Hilfe für Tante

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03.03.2020 11:29
#11
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Liebe Sonja,
es freut mich, dass dir meine Antwort geholfen hat. Ich werde dir heute Abend oder morgen Vormittag antworten, da ich gleich zum Spätdienst fahre. Auf jeden Fall ist meine bewusste Arbeit mich abzugrenzen, um wieder lieben zu können und selber mich wieder frei und lebendig zu fühlen ein Prozess von jetzt 30 Jahren, der sich weiter fortsetzen wird.
viele Grüße von Kerstin


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04.03.2020 09:36
avatar  IBI
#12
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Hallo Sternschnuppe,

seit 30 Jahren diese bewusste Arbeit..ich denke sehr, sei hat mit deiner Würde zu tun, die du so für dich auf Trab hältst.

Dennoch bleibt die Frage, sofern du sie beantworten kannst,
wie merkt deine Mutter, dass du sie liebst? Wie merkst sie, dass du sie nicht ablehnst, obwohl du dich abgrenzt und viele der möglicherweise von ihr gewünschten Hilferufe nicht erfüllen kannst?

Freue mich auf deine Antwort.

LG
Sonja


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04.03.2020 10:53
#13
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Liebe Sonja,
ich kann deine Frage sehr gut verstehen - es zeigt wie sensibel du bist -
Liebe zeigen bedeutet für mich, dass ich frei von jedem Verantwortungsgefühl - frei von jedem Helfen wollen- Gefühl - meine Mutter besuche oder mit ihr telefoniere. In jedem Kontakt geht es mir inzwischen nur noch wirklich um sie allein und dass ich ihr ein wenig nahe bin.

Ich sehe sie inzwischen als "Ganze Person" . Ich sehe sie als Mädchen, das vaterlos nie erlebt hat von der eigenen Mutter geliebt zu werden. Ich sehe sie als eine Frau, die nach besten Wissen und Gewissen versucht hat selbst eine gute Mutter und Ehefrau zu sein. Ich sehe sie in allen ihren Stärken und Schwächen - alles Schöne an ihr - alles Anstrengende an ihr.

Ich habe inzwischen gelernt mich selber zu lieben und es nicht mehr von meiner Mutter zu erhoffen - ich kann mich nicht daran erinnern, dass sie ein einziges Mal gesagt hätte : "ich habe dich lieb". Sie hat mir nur gesagt, dass sie sich immer gefragt hat , woher sie die Liebe für meinen Bruder und mich nehmen soll ,als wir noch klein und anstrengend für sie waren. Ich habe von klein auf versucht von meiner Mutter "Liebe" zu bekommen, aber sie hat mich "nur" bestens äußerlich versorgt. Sie hat mich als Freundin benutzt und als Schiedsrichterin zwischen ihr und meinem Vater, weil sie so in Not war. Bis heute sucht sie Gespräche mit mir, um sich über meinen Vater zu beklagen. Jedes Mal, wenn ich denke, sie sucht meine Nähe, zieht sie mich nur beiseite, um mir schnell noch zu sagen, was mein Vater gerade wieder hässliches gesagt oder getan hat.

Aber das stört mich nur noch ein klein wenig. Sie ist halt so.
Weil ich mich durch 30 Jahre Therapie und Selbstreflexion endlich selber lieben kann, kann ich meine Mutter, meinen Vater, meinen Bruder und meinen Neffen so sein lassen wie sie sind ohne mir ein Urteil zu erlauben oder etwas von ihnen einzufordern, was sie (mir) nicht geben können. Wenn sie mich um Rat fragen, dann sage ich ihnen meinen Rat - ansonsten lasse ich sie ganz in ihrer eigenen Verantwortung.

Ich möchte dir ein anderes Beispiel berichten.
Ich arbeite in der Psychosomatik. Dort werden Menschen stationär betreut, die schwere Schicksale hinter sich haben oder drinnen stecken. Sie sind dadurch oft besonders "speziell" und oft sehr anstrengend im Kontakt.
Einmal die Woche werden die "schwierigsten Fälle" mit allen Mitarbeitern (Ärzte, Therapeuten, Pflegekräfte) besprochen. Dabei erfahren alle , welche schlimmen Erfahrungen diese Patienten machen mussten und warum sie sich so verhalten wie sie es tun.
Eine Patientin empfand ich als extrem nervig im Kontakt - nach dieser Teambesprechung war ich so erschüttert und mitfühlend, dass ich direkt danach ihr begegnete und ihr von ganzem Herzen freundlich "Hallo" sagte und sie genauso super nett ebenfalls "Hallo" sagte. Von da an war das Eis gebrochen. Es fiel mir überhaupt nicht mehr schwer sie zu unterstützen, wenn sie mit Anliegen in den Kontakt kam.

zeigen, dass man jemanden lieb hat, bedeutet für mich, dass ich diesen Menschen vollkommen akzeptiere so wie er / sie ist.
Und dass ich gleichzeitig ganz ich selber bleibe. Wenn ich zulasse, dass mich jemand dazu drängt eine Unterstützung zu leisten, die ich gar nicht leisten kann / will, dann schieben sich schlechte Gefühle zwischen die Person und mich. Ein herzliches Nein aus innerer Überzeugung tut niemandem weh - und wenn doch, dann ist es das Problem dieser Person und nicht meins.

Meine Mutter ließ mich drei Jahre nicht zu Besuch kommen, weil sie meine Kritik fürchtete. Ich hatte einen Blumenstrauß am Muttertag für sie besorgt und fragte, ob ich zu Besuch kommen dürfe und sie hat abgelehnt. Für mich war das wie ein Dolchstich ins Herz. Ich bin dann doch hingefahren, weil mein damaliger Lebensgefährte mich dazu drängte. Meine Mutter freute sich dann doch.

Dann habe ich Schritt für Schritt weiter daran gearbeitet mich selber zu lieben und es nicht weiter von meiner Mutter zu erhoffen. Irgendwann ergab sich zufällig eine Situation, wo ich wegen meinem Vater vorbeikommen musste und ich dadurch wieder zu Besuch war. Und plötzlich zeigte meine Mutter wieder Freude mich zu sehen. Seitdem komme ich wieder regelmäßig zu Besuch und jedes Mal freuen sich meine Eltern und mein Bruder , dass ich da bin.
Meine Mutter hat also unbewusst gespürt, dass ich mich verändert habe. Anders kann ich es mir nicht erklären. Es scheint sich bei "Liebe zeigen" oder "Liebe spüren - sich geliebt fühlen" also um vor allem unbewusste innere Haltungen zu handeln.
Meine neue innere Haltung ist: ich ruhe in mir selber - ich bin authentisch und was ich sage oder tue entspricht auch meinem inneren Denken und Fühlen. Und ich liebe mich selbst und erwarte keine Liebe oder Anerkennung von anderen / von meiner Mutter.

dass ich wieder ein freudig gesehener Besuch bin bestätigt, dass meine Mutter sich von mir (fwieder )geliebt fühlt.

Ich muss dazu sagen, dass ich während meiner Therapie und auch einige Zeit danach wirklich sehr wütend auf meine Mutter war, weil sie mich sträflich von klein auf als Freundin missbraucht hat und ich dadurch ein extrem belasteter Mensch geworden bin. Statt dass sie sich meiner kleinen Kinderseele angenommen hat, wenn ich Probleme hatte, stopfte sie mich voll mit Klagen über meinen Vater bis hin über ihre sexuellen Probleme mit meinem Vater. Später hat sie versucht mich als gläubige Christin in ihr eigenes verkorkstes Bild eines Gottesfürchtigen Christenlebens zu pressen. Das waren so viele Grenzüberschreitungen in meine Kinderseele und Erwachsenen - Seele hinein, dass ich sie später mit Anfang 30 Jahren hätte umbringen können (natürlich nicht wirklich).

Also begann ich das alles zu verarbeiten und Verantwortung für mich selbst zu übernehmen.
Daraus ist eine neue Liebe zu meiner Mutter hervorgegangen, die sie nun spürt.

Liebe Sonja, frage gerne weiter, wenn du es möchtest. Es hilft mir auch immer selbst, wenn ich noch einmal innerlich durch wichtige Themen durchgehe und mir bewusst mache, wohin ich mich weiter entwickeln möchte.
Herzliche Grüße, Kerstin


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04.03.2020 11:22
#14
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Liebe Sonja,

du meintest evtl. mehr die Situation, dass du deiner Tante Wünsche abschlägst und trotzdem möchtest, dass sie sich geliebt fühlt.

Dazu kann ich das Beispiel mit meinem Vater erzählen: Eine ganze Zeit lang habe ich ihn zu Besuch kommen lassen mit Übernachtung, da er sich bei mir viel wohler fühlt als zu Hause (so sagt er es auch immer wieder). Wir sind dann oft spazieren gegangen und vor zwei Jahren haben wir sogar zwei Wochen zusammen in einem Ferienhaus in Dänemark verbracht.
Inzwischen ist er so hinfällig geworden, dass er nur noch wenige Gesprächsthemen hat, kaum noch einem Spielfilm im Fernsehen vom Inhalt her folgen kann und kaum noch laufen kann. Den Rollator schämt er sich zu benutzen.
Dadurch wurde mir seine Gesellschaft zu anstrengend. Wenn ich für zwei Stunden zu Besuch fahre (gute 60 km entfernt), dann geht es allen gut und ich besuche meine Eltern auch gerne.
Ich hatte aber große Probleme meinem Vater diese Zurückweisung anzutun. Ich habe es aber geschafft mich zu überwinden. Ich versuche auch in meinem Alltag nicht dauernd an die Lebensumstände meiner Familie zu denken, sondern mein eigenes Leben zu leben und zwar möglichst glücklich. Diese gesunde Distanz fällt mir noch schwer , aber es wird immer besser.
Ich höre auf meine Antennen ständig nach draußen und hin zu anderen Menschen zu stellen.
Ich stelle meine Antennen auf mein eigenes Lebensglück und wenn Zeit und Kraft übrig ist, dann verschenke ich sie von Herzen gerne - das spüren alle. Wem meine wenige Zeit, die übrig ist, zu wenig ist, dem kann und will ich trotzdem nicht mehr schenken. Wer deswegen meine Liebe in Zweifel stellt, hat ein Problem, das I C H jedenfalls nicht lösen kann.

Und wenn jemand mir mehrfach zeigt wie unzufrieden er mit dem ist, was ich ihm von Herzen gerne gebe, dann breche ich den Kontakt ab.
Jeder ist für sich selber verantwortlich - ich bin für niemanden verantwortlich - es sei denn für Kinder, die noch nicht erwachsen sind - ich habe aber keine Kinder , weil ich viel zu sehr damit beschäftigt war meine "kranke"Persönlichkeit zu heilen. Ich wollte meine Kinder nicht mit meiner kranken Seele belasten - so wie ich es selber durch meine unglücklichen Eltern erleben musste.

Wenn du also deiner Tante von Herzen gibst, was du geben kannst und willst (ohne dass du selber in Schwierigkeiten gerätst)., dann wird sie sich geliebt fühlen. Wenn sie sich trotzdem beschwert, und für Hilfe von anderen Seiten nicht offen ist, dann solltest du dich schützen und ggf. über einen reduzierten Kontakt oder Kontaktabbruch nachdenken. Deine eigene Familie wird es dir danken (einschl. deiner eigenen Seele).

Das braucht zuerst viel Kraft und Überwindung, aber später macht genau so ein ehrliches Verhalten glücklich.

ganz liebe Grüße, Kerstin


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04.03.2020 11:40
#15
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Ein letztes zum Thema:
-wie fühlt sich deine Tante geliebt, auch wenn du ihr viele Wünsche abschlagen musst-

wenn ich Wünsche ablehne und dabei Schuldgefühle habe oder mich versuche innerlich vor mir selber zu rechtfertigen, , spürt mein Gegenüber evtl. mehr die negative Energie der Schuldgefühle als die positive Energie , dass ich sie insgesamt von Herzen gerne unterstütze.

Man kann also am meisten positiv verändern, indem man auch selber innerlich absolut überzeugt von der Entscheidung ist. Wenn ich mir sagen kann : ich bin genauso wichtig wie die Person , die gerade Hilfe braucht, dann fällt es leichter eine gute Entscheidung zu treffen und sie auch mitzuteilen. Je mehr man das übt, desto entspannter wird man - am Ende ist es fast unumgänglich, dass mein Gegenüber spürt , dass meine Absichten und Entscheidungen wunderbar in Ordnung sind - wenn auch nicht immer nach Wunsch.


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