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Raskas Onlinetagebuch - Die Hoffnung stirbt zum Schluss
Hallo allesamt,
hier das Onlinetagebuch einer 25-jährigen Frau, die sich endlich eingestanden hat, was lange offensichtlich ist:
Ich bin ein Messi. Ich dachte immer, dass nur verbitterte Witwen so eine Macke entwickeln können, aber ich hatte unrecht, war genauso ignorant und herablassend wie jeder andere. Wie will man das auch verstehen? Das kann man von niemandem erwarten.
Meine Eltern haben mich immer zur Ordnung angehalten, ich kann niemandem die Schuld geben. Ich habe immer viel im Haushalt helfen müssen, meinen Kram selbst wegzuräumen etc.. Traumatische auslöser gibt es keine, es gibt keine Begründungen für Depressionen, für meine Antriebslosigkeit, aber es ist alles da.
Mit 20 bin ich von zuhause weggezogen. Weit weg, der Liebe wegen, entsprechend fernab der Kontrolle durch Mutti (ich war ja auch alt genug). Was soll ich sagen - wenige Wochen und ich habe den Hintern keinen Zentimeter mehr von der Couch oder aus dem Bett hoch bekommen, sobald mein Partner die Wohnung verlassen hat. Wäre es ja nur das Chaos - Nein. Ich habe zwei Studiengänge abgebrochen, weil ich "ja auch morgen wieder zur Vorlesung gehen kann". Daraus wurden Wochen, daraus Monate, und schon waren die Semester vorbei. Egal, das ist nur eine der Bereiche meines Lebens, die von meiner Antriebslosigkeit zerschlagen wurde. Mittlerweile mache ich eine zweite Ausbildung, bin verdammt gut in meinem Job und habe wahnsinnig gute Aufstiegschancen, interessanter weise hänge ich mich für die Arbeit schon immer voll rein. Überstunden? Kein Problem. Verantwortung? Sonderschichten? Kein Thema!
Ich arbeite in einem Bereich, in dem Hygiene sehr wichtig ist. Ich akzeptiere auf Arbeit nicht das kleinste bisschen Dreck, zu vorgegebenen Zeiten muss alles desinfiziert werden. Gründlich, sonst werde ich schnell sauer, schließlich müssen wir sauberkeit garantieren. Entweder weise ich an oder mache die Arbeit selbst - zweiteres sogar erstaunlich oft, auch wenn das nicht meine Aufgabe ist. Ihr seht - Auf Arbeit bin ich das gegenteil von dem, was ich nach Verlassen meines Betriebes bin.
Ob Auto oder Wohnung - Ich sehe meinen Monitor, rechts und links davon türmen sich leere Dosen, Milchpackungen, Wein- und Wasserflaschen, Zigharettenschachteln, Tassen, Gläser, Teller, Besteck... Was benutzt wird bleibt genau da, wo ich es zuletzt in der Hand hatte. Ich muss beim Stapeln schon kreativ werden. In meinem Badezimmer türmt sich die Wäsche ins unermessliche. Ich wasche natürlich notgedrungen, aber eben hauptsächlich das, was wir brauchen und sollte ich doch mal mehr waschen.. Nunja.. Beim Bügeln, aufhängen und zusammenlegen ist endgültig feierabend.
Der Fußboden der Wohnung liegt komplett voll mit Kram. Pizzakartons, Joghurtbecher, Hammer, CDs (wer brauch schon noch CDs :D).. Es ist unglaublich.
In meiner Wohnung muss jedoch alles katzensicher sein. Meine beiden Lieblinge sind das wichtigste. Entsprechend werden benutzte teller mit resten etc nicht einfach abgestellt, nein, die stelle ich in den Flur, statt sie abzuwaschen/die reste zu entsorgen, damit die Katzen nicht dran kommen, bis ich dafür Zeit finde. Die Zeit ist da, ich habe so viel zeit, aber ich liege lieber im Bett und fange an, zu heulen, weil ich den Hintern nicht hoch bekomme, anstatt wirklich etwas zu tun. Ich könnte jetzt noch von schimmel erzählen, von aufgequollenem Laminat und was ich nicht sonst noch für horrorzustände zugelassen habe, aber weiter ins Deteil gehe ich da nicht.
Auch in diesem Jahrtausend gibt es noch Menschen mit dem veralteten Rollenbild. Der Haushalt ist meine Aufgabe. Ich will nicht, dass mein Partner das übernimmt. Tut er auch nicht, davon abgesehen.
Es ist wiedermal An der Zeit, dass jemand die Heizung abliest. Seid 5 Wochen gehen wir unserem Vermieter mit aller Macht aus dem Weg - so kann es aber nicht weiter gehen! Also, drückt mir die Daumen. Vielleicht hilft es mir, wenn ich mir Einrede, dass ichs schaffen kann. es ist 6:00 früh, ich habe nicht geschlafen. Jetzt geh' ich pennen, stehe um 12 auf und fange an, komme was wolle. Ich weiß zwar nicht wo und wie und welche Ausrede ich wieder für mich selbst finden werde, aber ich MUSS was tun! Für mich, für meinen Partner und für unser Selbstwertgefühl.
Danke fürs "Zuhören", ich habe vor, hier nun öfter meine Erlebnisse, Fortschritte und Rückschläge zu Papier zu bringen.
#2
Hallo Raska,
kenne ich teilweise auch was du schreibst...auf Arbeit bin ich super ordentlich, alles liegt da wo es sein muss, Hygiene spielt bei mir auch eine große Rolle dort wo ich arbeite. Ich hatte schon den Gedanken das es damit zu tun hat, das die Seele einen Gegenpart sucht zum sterilen ordentlichen Berufsalltag.
Ich bin gespannt wie es bei dir weiter geht, ich würde mit dem Geschirr anfangen, Essensreste weg und alles in den Geschirrspüler räumen oder abwaschen. Aber der Partner muss auch ran! Ihr wohnt zusammen und er macht doch bestimmt auch Dreck? Also....weg mit dem verstaubten Rollendenken.
Grüße von Frau Lotta
Gold
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Hallo Raska,
herzlich Willkommen im Forum!
Du bist kein Messie, sondern du hast eine Antriebsstörung. Du weißt, was Müll ist, du kannst dich bloß nicht aufraffen, ihn wegzuwerfen. Messies wissen nicht, was Müll ist, und was nicht, und können sich bei meist für Außenstehenden völlig unverständlichen Dingen nicht überwinden, sie loszulassen. Bei Babyfotos zum Beispiel verstehen wir alle, dass man sich nicht davon trennen kann. Bei 8 Jahre abgelaufenem Kaffeepulver oder 27 Druckern verstehen wir es nicht.
"ich kann niemandem die Schuld geben."
Schuld interessiert auch keinen. Das Problem ist da, und muss gelöst werden. Der erste Lösungsansatz ist eigentlich immer derselbe, mit ein bisschen Feinjustierung. Der bringt meistens schon deutliche Besserung.
"Ich habe immer viel im Haushalt helfen müssen, meinen Kram selbst wegzuräumen etc.. Traumatische auslöser gibt es keine, es gibt keine Begründungen für Depressionen, für meine Antriebslosigkeit, aber es ist alles da."
Doch, es gibt eine Begründung. Du sagst sie in diesem, und im nächsten Satz.
"Mit 20 bin ich von zuhause weggezogen."
Und dann beschreibst du das, was bei Studenten Prokrastination genannt wird, aber auch nichts anderes ist, als eine Antriebsstörung, die jeden treffen kann. Deine Schilderung ist so eindeutig, dass du dich bestimmt in diesem Zitat aus unserem Selbsthilfe-Guide sofort wieder erkennst: Leistung und Belohnung - Anleitung zur Selbstmotivation
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[Interessant ist, dass] die Autoren König und Kleinmann vor allem an Berufsgruppen denken, die wenig klare Vorgaben haben, wie etwa Freiberufler.
Woran sie offenbar nicht so sehr denken, sind Menschen, die in ihrem Leben außerhalb des Berufs keinen "Vorgesetzten" haben, und "große Spielräume" zur Verfügung haben, wann sie etwas erledigen. Für mich ist das eine absolut plausible Erklärung dafür, warum so viele Betroffene im Beruf kein Problem haben, sich zu organisieren, zügig und ordentlich zu arbeiten, Prioritäten zu setzen etc - und daheim geht gar nichts. Und so wie ich es mitbekomme, gibt es sehr viele Betroffene, die generell wenig bis gar keine Strukturen in ihrem Leben haben.
Zuhause hast du keinen, der dir sagt, wann du anfangen sollst, was du tun sollst, wann du Feierabend hast, und der dir sagt, ob deine Leistung gut oder schlecht war. Du hast keine Belohnung in irgendeiner Form (wie im Job vor allem die Bezahlung), und es hängt herzlich wenig davon ab, es nicht zu tun. Die Welt geht nicht unter, wenn du nicht jetzt deine Wäsche wäschst, sondern erst morgen.
Studenten werden überdurchschnittlich häufig von Prokrastination geplagt, weil sie aus einem durch Schule und Eltern stark strukturierten Leben in eines überwechseln, das fast gar nicht mehr fremdbestimmt ist. In das gleiche Loch fallen mMn viele Arbeitslose - und (Früh-)Rentner. Es fehlt der Druck, etwas bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erledigt haben zu müssen, und der Anreiz, es trotzdem zu tun. Mit anderen Worten: Es fehlen sowohl negative, als auch positive Verstärker.
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Es geht also nicht um ein Trauma, sondern um den Wegfall dessen, was dich bisher motiviert hat, etwas zu tun: Deine Eltern, die dich "angehalten haben", etwas zu tun. Dein Partner hält dich entweder gar nicht an, oder du nimmst seine Aufforderungen nicht in dem Maße ernst, wie die deiner Eltern. Und aus dir selbst heraus kannst du es nicht. Das geschieht oft, wenn die Eltern ihren Kindern zwar beibringen, dass, und wie Dinge zu erledigen sind, aber die Entscheidung, wann es gemacht werden muss, immer selbst treffen. Es kann auch eine wichtige Rolle gespielt haben, dass deine Eigeninitiative immer im Keim erstickt wurde - also wenn du mal was von dir aus gemacht hast, war es zum Beispiel nicht gut genug, oder zur falschen Zeit. Kommt dir davon was bekannt vor?
Selbstmanagement kann man lernen. Es gibt Ratgeberbücher, aber für den ersten Einstieg empfehle ich, den verlinkten Text zu lesen. Es läuft immer wieder darauf hinaus, dass im Belohnungszentrum des Gehirns eine unvorteilhafte Fehl-Verknüpfung gebildet wurde, und unser Foren-Selbsthilfe-Mittel der Wahl dagegen besteht darin, zu versuchen, diese durch die "normale" Verknüpfung zu überschreiben. Dies geschieht durch einfache Übungen, bei denen der korrekte Ablauf "Auf eine Leistung folgt eine angemessene Belohnung" so oft wie möglich wiederholt wird. Alles Weitere dazu, wie das geht, und was das bringt, findest du dann in besagtem Artikel.
Das Online-Tagebuch hilft vielen, dann dran zu bleiben, und bietet auch die Möglichkeit, von außen korrigierende Hilfestellung anzubieten, falls nötig.
#4
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@Raska, @Frau Lotta, ich hatte zwar erst durch Zufall und der Funktion der "letzten Beiträge" in umgekehrter Reihenfolge von diesem Thread gelesen, jedoch dachte ich auch zu fragen, wie es bei euch im Jahre 2018 von den Situationen wäre, wollt ihr Tipps, Ideen oder Erfolge rückmelden, über eure Umsetzungen berichten oder würdet ihr eher PN-Kontakt bevorzugen (wäre für mich auch okay)?, ich dachte nur mal allgemein nachzufragen und euch zu nennen, damit euch dieser Thread wieder an den Seitenbeginn der letzteren Beiträge sichtbar käme und von neueren oder aktiven LeserInnen beguckt werden könnte :-)
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@Messie @Rainbow-Cloud
Ich würde gerne den Text Leistung und Belohnung - Anleitung zur Selbstmotivation lesen und kann ihn nicht mehr finden. Auch nicht über die Suchfunktion. Wer kann helfen?
Dankbare Grüße,
die Kräuterfrau
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