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Es ist nicht so sehr das anfangen, sondern das beenden
@Sophie
Meine Mutter stellte die Schnittmuster nach exakt gemessenen Körpermaßen selbst her, auch für ihren Nähunterricht, sodass sich die Frauen immer wieder neue Kleider mit individueller Anpassung an ihren Körper nähen konnten. Ich finde es auch schade, dass mir meine Mutter so sehr abriet, in ihre Fußstapfen zu treten. Ich hätte bestimmt eine Nische gefunden. Sie hatte allerdings zunehmend Sehnenprobleme, was die Berufsausübung erschwerte. Und das hab ich geerbt von ihr. Tja. Sie hätte mir so viel beibringen können, so gut, wie sie ausgebildet war. Auf der anderen Seite kann man nicht alles machen. Eigentlich wollte sie Krankenschwester werden, aber sie führte den Beruf ihrer Großmutter weiter. Na ja, ich hab dafür meine Bücherwelt. Kleider bedeuten mir nicht so viel wie Bücher.
@Nemo: Bücher sind für mich auch etwas Großartiges. Im Alter von 2-3 Jahren habe ich mir heimlich das Lesen beigebracht. Vermutlich habe ich schon so früh diese Faszination dafür empfunden, wie die phantastischsten Gedanken in Form von unscheinbarem Papier festgehalten werden können. Als die anderen Kinder in der Grundschule das Buchstabieren lernten, habe ich Vaters Fachliteratur gelesen. Mein Vater war Polizist, und er sah keine Veranlassung, Obduktionsberichte und Fallakten vor der Erstklässlerin zu verstecken. Als ich den Spielkameraden etwas über Leichenflecken und Totenstarre erzählte (die Jungs fanden das total cool), mussten meine Eltern in der Schule antanzen...
Meine Mutter war Messie, und ich wuchs den größten Teil meiner Kindheit in Duisburg in einer Plattenbau-Siedlung mit gewalttätigen Jugendbanden auf, deshalb war die Stadtbücherei mein eigentliches Zuhause. Mit 12 hatte ich die Stadtteil-Zweigstelle komplett ausgelesen, mit 17 die Hauptstelle. Später habe ich nach jedem Umzug als erstes die örtlichen Bibs aufgesucht. Die Stadtbücherei in Köln ist herrlich umfangreich, und in Reutlingen war sie klein, aber hübsch gemütlich in einem alten Fachwerkhaus. Die Mannheimer ist ... überschaubar. Hier wird wohl nicht so viel gelesen. Die Studis haben ihre Unibibliotheken. (Ob ich mir da mal einen Leseausweis beantragen sollte?)
Von den Büchern meiner Eltern habe ich noch eine Buchreihe mit populärwissenschaftlichem Inhalt (Götter, Gräber und Gelehrte und so ein Zeug). Die schleppe ich schon seit Jahrzehnten mit, aber freiwillig trennen werde ich mich nie davon. Ich habe auch noch die ersten eigenen Mathe-Lehrbücher, die ich mir als Studentin im wortwörtlichen Sinn vom Mund abgespart hatte. Lineare Algebra 1 und 2 = eine Woche nichts essen. Oft haben Kumpels Fachbücher aus der DDR mitgebracht. Es gab doch diesen Zwangsumtausch von West-Mark, und Bücher waren das Einzige, was sich mitzunehmen gelohnt hat. Ich fand damals die DDR-Lehrbücher viel besser als die westdeutschen. Viel strukturierter, didaktisch besser aufgebaut. Mathe ist außerdem politisch unverdächtig.
Mein erstes eigenes Geld habe ich nicht für Klamotten oder ein Auto ausgegeben, sondern für Bücher. Endlich musste ich Bücher nicht mehr leihen, sondern konnte sie mir selbst kaufen, nur für mich alleine! Zusammen mit meinem Mann haben wir 55 laufende Meter Bücher (nachgemessen), das sind weit über 1500 Bücher, dabei sind noch keine Zeitschriften eingerechnet. (Ich habe keine mehr, alles entsorgt, aber mein Mann hat noch 3 Meter Computerzeitschriften.) Und dabei habe ich schon 3 Umzugskartons voll Krimis und solchen Schrott entsorgt. Leider stehen die Bücher in Doppelreihen in den Regalen, und ich komme nicht an alle gut ran. Beim letzten Umzug haben wir alles einfach so in die Regale gestopft, da steht komplexe Analysis zwischen indischer Küche und H.P.Lovecraft. Im Moment bin ich dabei, alles Jobbezogene auszusortieren. Das brauche ich nicht mehr, nie wieder, und ich hänge auch nicht daran. Und technologisch ist das ja auch total veraltet.
Mein Ziel ist, die überall im Haus verteilten Bücher so weit zu reduzieren, dass wir im Wohnzimmer eine richtige Bücherwand einrichten können. Für mich gehören Bücher zum "schönen" Wohnen dazu. In Filmen mit alten Herrenhäusern zeigen die manchmal so herrlich altmodische Bibiotheken. Da fange ich regelrecht an zu sabbern, wenn ich das sehe. Auf ein Bett könnte ich zur Not verzichten, aber niemals auf Bücher.
@Sophie
Das lief bei mir ähnlich. Ich wuchs neben drogensüchtigen Halbbrüdern auf (der eine Alkoholiker und Schläger, der andere heroinsüchtiger Junkie, meine Eltern viel zu gutmütig und ahnungslos, die Polizeistation gleich nebenan, aber auch die Polizisten hatten ihre Sorgen, der eine nahm sich das Leben). Ich floh in die Welt der Bücher und lernte das Lesen auch frühzeitig, weil ich neugierig war auf die verbotenen Bücher meiner Eltern. Der Schock war groß über die Erwachsenenwelt, es waren Bücher über den Holocaust. Auch ich las alle mir zugänglichen Büchereien durch und kaufte später Unmengen an Fachliteratur, die Fachbereiche thematisch erobernd, bis ich irgendwann so viel darüber wusste, um es loslassen zu können und ein neues Fachgebiet zu erobern.
Ich stehe gerade in einem Konflikt mit meinem restlichen Besitz von 5 qm. Vor allem bei den Büchern kam es schon öfter vor, dass ich das Thema zu früh loslassen wollte, die Bücher aber doch wieder brauchte. Im Moment habe ich nur noch Bücher zu 1 Thema, von dem ich mich zwar mittlerweile auch ziemlich gelöst habe, aber ich warte noch etwas ab und schaue zuerst, ob ich diese Bücher auch in der Uni-Biblothek ausleihen kann. Erst wenn ich einem Thema ganz bewusst den Rücken kehre, pfeife ich auf Sicherheit und weg damit. Es gibt bei mir auch ein paar ganz alte Bücher in alter Schrift und mit schönen Radierungen, die ich behalten werde, weil sie antiquarisch sehr wertvoll sind.Da verspüre ich auch dieses erhebende Gefühl alter Bibliotheken. Ich würde sie höchstens an eine Bibliothek verschenken, die solche Bücher besonders schützt im Verleih. Denn wenn ich sterbe, wird sie wohl niemand übernehmen. Vielleicht digitalisiere ich sie auch und mache sie so für alle zugänglich.
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