Geht das?

  • Seite 102 von 102
04.03.2025 13:50
avatar  Sybille
#506
Sy
Gold
Gold
Silber
Silber
Bronze
Bronze
Medaille
Medaille
Pokal
Pokal

Zitat von Robin im Beitrag Projekt "Umzug", Phase I
@Sybille @Gitta

Die Diskussion ist hier okay, aber wenn du sie lieber bei dir drüben führen möchtest, Sybille, ist es auch okay.

Ich habe tatsächlich nicht das Gefühl, dass *qualitativer* Perfektionismus mein Problem ist. Das ist vermutlich sozialisationsbedingt: Das Elternhaus prägt uns hinsichtlich was wir als normal empfinden. Und da bin ich so geprägt, dass man putzt, weil etwas schmuddelig ist, und das man vom Fußboden nicht essen können muss usw.. Als Kind habe ich mich unwohl gefühlt, wenn es bei anderen Leuten nach Putzmitteln roch und die Bewohner genauso antiseptisch waren wie ihr Einrichtungsstil. Bei uns durften Gänseblümchen und Löwenzahn im Rasen wuchern, sämtliche Kinder der Nachbarschaft kamen zum Spielen in unseren Garten, weil sie das zu Hause nicht durften, und meine Mutter brachte für alle selbstgemachte Limonade raus...
Bis sie vom Alkoholismus so angeschlagen war, dass sie mittags immer schlafend auf dem Sofa lag, wenn ich von der Schule nach Hause kam. Ich hab dann mit meinem Bruder den Abwasch gemacht und alleine noch das Schlafzimmer, und mich dann hingesetzt und Zeitschriften gelesen, bis meine Mutter aufwachte und ich sie zu therapieren versuchte...

Aber die Ideale von einem perfekten Leben sitzen trotzdem tief und bilden ein *quantitatives* Problem. Theoretisch müsste ich sozusagen alles tun, was ich gut finde - aber wenigstens müsste ich nichts davon besonders perfekt machen und schon gar kein "Putzteufel" sein. Nur eine perfekte Gastgeberin, allwissend und liebevoll, immer mit einem frischen Kuchen und einer Menge Haustiere, einen wildromantischen Garten mit Öko-Teich, Enten und einem Esel, eigener Energieversorgung durch selbstgebaute Solaranlagen, meine Möbel selbst tischlern und alles, was kaputt ist, reparieren (selbst natürlich), außerdem hervorragend kochen, Bilder malen, fotografieren, basteln...

Also punktuell gelingt es mir, mich von diesen Vorstellungen abzugrenzen - aber nur negativ. Also ich fühle mich dem bloß nicht so gewachsen und finde vieles davon verzichtbar. Also wieso sollte ich z.B. einen armen Hund in meiner Wohnung einsperren, der dann aus Kummer zum restlichen Chaos noch Dinge zerreißt, den Nachbarn die Ohren vollheult und auf den Teppich kackt. Aus Tierliebe? Wirklich??? 🤡





Ich ziehe das Mal hier rüber, bevor ich mit meinen Überlegungen den thread von Dir @Robin vollschreibe...


Das hast Du schön beschrieben @Robin ich kann Euer Zuhause förmlich vor mir sehen. 🥰

Und es erinnert mich an etwas, was Du hier irgendwann mal irgendwo (so oder so ähnlich) geschrieben hast, nämlich, dass es ein "große Schwester" Symptom sei, das Gefühl zu haben, andere retten und alles können zu müssen. Und dadurch nie fertig zu werden und nie vorwärts zu kommen.

Ich füge hinzu, dass es nach dieser Logik mMn das "kleine Schwester" Symptom ist, wenn es nicht gut genug ist, wie man es macht.
Ich sag jetzt mal ganz doof:
Ich bin sicher, Du hast damals Haushalt, Achtgeben auf deinen Bruder und "Therapie" Deiner Mutter nicht "perfekt" sondern so-gut-wie-möglich gemacht.
Und das war garantiert ziemlich großartig, denn ohne Dich wäre es viel schlechter gewesen.
Ist ja wahr. Und wenn es Goldmedaillen gäbe, hättest Du für das was Du damals geleistet hast ganz sicher eine, meine ich wortwörtlich so. Ganz ehrlich!!!
Aber was ich sagen will:
Abgesehen davon, dass bei uns alles anders war, war ich außerdem die kleine Schwester. Die, bei der alles was ich anfasste nicht so toll wurde wie das was meine große Schwester machte. Die kleine Schwester, die unnötige Risiken einging, wenn sie was selbst machte statt die große tolle Lichtgestalt zu fragen, welche sich auskannte. Die kleine Schwester, die unnötige Ressourcen verbrauchte, wenn sie was ausprobierte, die andererseits aber auch unnötige Energie kostete, wenn sie was fragte.

Keine tolle Leistung, keine Goldmedaille, kein Wenn-wir-Sybille-nicht-hätten Aufatmen. Bloß little-old-me, die Dinge machte die nicht besonders toll waren, die im Weg stand und auf die man ständig Rücksicht nehmen musste. Die die Dinge abwechselnd falsch und gar nicht machte und die dann auch noch heulte oder motzte, wenn man ihr sagte, sie möge sich doch EINMAL ein Beispiel an ihrer #tollen Schwester nehmen. Der mit der Goldmedaille, ohne die die Welt ein schlechterer Ort...

Ich will nicht jammern, jede* hat sein Päckchen zu tragen und es gibt ganz ganz GANZ sicher schlimmere Schicksale als meins.
Ich will sagen, dass ich glaube @Gitta dass man SOWAS eben auch lernt. Und dass es tief drin steckt.
Dieses "Wenn Du etwas machst, wird die Welt davon besser" versus "Wenn Du etwas machst, ist es bestenfalls neutral, schlimmstenfalls sehr *sehr* schlecht."

Mir ist längst klar, dass meine Schwester auch keine Kreuzung aus Leonardo da Vinci und Mutter Theresa war. Mir ist klar, dass jeder Mensch Stärken und Schwächen hat und dass es ne Menge Dinge gibt, bei denen es nur "erledigt" oder "nicht erledigt" gibt - und keine Perfektion.

Trotzdem glaube ich, dass dieses "Wenn Du es machst, so gut Du kannst , ist es bestenfalls nichts wert" unheimlich tief drin steckt. Und viel von der "Ich erledige das" Motivation schluckt. Und dass die dann fehlt. Weils halt so betrachtet wirklich vollkommen idiotisch ist irgendwas zu tun. Es ist entweder Mist oder macht alles schlimmer...

Ach... Genug gegrübelt.

#keep going...


 Antworten

 Beitrag melden
04.03.2025 14:53
avatar  Robin
#507
avatar
Gold
Gold
Silber
Silber
Bronze
Bronze
Medaille
Medaille
Pokal
Pokal

Hallo @Sybille ,

ich möchte nun wirklich keine Konkurrenz um Medaillen, die mensch als Kind bekommen oder verdient gehabt hätte oder so. Ich hatte versucht, auf @Gitta 's Frage hin zu beschreiben, in welcher Weise ich von Perfektionismus betroffen bin und in welcher nicht. Man könnte vielleicht sagen, dass es "Perfektionismen" gibt und der meinige nicht beinhaltet, die Spüle zu polieren, als wolle ich sie mir bei der nächsten Feierlichkeit um den Hals hängen. 😉

Bei uns in der Familie war es übrigens zwar tatsächlich so, dass ich die Große war, die alles besser konnte, aber mein Bruder zum Ausgleich der Kleine, der gar nix zu können brauchte, um der Beste zu sein. Einfach, weil er klein und niedlich war!

Ich glaube, Kinder sind gar nicht so in der Lage, Dinge anders zu tun als so, wie sie es halt können. Sie haben auch noch nicht so viele schlaue Bücher darüber gelesen, wie man sich dazu bringt, sich irgendwie zu verbessern. Dafür saugen Kinder die Urteile ihrer Bezugspersonen über Gott und die Welt und insbesondere über sich selbst in sich auf. Ich war übrigens auch nie "gut genug", weil erstens nicht klein und niedlich (also nicht so recht zum Liebhaben) und ansonsten auch nie perfekt, außer in Mathe, und Mathe war nix wert. Im Aufräumen z.B. war ich schon als Kind halt unordentlich. 😸

Der eigentliche Punkt *jetzt* ist m.E. die Schwierigkeit, für sich selbst ein Leben zu leben, mit dem mensch sich wohl fühlt und einverstanden ist - und sich gegebenenfalls von den alten, aufgesaugten Ansprüchen und Werten zu distanzieren, *ohne* in ein trotziges "Ich mach hier gar nix mehr, weil ihr mir so doofe Ansprüche aufgedrückt habt!" zu verfallen. Und ich schreibe "Schwierigkeit", weil ich weiß, dass es schwierig ist. Da sind diese Ansprüche, und was anderes ist einfach nicht da. Ich weiß das, weil es bei mir auch so ist.


 Antworten

 Beitrag melden
04.03.2025 15:48
avatar  Sybille
#508
Sy
Gold
Gold
Silber
Silber
Bronze
Bronze
Medaille
Medaille
Pokal
Pokal

Da hast Du natürlich vollkommen Recht @Robin Es tut mir leid, wenn das nach Kritik klang, das wollte ich nicht.

Eigentlich wollte ich auf was anderes hinaus.

Lass es mich anders formulieren:

Es gibt keine Goldmedaillen. Für niemanden von uns. Du hast trotz großer Leistung weder ne Goldmedaille erhalten noch deine Mutter wundersamer Weise vor dem Alkohol retten können, weil sowas nämlich nicht geht. Und es ist vollkommen egal, was ich #tolles zu tun versuche - ich bekomme auch weder ne Goldmedaille, noch meine Mutter zurück und auch sonst keine Wunder. Niemand bekommt sie. Weil die Welt so einfach nicht funktioniert, weil hier niemand Medaillen verteilt, deshalb.

Und während *ich* dieses "Macht doch Eure *** alleine" Gefühl eigentlich für halbwegs handlebar halte - man rafft sich auf, reißt sich zusammen und gut. Ist bei *mir* (und ich glaube DAS resultiert aus dieser Konditionierung) seit einiger Zeit ehr das gegenteilige Gefühl die Pest:

Der Traum *diesmal* werde es anders laufen und ich werde was #tolles erreichen. Dann werde alles #toll werden und "man" werde mich #toll finden und #Wunder und #Goldmedaille und überhaupt. Ich muss nur *einmal* #toll genug sein, dann wird der Traum wahr...


Denn dieser "alles wird #toll wenn..." Traum ist ein großartiger Motivator, mit dem schafft man sonstwas - und der Absturz hinterher ist vorprogrammiert, weil das Ziel von vorneherein unerreichbar war.

Fakt: Es gibt keine Methode ein Badezimmer so #toll zu putzen, dass ich mich danach wie ein wertvoller Mensch fühle. Man kann durch das Machen des Abwaschs keine Wunder vollbringen und jeder Versuch dieser Art ist zum Scheitern verurteilt. Und jedes Scheitern senkt die Motivation einen einzigen Handschlag zu machen, was ein ziemlich blöder Teufelskreis ist, zumal ich ätzend lange gebraucht habe ihn zu durchschauen.

(Meiner Schwester ist der Mist btw. mindestens so schlecht bekommen wie mir, falls ich hier klinge als hielte ich die andere Position für erstrebenswert- das ist es nicht. Es sind zwei Seiten eines Musters, bei dem es mMn ausschließlich (!!) Verlierer gibt. #lose-lose)

Ich glaube am Ende des Tages bleiben solche Abstürze nur aus, wenn man von vorneherein von diesem "Du bist #toll wenn Du..." Teufelskreis wegbleibt. Egal von welcher Seite, der ist einfach *immer* ungesund.

Oder anders formuliert: Entweder die Tatsache, dass *ich* dann sauberes Geschirr habe, ist mir Motivation genug es zu spülen. Oder es bleibt dreckig. Wenn ich in der Vorstellung spüle, es gäbe dafür irgendwann den goldenen-Putzlappen, habe ich schon verloren.
Und wenn meine Schwester in dem Glauben, dann werde alles gut den tollsten aller Vorzeige - Haushalte führt, mit dem sie in jedem Katalog werben könnte... Dann gibt's auch dafür nix. Keine Medaille. Kein begeistertes Publikum. Nichtmal ein #tolles Verhältnis zu ihrer kleinen Schwester.
Denn wenn etwas kein Wettbewerb ist, dann gewinnt man auch nicht. Nie...


 Antworten

 Beitrag melden
04.03.2025 22:03
avatar  Gitta
#509
avatar
Gold
Gold
Silber
Silber
Bronze
Bronze
Medaille
Medaille
Pokal
Pokal

Hm, wie wäre es mit einer Medaille für ein goldenes Herz? Denn ich glaube, das habt ihr beide @Sybille und @Robin , und noch andere hier. 😊
Und das ist doch am Ende viel mehr wert als Leistung und polierte Oberflächen.


 Antworten

 Beitrag melden
11.03.2025 00:08
avatar  Sybille
#510
Sy
Gold
Gold
Silber
Silber
Bronze
Bronze
Medaille
Medaille
Pokal
Pokal

Ich hatte mal wieder eine von meinen weiß-jeder-fünfjährige-außer-mir Erkenntnissen.

Nämlich: Davon, dass man Dinge in den Schrank stopft, findet man sie erst recht nicht.

Ich habe neulich in einer ich-mach-das-jetzt-irgendwie Aktion einen Großteil meiner Klamotten in die Schränke gepackt.
Ungefähr nach Arten geordnet und dann rein.

Und ich stelle fest: So finde ich die Sachen noch schlechter als wenn sie auf dem Fußboden rumfliegen.

Klamotten im Schrank hilft also nur, wenn's so geordnet, übersichtlich und gut-benutzbar ist, dass es besser ist als mir-doch-***egal.
Da ich ein solches für mich passendes Ordnungssystem aber bisher nicht gefunden habe - verwundert es nicht, dass es nicht klappt.

Geht das? - Glaube nicht...


 Antworten

 Beitrag melden
Bereits Mitglied?
Jetzt anmelden!
Mitglied werden?
Jetzt registrieren!
Forenspende
Hallo !

Wir hoffen, dass dir unser Forum gefällt und du dich hier genauso wohlfühlst wie wir.

Wenn du uns bei der Erhaltung des Forums unterstützen möchtest, kannst du mit Hilfe einer kleinen Spende dazu beitragen, den weiteren Betrieb zu finanzieren.

Deine Spende hilft!