@Schneekönigin
Ab wann gilt man als Messie? Wenn man selbst darunter leidet, oder wenn die Umwelt sich beschwert? Das sind die beiden Fragen, die mir dabei in den Sinn kommen. Wenn jemand zu Besuch kommt und die Hände überm Kopf zusammenschlägt und ruft: "Oh, wie siehts denn hier aus!" Oder "was ist das für ein Saustall", dann kann derjenige auch gleich sagen: "Also du bist Messie?" Für mich hat das immer noch was von Schimpfwort, wenn der Begriff "Messie" fällt, während wir im Wohnzimmer sitzen oder wenn wir zu Besuch irgendwo sind und der Vater sagt: "Ihr seid ja Messies, ihr könnt ja niemanden einladen". Jedes Mal zucke ich zusammen, wenn ich das Wort irgendwo höre, oder wenn der Handwerker zum Hausmeister sagt: "Ooooh... Haste das gesehen?" Und dann das Wort "Messies" fällt. Es klingt einfach schrecklich, oder es ist so, als würde ein Spießer zum Nachbarn sagen: "Du bist ein Streuner, ja ein Zigeuner..." Oder: "Könnt ihr nicht mal in den Urlaub fahren? Habt ihr das Auto nicht abbezahlt, gestern wollte der Gerichtsvollzieher zu euch und hat mich gebeten, Bescheid zu sagen..."
Ich fühle mich dann abgestempelt. Wenn ich von mir selbst sage, ich bin Messie, habe ich auch das innere Gefühl, zu sagen: "Ich bin schlampig, ich bin faul, ich kriegs nicht gebacken", denn so hört sich das meiner Meinung nach an. Es ist eine Sache, ob ich selbst darunter leide, dass ich nur schmale Pfade habe, um ein Zimmer zu betreten und immer Licht machen muss, um nicht zu stolpern. Wenn andere sich beschweren, es sieht furchtbar aus und "ihr seid Messies", klingt das für mich noch schlimmer. Das ist eine Art Schubladendenken, ein Abstempeln in eine Kategorie. Wann bin ich Messie? Wann sage ich selbst, ich bin Messie? Wenn ich im Durcheinander nichts mehr finde, ist das Chaos "pathologisch", so wie jemand auf einer Messietagung das beschrieben hat als "Pathologisches Horten". Im Amerikanischen heißt es übrigens nicht Messie sondern "Compulsive Hording", also auch Path. Horten auf englisch. "People who are suffering on compulsive Hoarding", das heißt "Menschen die unter dem Pathologischen Horten leiden".
Das ist dann bedenklich, wenn ich Dinge nicht wieder finde, die ich irgendwo im Durcheinander "lagere". Ich kann nicht sagen, ich bin Messie, das ist ein abgedroschener Begriff, ich kann nur sagen, ich leide unter dem Durcheinander, anstatt zu sagen: Ich bin Messie. Ich kann sagen, ich habe ein Problem mit der Archivierung von Gegenständen, ich habe ein Problem mit dem Lagern von Gegenständen, weil ich keine Übersicht mehr habe durch das Durcheinander. Wenn jemand einen Riesenstapel Bücher auf dem Tisch hat, mit dem er beispielsweise arbeitet, ist er kein Messie. Er hat kein Problem mit dem Lagern oder Archivieren, er arbeitet. Hat jemand die ganze Couchlehne voller Plüschtiere, weil er sie sammelt, ist er kein Messie, sondern er hat einfach eine Sammlung. Sammelt jemand Modellautos und hat alle Regale voll damit, hat er die Übersicht, stolpert nicht darüber und ist dadurch auch kein Messie. Jemand der in die Wohnung kommt, dem fällt auf, hier wohnt ein Modellauto-Sammler. Die Autos liegen nicht kreuz und quer in Stapeln auf dem Fußboden, sondern in Regalen aufgestellt. Das ist kein Messie-Chaos.
Sind jede Menge Duschgel- und Shampooflaschen auf dem Badewannenrand, OK dann sind die Dinge zwar auch viele, sind aber geordnet und übersichtlich und liegen nicht kreuz und quer in einer Ecke oder auf dem Fußboden herum. Das ist auch kein Messie, er hat nämlich kein Chaos. Liegen die CDs in Stapeln auf Schränken oder in Regalen, ist man auch kein Messie, man sammelt lediglich CDs, aber wenn sie kreuz und quer auf dem Fußboden liegen, ist es Chaos, unübersichtlich und man wird als Messie bezeichnet. Das Nicht-Vorhandensein von Ordnung wird von der Umwelt als Messietum bezeichnet. Wann wir selbst Probleme mit dem eigenen Chaos haben, das sind Grenzen, die für uns als pathologische Sammler bzw. Normalos relevant sind. Das heißt eigentlich entscheidet die Umwelt darüber, ob wir Messies sind oder nicht. Die Eigeninterpretation kann durchaus abweichen, aber es ist dadurch leider nicht unsere Entscheidung, was wir sind.
