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Ich schaffs einfach nicht...
Hallo [smile]
Nachdem ich mich hier kreuz und quer durch viele Beiträge gelesen habe, wage ich es auch mal hier zu schreiben. Sorry wenn es jetzt ein bißchen viel wird, aber ich denke, vielleicht wollt Ihr ja auch ein bißchen Hintergrundwissen über mich haben...
Also ich bin weiblich, Ende 40, arbeite Vollzeit, Single (gern und freiwillig), und teile mein Leben mit dem süßesten Wesen der Welt - meiner Katze. Klingt soweit ganz gut - wenn da nicht ein paar (für mich massive) Probleme wären...
Ich habe vor etwas mehr als 10 Jahren offiziell die Diagnose chronisch depressiv bekommen, als ich komplett zusammen geklappt bin und für mehr als ein halbes Jahr in der Klinik war. Durch die Therapie hat sich auch herausgestellt, daß die Depri schon angefangen hat, als ich ca. 14 war - ich habs nur immer verdrängt und einfach so lang irgendwie weiter funktioniert bis der Akku komplett leer war. Mittlerweile habe ich die Depri seht gut im Griff, seit ca. 3 Jahren bin ich zum Glück relativ stabil.
In der Arbeit bin ich sehr genau, arbeite gewissenhaft, gründlich, zuverlässig, auf meinem Schreibtisch und in meinem Schrank herrscht Ordnung, ich habe alles wirklich im Griff, und bei der letzten Beurteilung wurde mir sogar gesagt wie wahnsinnig strukturiert und organisiert ich arbeite. Im Gegensatz dazu war ich "in meinem Reich" immer schon chaotisch - allerdings war es auch immre schon "geordnetes Chaos" - jeder Außenstehende starrt(e) fassungslos auf das Chaos und ist der Meinung, daß man da niemals irgendwas wieder finden würde, aber ich weiß von fast allem haargenau wo was ist. Selbst wenn mein bester Freund zu mir sagt daß er eine bestimmte Schraube bräuchte kann ich ihm die binnen 3 Minuten in die Hand drücken...
Ich habe aktzeptiert daß ich ein gewisses bißchen Chaos brauche, das ist auch ok, und damit könnte ich auch gut leben. Mein Problem ist daß ich viel zu viele Sachen habe, und wenn ich "viel zu viel" schreibe, dann ist damit schon ein extremes Ausmaß gemeint.
Die Erkenntnis über folgende Dinge ist schon lange da:
Ich bin in gewisser Weise kaufsüchtig, arbeite aber hart daran und habe es inzwischen einigermaßen im Griff, natürlich gibt es auch nach wie vor Phasen wo es gar nicht geht. Ich bin nicht in der Form kaufsüchtig, daß ich die Sachen dann nicht mal auspacke und nur irgendwo samt Karton bunkere, sondern ich freue mich auf das Paket, packe es sofort aus und benütze die Dinge dann auch.
Ich bin ein Sammler - wenn es hier die Einstufung von 1 - 10 geben würde, wäre ich ungefähr bein 20...
Ich bin ein Messi.
Es ist so, daß ich zwar immer noch sehr gut organisiert bin, es sieht katastrophal aus, aber ich weiß in 99% aller Fälle immer genau, wo ich was habe. Es ist auch nicht so, daß sich bei mir Müll ansammelt, ich bringe Müll immer raus, trenne auch brav Glas, Papier, Pappe, gelber Sack und Restmüll, es stapelt sich auch kein dreckiges Geschirr, Schmutzwäsche landet immer im Wäschekorb, ich wasche regelmäßig und räume die Sache dann auch gleich wieder auf wenn sie trocken sind. Also aufräumen im Sinne von "ich lege sie dahin wo sie immer liegen". Z.B. liegen alle Jeans und Sweatshirts die ich täglich anziehe auf der 2. Hälfte meines Doppelbettes, weil in den Schränken einfach kein Platz mehr ist bzw. ich die Drehtüren nicht aufkriege weil irgendwas davor liegt (bei Schiebetüren gehts noch eher, aber es hängen auch an allen Schränke und Regalen im Schlafzimmer Klamotten außen dran). Außerdem hab ich irgendwie meine Klamotten lieber immer so "griffbereit" liegen, keine Ahnung warum.
Ich würde gerne mehr aufräumen, aber es geht einfach nicht, weil es keinen Quadratzentimeter Platz mehr gibt - in meiner Wohnung existieren eigentlich nur noch "Durchgangs-Straßen". Selbst das riesen Sofa ist bis auf den Mittelteil voll... Ich habe eine 2-Zimmer-Wohnung mit ca. 75m², diese ist bis auf den letzten Zentimeter mit Schränken und Regalen voll, in diesen quetschen sich die Sachen, und ich kann so gut wie keine Schranktür mehr öffnen, weil sich mittlerweile die Sachen VOR allen Schränken und Regalen stapeln (auf den Schränken selbstverständlich auch).
Natürlich habe ich auch schon die berühmten Sätze gehört wie "ja, dann schmeiß doch endlich mal die Hälfte von dem Mist raus", oder "du bräuchtest ja nur mal richtig ausmisten" und so weiter. Tja - würde ich ja wenn ich könnte, aber ich KANN nicht. Ich kann mich einfach nicht von meinen Sachen trennen, und wenn ich mir tausend mal sage "dieses was-auch-immer* brauchst du wirklich nicht mehr". Es geht einfach nicht. Wegwerfen von etwas das nicht völlig kaputt ist geht schon gleich gar nicht, aber auch aussortieren klappt nicht. Leider klappt nicht mal die Methode, Dinge in Umzugskartons zu packen und nach ein, zwei Jahren dann aussortieren - ich musste leider feststellen: selbst nach zwei, drei Jahren bringe ich nicht fertig die Sachen weg zu geben die ich da reingepackt habe.
Heute war wieder so ein richtig "beispielhafter" Tag dafür. Ich habe mir die Seite vom Sozialkaufhaus ausgedruckt, wo drauf steht was sie nehmen und was nicht, habe mir gedacht "oh fein, die nehmen alles Mögliche an Bekleidung, Haushaltsdingen und auch Bücher" und habe mich sofort dran gemacht. Ich habe ca. 3 1/2 Stunden lang meine Kleiderschränke durchforstet, hatte bestimmt 100 Pullis und Shirts in der Hand, und habe es nicht fertig gebracht, selbst solche für das Sozialkaufhaus raus zu legen, die ich seit Jahren nicht mehr anhatte. Ich habe eine einzige Jacke und zwei Pullis zusammen gebracht. Genau das gleiche bei den Schuhen, von den bestimmt 80 Paar Schuhen habe ich nur drei Paar gefunden, von denen ich mich trennen kann.
Bei etlichen Sachen denke ich auch "die verkaufst du besser, da bekommst du noch Geld dafür, statt sie zu spenden - ich habe nämlich auch den **** voll Schulden und könnte dringend ein paar zusätzliche Euros brauchen. Allerdings scheitert das Verkaufen dann nicht daran daß ich es seelisch nicht schaffe, sondern daß ich die Zeit nicht habe oder am WE einfach zu kaputt für solche Aktionen bin. Auf dem Flohmarkt verkaufen kann ich leider aus gesundheitlichen Gründen auch nicht mehr, mein Rücken, meine Hüften und meine Knie schaffen die Schlepperei und Steherei nicht mehr, und ich habe niemand der mir dabei helfen würde.
Tja, Ende vom Lied war, daß ich wieder heulend auf dem Sofa saß, und das Gefühl habe daß ich das nie in den Griff bekommen werde. Es geht einfach nicht, ich schaffe es nicht selbst Sachen wegzugben die ich seit Jahren nicht mehr anhatte, die ich höchstens nur Zuhause anziehe, oder Für die paar Sachen die ich heute für das Sozial Kaufhaus zusammen gebracht habe, lohnt sich der weite Weg nicht, also liegt jetzt noch ein zusätzlicher kleiner Haufen auf dem Boden rum.
Und jetzt sitz ich hier und frage mich, was soll ich denn nur machen? Ich glaub ich bräuchte eine Gehirnwäsche um erstens die Einkauferei endgültig in den Griff zu bekommen, und zweitens mich von Sachen trennen zu können... Ich habe schon einiges gelesen, habe auch schon die Methode mit den drei Kisten "kann weg - weiß nicht - bleibt hier" probiert - die "kann weg" blieb leer, in der "weiß nicht" war ein bißchen was und die "bleibt hier" ist übergelaufen. Nach einem Jahr wanderte dann alles von der "weiß nicht" Kiste wieder in die Wohnung... Auch die Methode "für ein neues Teil kommen zwei andere weg" klappt nicht - ich bestelle dann was neues oder kaufe mir so was, und sage mir "ach, die zwei Dinge die dafür weg kommen such ich dann am Wochenende raus", was natürlich nie passiert.
Als ich es doch einmal geschafft hatte, zwei Umzugskartons mit Klamotten und Taschen weg zu geben, war ich zwar schon ein wenig stolz, hab aber gleichzeitig "getrauert" (blöder Ausdruck dafür, sorry, aber ich weiß grad nicht wie ich es anders beschreiben soll), und hatte das Gefühl daß mir was fehlt - also diese Gefühl von Befreiung hat sich leider nicht eingestellt.
Tut mir leid daß es so viel geworden ist....
Liebe Grüße
Samtpfote
#2
Liebe Samtpfote !
Herzlich willkommen hier !
Depression kenne ich.......und dass dies und das mal den einen oder anderen Tag nicht wie geplant läuft, kenne ich auch.
Deine innere Verfassung kann ich mir ungefähr vorstellen, denn selbst als ich endlich von der Depression wusste und die
verordneten Tabletten regelmässig nahm, hiess das ja nicht, dass ich nun Bärenkräfte habe,um der unordnung und dem Chaos zuleibe zu rücken.
Die Depression zog sich über Jahre hin und die Besserung braucht nach meiner Erfahrung auch ihre Zeit.
Also nach allem, was ich hier im Forum gelernt habe, kann ich Dir nur raten: sei gut zu Dir und ärgere Dich nicht über Deine Schwierigkeiten,
das zieht Dich nur weiter runter. Das soll fürs erste genügen. Grüssele Mausohr
Hallo Liebe Mausohr,
vielen Dank!
Ja, Tabletten sind keine Wundermittel, bei mir war es auch so, daß es nur ganz langsam aufwärts ging als ich die Medis genommen habe. Nur die Zeit in der Klinik ist schon über 10 Jahre her, und das letzte mal Tabletten war auch vor ca. 5 Jahren. Ich denke ich kann die Depri nicht mehr als "Ausrede" benutzen, daß ich das nicht auf die Reihe bekomme... Und gegen das Sammeln und für das Ausmisten kämpfe ich auch schon seit ca. 9 Jahren - so gut wie ohne Erfolg.
Gut zu mir zu sein und so habe ich in der Thera und vor allem auch in den Jahren danach gelernt, auch zu aktzeptieren daß ich in den Phasen der Depri vieles oft einfach nicht kann. Das ist halt so, und ich weiß daß das wieder besser wird und ich akzeptiere das in dem Moment dann halt.
Nur das Sammeln und absolut nichts weggeben können macht mir zu schaffen, weil ich hier seit Ewigkeiten keinen Fortschritt sehe und meine Wohnung immer voller wird. Klar - ich kaufe mir immer wieder was und gebe nichts weg... Und mich darüber nicht zu ärgern schaffe ich leider nicht.
Ich stehe immer wieder mitten dem, was eigentlich ein Wohnzimmer sein soll, würde total gern aufräumen und kann es nicht, weil es einfach keinen Platz gibt wo ich die Dinge noch hinräumen könnte. Im Moment könnte ich vermutlich nicht mal eine Kerze mit 10cm Durchmesser irgendwo im Wohnzimmer hinstellen... Und dann so Tage wie heute, wo ich voller Power loslege und dann nach einer Viertelstunde schon merke "es geht einfach nicht", es noch drei Stunden weiter versuche und nichts erreiche sind auch nicht gerade aufbauend. Dann gibt es noch die Tage, wo ich zwar liebend gern anfagen würde mit ausmisten, und dann in meiner Wohnung stehe, mich umschaue, und mich schlagartig hoffnungslos überfordert fühle weil mir in dem Moment klar wird daß das keinen Sinn hat weil ich das niemals schaffe, weil ich einfach nichts habe von dem ich mich trennen könnte... Und wie meine Stimmung dann ist könnt ihr Euch ja vorstellen :-(
Die einzigen Plätze die ich nicht mit irgendwelchen Sachen vollstaple sind der Kratzbaum, die Kuschelhöhle (also innen, oben liegt natürlich was drauf), und die sonstigen Plätze von meiner Katze... Ich esse auch am Wohnzimmertisch, weil ich an den Esstisch nicht mehr rankomme (weil sowohl auf dem Tisch als auch auf den beiden Stühlen alles voll liegt).
LG
Samtpfote
#4
Willkommen im Forum, Samtpfote (schöner Nick).
Deine Geschichte erinnert mich in Teilen an mich selbst. Ich habe ebenfalls eine schwere Depression hinter mir, die eben erst so heftig im Alter ausbrach, aber mein ganzes Leben wirkte. Alltag habe ich wieder im griff, also Beruf und so. Und Jahre nach der Depression kam diese "ich habe viel zu viel, alles zu viel" auch über mich.
Naja, diese AllesZuviel ließ mich fast zusammenbrechen. Und ich konnte nicht aussortieren, nichts für Sozialkaufhäuser, ebay oder sonst was auswählen. Für mich gab es nur den radikalen Weg "weg damit". Ich habe wirklich ausgemistet und ich möchte nicht wissen, wie viel Geld dabei flöten ging, weil ich eben nicht verkaufte. Aber das hätte ich eh nie geschafft. Fast aller Müll ist jetzt draußen - und Müll bedeutet in dem Fall auch Kleidung, die eigentlich in ordnung ist, die ich nur nicht mehr anziehe; Schuhe, die ich nie trage, jede Menge Werkzeug, sogar Fotoapperate, Tablets, Handys. Alles weg auf den Müll. Ich habe Wochen dafür gebraucht.
Aber: ich habe jetzt Platz (obwohl ich noch lange nicht fertig bin). Kaufsüchtig bin ich immer noch. Aber jetzt kaufe ich, weil das Gekaufte die Wohnung schmücken wird. Oder weil meine Samtpfote einen schönen Kratzbaum haben soll (der alte fliegt raus, ist eben hässlich geworden im laufe der Jahre). Es geht schon. Mit dem Raum um mich herum habe ich auch Raum in mir gewonnen. Manches im Denken verändert sich dadurch.
Aber anfangen konnte ich erst, nachdem mir auch klar wurde, was all das Gerümpel um mich herum bedeutet. Für mich bedeutet. Weshalb ich diese Schutzmauer brauchte. Warum ich mich hinter hier verstecken und einigeln mußte. Das war alles wichtig für mich, über viele Jahre. Nun bröckelt die Mauer und ich kann durch seine Ritzen draußen eine frühlingshafte Welt sehen - will sagen: ich glaube, ich brauche diese Mauer nicht mehr. Das habe ich aber auch erst begriffen, als sie schon die ersten Lücken hatte, die zuvor von all dem Krempel zugestellt waren.
Ich wünsche dir einen Anfang. Danach gehts Schritt für Schritt immer weiter - egal, wie lange es dauert.
Hallo Samtpfote,
herzlich Willkommen hier.
Unter Depressionen ist mit das schlimmste, woran man leiden kann finde ich. Meist wird es nämlich vom Umfeld nicht anerkannt. Sprüche wie "Nun reiß dich doch mal zusammen!" habe ich in meinen depressiven Phasen. Obwohl ich eher sagen würde, dass meine Grundstimmung immer depressiv ist, aber mal zerfrisst sie mich und mal ist sie einfach nur mein alter bekannter Wegbegleiter.
Sich hier angemeldet zu haben war ein guter Schritt und mit weiteren kleinen Schritten kommt man immer weiter ein Stück voran.
Liebe Grüße
Berle
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