Ich verstehe nach wie vor nicht, warum ich ein Messie bin. Mein Motto war immer schon:
Schrumpf die Welt, bis sie in deine Hand passt.

Ich habe mich heftig gewehrt, als meine Mutter mein kleines Anfängerakkordeon nach einigen Jahren erfolgreichen Unterrichts gegen ein großes, schwarzes Profiinstrument austauschte, das ich kaum tragen konnte.

Ich würde wohl heute noch Akkordeon spielen, wenn ich mir das Folgeinstrument hätte selbst aussuchen dürfen. Es wäre drei Nummern kleiner gewesen und hätte mich auf der musikalischen Bandbreite eingeschränkt. Doch gerade die enger gesteckten Grenzen hätten mich zu einer originellen, authentischen Musikerin mit einem ganz eigenen Stil gemacht.

Die Kleinstversionen von Dingen haben sich immer richtig für mich angefühlt. Ich brauche die Reduktion, um Dinge zu mögen und um damit klarzukommen.

Ich hatte zum Beispiel nie eine echte Küche. Einbauküchen deprimieren und überfordern mich. Alleine schon vor dem unübersichtlichen Raum eines Spülbeckenunterschranks graut mir.

Will sagen: Ich habe immer dafür gesorgt, dass mein Leben übersichtlich und handhabbar ist. Meine Messiewohnung ist das Gegenteil von mir. Wie konnte mir das passieren? Eine rebellische Auflehnung meines Unterbewusstsein gegen meine Ordnungsliebe schließe ich aus.

Meine Erklärung: Ich habe schlicht nie gelernt, wie man einen Haushalt organisiert. Statt Musikunterricht und Sprachreisen hätte mir ein Hauswirtschaftskurs mehr gebracht.

Ich wohne in einer Erdgeschoßwohnung in einem der Hochwasserviertel meiner Stadt. Bis jetzt laufen hier nur die Tiefgaragen und Keller voll. 2014, beim Jahrhunderthochwasser hier in der Gegend, blieb meine Wohnung gerade noch so verschont.

Ich werde der Hochwassergefahr sehr viel gelassener entgegensehen, sobald ich mich minimalisiert habe. Dann brauche ich nur ein paar Umzugskartons vorübergehend bei Nachbarn in den oberen Stockwerken unterzustellen. Ich selbst mache mich dann mit meiner Reisetasche vom Acker, bis das Wasser wieder aus der Wohnung abfließt. 🎏

Wirklich, ich freue mich sehr darauf, wie einfach mein Leben als Minimalistin sein wird.

Der Pegelstand am Flutmarker meines Stadtviertels ist nicht wirklich beruhigend. Falls die Lage bis Dienstag kritisch bleibt, werde ich beim Wohnzimmer mit dem Entkrempeln pausieren und das Kellerausmisten vorziehen.

Ich habe keinen Überblick, wieviel im Keller zu tun ist. Dank weitgehend freigeräumtem Wohnzimmer kann ich notfalls alles aus dem Keller in die Wohnung tragen. Falls das Wasser schneller ist als ich beim Kellerausmisten...