du nimmst mir die Worte aus dem Mund. Dieses Verhalten erinnert mich auch an das verzweifelte Ringen eines Kindes um Aufmerksamkeit. Das zeigt aber doch auch, wo vielleicht die Wurzeln der Krankheit liegen.

Er erzählte mir, dass er einen sehr strengen Vater hat, der ihn als Kind oft grundlos ins Gesicht geschlagen hat. Kein Wunder, dass er sich nicht angenommen und minderwertig fühlt. Kein Wunder, dass er sich so paradox verhält und wirklich kindisch um meine Aufmerksamkeit buhlt. Auf der einen Seite schreit er nach Aufmerksamkeit, andererseits stößt er mich weg. Und das kann und will ich auf Dauer nicht aushalten müssen.


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