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Soll ich für meinen Mann aufräumen? Ist er Messie?
#1
Mein Mann ist chronisch beruflich überlastet. Er hat eine 60- bis 70-Stunden-Woche. Dieses Jahr ist er schon nicht mit mir und den Kindern in den Urlaub gefahren, weil er sagte, er bräuchte mal Zeit, seine Sachen zu Hause in Ordnung zu bringen (Steuer, Ordnung in seinem Arbeitszimmer). Leider hat er die Zeit dazu dann doch nicht genutzt, sondern Freizeit für sich genossen und im Garten gewerkelt. Jetzt wird die Steuer immer dringender, das Chaos in seinem Arbeitszimmer ist seit Jahren das Gleiche. Er hat sich vor 2 1/2 Jahren neue Regale und Schränke einbauen lassen, seitdem stehen die Sachen aus den alten Regalen in Kisten auf dem Boden rum bzw. alte Möbel mit im Zimmer, aus denen er noch Sachen rausräumen müsste. Der Schreibtisch ist voller Papiere, die Bodenfläche vollgemüllt mit einer Mischung aus ungeöffneten Briefen, Zeitschriften, beruflichen Sachen, Staubschichten. Jetzt musste ich gestern einen Computerfachmann in das Zimmer lassen (was mein Mann auch wollte, weil es um seinen PC-Arbeitsplatz ging). Ich habe ihm gesagt, dass es mir sehr peinlich wäre, jemand in dem Zustand in das Zimmer zu lassen (zumal er noch nicht mal so leicht an den PC rangekommen wäre). Mein Mann sagte, er räume vielleicht noch ein bisschen auf, hat aber die Zeit rein praktisch lieber mit Freizeitvergnügen und beruflicher Tätigkeit verbracht. Ohne es mit ihm abzusprechen, habe ich gestern den größten Teil des Bodens freigeräumt, die Sachen nach Art (Briefe, Zeitschriften) sortiert in Kisten gepackt und geputzt, so dass wenigstens der Großteil des Bodens ordentlich war. Ich hatte befürchtet, dass mein Mann sauer ist, dass ich mich über sein Zimmer hergemacht habe, aber er hat das nur nebenbei registriert und nicht groß kommentiert.
Ich habe das Gefühl, je länger dieser Zustand anhält mit dem Chaos, umso mehr drückt sich mein Mann davor, es anzugehen (was ja auch verständlich ist, weil der Berg an Arbeit immer größer wird). Er kommt nicht rum mit den Aufgaben in seinem Leben, schafft es aber vor allem nicht, sich richtig zu organisieren (er wird immer wieder berufliche Arbeit, auch am Wochenende, haben - um das mit der Steuer und seinem Zimmer zu schaffen, muss er sich gezielt mal darauf konzentrieren und die anderen Dinge vertagen). Ich habe ihm schon öfter angeboten, ihm beim Aufräumen zu helfen, weil ich sehe, dass er nicht die Zeit und Energie dafür aufbringt, weil mich das Chaos nervt (es ist zwar sein Zimmer, aber ich achte schon immer darauf, dass niemand da einen Blick hineinwerfen kann) und vor allem, weil ich denke, dass er insgesamt wieder mehr Ordnung und Energie in seinem Leben bekommen würde, wenn in seinem Zimmer die Ordnung hergestellt wäre. So angesammeltes Chaos, so viel "Müll" blockiert ja auch emotional stark. Mein Mann ist zwischendurch kurz davor, alles hinzuschmeißen (er ist selbstständig), weil es ihm zu viel wird und ich denke, dass dieses Chaos ihn auch mit erschlägt, auch wenn er so tut, als wenn er da ganz locker drüberstehen würde und das alles nicht so schlimm ist, weil es wichtigere Dinge gibt (die hat er ja auch im Griff - die Briefe mit Rechnungen öffnet und bezahlt er etc.) Soll ich versuchen, einzugreifen und aufzuräumen oder abwarten? Früher hat er von Zeit zu Zeit seinen Rappel gekriegt und in einer NAcht-und-Nebel-Aktion aufgeräumt (da war es aber auch nicht so schlimm wie jetzt). Jetzt fürchte ich, dass das noch Jahre so weitergeht, wenn ich nichts mache und mein Mann weiter emotional kaputt geht vor lauter Stress. Nachdem wir drei Kinder im Grundschulalter haben, ist die Aussicht nicht so toll.
Vielen Dank für's Mitlesen! Isabelluisa
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Hallo Isabelluisa,
herzlich willkommen hier im Forum. Auch wenn das vielleicht nicht vordergründig ein Messieproblem sein mag, so ist es doch auf jeden Fall ein Problem, und auch wenn du es nicht so direkt schreibst - die ganze Familie leidet darunter. Du bist gestresst, die Kinder kommen zu kurz. Zum Glück fallen mir dazu ein paar Lösungsansätze ein, die du ausprobieren könntest, weil dein Mann ganz nach meinem Mann klingt. In einem Satz zusammengefasst: Er arbeitet so hart, dass man ihm nicht wirklich krumm nehmen kann, dass er mit vielen anderen wichtigen Dingen ins Hintertreffen gerät, aber irgendwie tut man es trotzdem.
Das ist dann eine Zwickmühle für dich - zwischen der zwingenden Notwendigkeit (Steuererklärung), und dem schlechten Gewissen, den Mann noch mehr zu belasten, obwohl er ja offensichtlich schon ziemlich ausgepowert ist. Kommt das in etwa hin?
Mein Mann hat kein eigenes Zimmer, aber einen Heizraum, in dem er seine Arbeitssachen, Werkzeuge und noch ein paar andere Dinge lagert, und wo viel Haustechnik drin ist, so dass dort auch relativ oft Handwerker rein müssen. Der Raum war ein fortwährender Quell des Chaos. Bis vor einer Weile hatte er dort das Kommando, und ich war mehr wie ein Assistent beim Aufräumen, der nur seinen Anweisungen folgt, weil er (ganz klassisch) meinte, dass er ja dann nichts wiederfinden würde, wenn ihm jemand "seine Ordnung" zerstört. Aus unserer Vorgeschichte war es mir wichtig, dass mein Mann bestimmte Dinge allein auf die Reihe bekommt, und das gehörte immer dazu. Aber dann fiel mir auf, dass mein Mann - obwohl sehr intelligent, technisch begabt und mit einer natürlichen Autorität ausgestattet - massive Probleme hat, eine sinnvolle Grundordnung zu schaffen. Da mangelt es an (für mich!) einfachsten Fähigkeiten, wie etwa, die Größe eines Behältnisses danach auszuwählen, welche Menge Material darin untergebracht werden muss, und wenn der Behälter voll ist, nimmt er einen neuen - statt alles gemeinsam in einen größeren zu kippen. Steht er dann mit einem Gegenstand da, der noch zu keinem der Haufen gehört, überlegt er, wo das Ding am ehesten dazu passt, statt einen neuen Haufen anzufangen, und so weiter. Das war für mich teilweise richtig erschreckend anzusehen, und wenn ich nicht durch dieses Forum hier sensibilisiert worden wäre, hätte es vermutlich früher oder später Streit gegeben.
Klar wurde auch: er muss natürlich solche Entscheidungen irgendwie abspeichern, damit er das Ding wieder findet. Und so gesehen ist es überhaupt kein Wunder, wenn er nicht will, dass ihm jemand seine Ordnung zerstört. Er findet dann tatsächlich nichts wieder, weil die "Speicherplätze" falsch sind.
Wir haben also gemeinsam eine Grundordnung geschaffen, nur dass diesmal ich das Kommando hatte, und er mir assistiert hat. Sein Mitwirken war - so sagte ich ihm - nötig, weil ich mich mit dem Technikkrempel nicht auskenne, und nicht weiß, ob z.B. ein Kabel zu "Telefonie" gehört, oder zu "TV". (In Wahrheit hätte ich es allein gekonnt, ich wollte bloß, dass er dabei ist).
Nachdem er das von mir vorgelegte und erklärte Konzept verstanden hatte, ging das Wegsortieren super schnell, und seither (*klopf auf Holz*) hat sich diese Ordnung gehalten. Länger als es bisher je geklappt hat, und - was noch wichtiger ist - ohne dass ich das Gefühl habe, die schleichende Verwahrlosung setzt schon wieder ein.
Ich habe "das Kommando übernehmen" bei seinen privaten Dingen immer als unangemessene Bevormundung oder Einmischung in seine Belange betrachtet - etwas, das mir absolut zuwider ist. Tatsächlich war es aber für ihn eine ungeheure Entlastung, sich mit dieser für ihn extrem stressigen Situation nur noch als "Assistent" auseinandersetzen zu müssen, und nicht mehr als "Weisungsgeber". Dadurch, dass er in den Prozess eingebunden war, und ihn verstanden hat (auch durchaus seine Meinung einbrachte), war es für ihn nicht nötig, aus der fremden Ordnung nach und nach wieder seine eigene Ordnung machen zu müssen. Er konnte (und kann) die neue Ordnung als "seine eigene" anwenden.
Wir folgen dabei einer leicht zu merkenden Logik: Zusammengehörige Dinge sind zusammen. Selten gebrauchtes befindet sich "unten", häufig gebrauchtes "auf Augenhöhe", leicht zerstörbares wegen der Kinder "oben". Wenn er weiterhin dieser Logik folgt, ist es ihm auch möglich, allein die besten Plätze für neue Dinge zu finden, ganz davon abgesehen, dass er somit 2/3 des Raumes bei der Suche nach irgendwas von vornherein ausschließen kann.
Behälter sind möglichst durchsichtig und/oder beschriftet, und stehen so, dass man sie nicht hin- und her schieben muss, um an alles dran zu kommen. Außerdem gibt es eine Wegsortieren-Schachtel, in die der Kleinkram kommt. Wenn die Schachtel voll ist, muss wegsortiert werden - bis dahin reicht es, das Dingsda achtlos und schnell dort hinein zu werfen. Das nimmt ihm auch den Druck, immer "jetzt sofort und auf der Stelle" jede einzelne Schraube aufräumen zu müssen, um diese neue Ordnung bewahren zu können.
Und ich glaube, darum gehts hauptsächlich: Wenn jemand unter zu großem Druck steht, ist ihm nicht unbedingt damit geholfen, ihm möglichst viel davon abzunehmen, sondern, ihm dabei zu helfen, einen Weg zu finden, wie er sich grundsätzlich nicht mehr so stark damit belastet. Denn das Wissen, dass man eigentlich selbst XY machen sollte, aber das jetzt stattdessen die Partnerin erledigt, die eigentlich schon genug anderes zu tun hat - das macht doch genauso Druck und Stress, und vermittelt womöglich noch das Gefühl, versagt zu haben.
Die Methode, Alltägliches so zu gestalten, dass es sich "fast wie von selbst" erledigt, nennt sich "simplify". Dazu gibt es jede Menge interessante Literatur, das Hauptwerk heißt "Simplify your life", von Küstenmacher und Seiwert. Diese Methode kann man überall anwenden, sie kann auch dir selbst ungeheuer nützlich sein, gerade mit mehreren Kindern, also einfach mal reinlesen und ausprobieren.
Wirklich super wäre es, wenn du uns hier noch ein Feedback geben könntest, ob du mit den bisherigen Infos was anfangen konntest, und dann, ob es euch als Familie etwas gebracht hat.
#3
Hallo Numi,
vielen Dank für Deine Antwort und die Denkanstöße. Mein Mann hatte vor Jahren schon "Simplify your life" abonniert und auch diverse Bücher davon, das Interesse ist also da, es mangelt nur an der konkreten Umsetzung. Aber mal sehen, wie wir die hinbekommen. Deine Gedanken und Erfahrungen dazu finde ich auf jeden Fall hilfreich.
Viele Grüße,
Isabelluisa
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Hey Isabelluisa,
schön, dass du dich gleich zurückmeldest. Du stellst ja die Frage "Soll ich für meinen Mann aufräumen?"
In 99 von 100 Fällen lautet hier im Forum die Antwort klar "nein, bloß nicht!"
Aber bei dir habe ich das Gefühl, dass es sich um die (im Messiebereich eigentlich typische) Ausnahme von der Regel handelt. Meine Empfehlung wäre: "Nicht FÜR ihn, sondern MIT ihm". Du hast ja beschrieben, dass du schon einmal FÜR ihn aufgeräumt, und erwartet hattest, dass er darauf negativ reagiert. Hat er aber gar nicht, und das macht vieles sehr viel leichter, denn das heißt, dass er Einmischung erträgt, und vielleicht sogar wünscht, ohne danach fragen zu können. Wenn dein Mann ein grundsätzliches Interesse daran hat, Ordnung zu schaffen, aber es an der Umsetzung hapert, dann bist du gefragt. Abnehmen kannst du es ihm nicht, das würde mehr Schlechtes als Gutes bewirken. Er muss es ja lernen, aber wie man sieht, haben auch Ratgeberbücher _ihm_ nicht geholfen. Vielleicht helfen sie aber dir dabei, ihm zu helfen. Oder vielleicht brauchst du sie auch gar nicht, weil du von Natur aus ein Organisationstalent bist.
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Hallo Isabelluisa,
ja das ist nicht einfach. Ich habe auch so ein Problem. Mein Mann arbeitet im Wohnzimmer, da sein eingentliches Büro voll mit alten Sachen ist. Ich habe mehrmals eingegriffen und aufgeräumt. Mal fand er es gut und mal war er richtig sauer, weil angeblich wichtige Dinge fehlten. Ich habe auch versucht in anzubieten die Sache gemeinsam wegzuräumen, aufzuräumen und auch zu entsorgen, aber das geht sehr stockend. Er ist auch selbstständig und überfordert. Beschäftigt sich aber viel mit unwichtigen Dingen.
Es ist also ein ständiges auf und ab. Wenn ich ihn zuviel dränge geht die Sache nach hinten los und er wird bockig und macht gar nichts mehr.
Zwischendurch hat er auch einige Sachen mit mir entsorgt, aber er bleibt da nicht wirklich dran. Zum Glück sind keine Kinder mehr im Haus, aber die ganze Unordnung macht mir mächtig zu schaffen. Also da wo ich aufgeräumt habe, ist alles wieder voll. Habe dann einfach auch keine Lust mehr, da ich auch ab und an etwas Freizeit brauche.
Also du brauchst da wirklich noch ganz viel Nerven und Kraft. Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben und das darfst du auch nicht.
Güsse von Angi
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