Auch ich stelle mir die Frage wo ich mich einordnen soll.
Wenn ich mich in meiner Wohnung umsehe, frage ich mich wie es soweit kommen konnte. Leide ich unter einer psychischen Störung oder bin ich einfach nur zu faul?
Ich habe mich ein wenig belesen zum Thema und überall lese ich was von Ereignissen in der Kindheit die sich im Chaos manifestieren.
Meine Kindheit würde ich grundsätzlich als glücklich bezeichnen, wenngleich es auch Faktoren gab, die für jeden Aussenstehenden dagegen sprechen könnten.
Mein Vater war Alkoholiker. Nicht durchweg betrunken, aber er zog 3-4 Mal pro Woche los in die Kneipe und kam hackedicht nach Hause.
Ich habe nie erlebt das er gewaltätig geworden ist, allerdings brüllte er im Haus herum, beleidigte meine Mutter, die in diesem Zustand derart Angst vor ihm hatte, das sie sich mit uns Kindern immer im Kinderzimmer einschloss und die Tür verrammelte.
Ich selbst hatte nie wirklich angst vor ihm. Ich wusste er würde mir nichts tun und wusste schon im frühesten Kindesalter, das es nichts bringt ihm zu widersprechen oder zu verärgern, wenn er in diesem Zustand ist.
Bis auf die Tatsache, das es mir vor meinen Freunden peinlich war, wenn er mal wieder besoffen nach Hause kam, während ich Besuch hatte, konnte ich also mit dieser Situation ganz gut umgehen.
Wie gesagt, war ich trotzdem ein sehr glückliches Kind. Ich war gut in der Schule, machte erfolgreich Sport, sang im Chor, hatte viele Freunde.
Mit 18 kam ich mit meinem ersten festen Freund zusammen. Ich erinnere mich, das sein Zimmer chaotisch aussah und ich es unverständlich fand, das es ihm nichtmal peinlich war mich überhaupt herein zu bitten (ich hätte nie im Leben jemanden in ein solches Zimmer eingeladen).
Als wir uns besser kannten und ich mehr Zeit bei ihm verbrachte, störte mich das Chaos so sehr, das ich begann bei ihm aufzuräumen.
Später zogen wir zusammen in eine neue Wohnung und auch dort war Ordnung für mich eine Selbstverständlichkeit. Ich konnte ihn sogar dazu bringen entsprechend mitzuwirken und wenngleich es nur selten wie geleckt aussah, so war es immer soweit aufgeräumt, das man Besuch empfangen konnte.
4 Jahre später trennte ich mich von ihm und lernte jemand neues kennen. Da er über 700km weit weg wohnte, zogen wir recht bald zusammen, was für mich ein großer Schritt war, da ich damit mein gewohntes Umfeld und auch viele Freunde aufgeben musste.
Die neue Wohnung war schön, aber wie sich bald herausstellte, einfach viel zu klein. Es gab keine Container in der Nähe, wohin man den Müll fahren konnte, sondern bis auf den Hausmüll (1 Tonne für 3 Parteien), war man auf de Abholdienst angewiesen.
Das führte recht bald dazu, das wir ständig das Problem hatten, das wir nicht so richtig wussten wohin mit dem Müll.
Gelbe Säcke stapelten sich im Flur, Papier ebenfalls und ich war jedesmal heilfroh, wenn die Abholdienste endlich vorbei kamen.
Unser Schlafzimmer war recht bald zur besseren Abstellkammer umfunktioniert worden. Kaputte Geräte o.ä. lagerte man dort zwischen, bis man endlich die Zeit fand, das ganze mal zum Recyclinghof zu karren.
Ich fühlte mich eingeengt in dieser Wohnung und wannimmer sich Besuch ankündigte, begannen wir panisch damit etwas Ordnung zu schaffen und immer mehr ins Schlafzimmer zu verlagern.
Seinerzeit hatte ich nicht den Eindruck, wir hätten ein ernsthaftes Problem. WIr wussten halt nur nicht wohin mit dem Kram bzw. wurden ihn nicht schnell genug los und hielten die Wohnung dennoch ordentlich, soweit es eben möglich war.
Nach 5 Jahren trennte ich mich von ihm und zog zurück in meine Heimat in eine (wieder) zu kleine Wohnung, in der ich bis heute lebe.
1 Zimmer, Küche, Bad und ein kleiner Flur führten dazu, das ich mich nicht so richtig einrichten konnte, wie ich es mir eigentlich erträumt hätte.
Viel improvisieren und die Notwendigkeit jegliches unnützes Zeug (Kartons o.ä.) sofort wegzubreingen, da keinerlei Platz für Zwischenlagerung.
Im ersten Jahr schaffte ich es problemlos Ordnung zu halten. Nach und nach allerdings wurde aus der einen Mülltüte, die ich später noch rausbringen wollte, 2, dann 3 und nun stehen hier gut und gern über 10 Mülltüten in der kleinen Wohnung rum. Dazwischen massig leere PeT Flaschen, leere Kartons, benutztes Geschirr, Joghurtbecher , Klamotten.
Meine Fenster habe ich seit 2 Jahren nicht mehr geputzt, weil ich nicht mehr drankomme. Im Bad ist der Boden indes gepflastert mit Zeitungen und die Küche ist derart zugemüllt mit verkeimtem Geschirr, leeren Verpackungen und Müllbeuteln, das Kochen unmöglich geworden ist.
Entsprechend ernähre ich mich größtenteils von Fertigerichten, die ich im Backofen warm machen kann oder Butterbroten, die ich mir auf dem Schreibtisch am Rechner schmiere.
Ich kaufe Pappteller und Plastikgabeln, weil auch die Spüle vollgestellt ist und das schmutzige Geschirr teilweise unter dem ganzen Müll liegt.
Diese Ernährung führte auch dazu, das ich mein schon immer vorhandenes Übergewicht derart ausgebaut habe, das mir, wannimmer ich mich aufraffe, das Chaos zu beseitigen, sehr schnell die Puste ausgeht.
Erst vorhin habe ich versucht das ganze wieder anzugehen und gewartet bis es dunkel ist, um zumindest ein paar Mülltüten zum Container zu bringen (ich möchte nicht, das mich jemand 2-3 Mal mit 4-5 Tüten beladen rumlaufen sieht).
Danach bin ich fix und fertig...setze mich hin und denke mir "kleine Pause" und irgendwann ist es wieder so spät, das man den Vorsatz wieder verwirft.
Meine Waschmaschine ist seit nun fast 5 Monaten kaputt. Meine Wäsche, wasche ich seitdem bei meiner Mutter, die natürlich nichts vom Chaos in meiner Wohnung weiß. Sie weiß das es unordentlich ist und ich sie deshalb auch nicht zu mir einlade, aber sie denkt sehr wahrscheinlich, das ich mich wegen ein paar rumliegender Klamotten oder einem nicht erledigten Abwasch schäme und nicht, das es derart zugemüllt ist.
Sie will mir zu Weihnachten eine neue Waschmaschine schenken und hat angeboten meine alte Maschine bei ihr unterzustellen, bis der Sperrmüll kommt, aber wie soll ich das Ding aus der Wohnung bekommen, ohne das ich jemanden herein lasse?
Ich kann sie ja unmöglich allein raustragen. Langsam gehen mir die Ausreden aus und obwohl ich weiß, das meine Mutter mich unterstützen würde beim Aufräumen, bringe ich es nicht fertig ihr zu sagen, wie es bei mir zu Hause wirklich aussieht.
Ich schäme mich so für meine Wohnung und empfinde es als extrem belastend das so Kleinigkeiten wie Papiere raussuchen bei mir zu einem Projekt werden, das sich nicht innerhalb weniger Minuten lösen lässt, sondern zu einer Tagesaufgabe wird.
Ich hätte so gern wieder ordentlich und vor allem hygenisch. Mal wieder durch die Wohnung laufen, ohne aufpassen zu müssen wo man hintritt. Mal wieder etwas richtiges kochen und von sauberem Geschirr essen. Mal wieder Freunde und Familie einladen. Nicht auf den Einbruch der Dunkelheit warten müssen, um Massen an Müll loszuwerden.
Ich weiß das man sich nicht zuviel auf einmal vornehmen soll, weil es in einem Rutsch nicht zu bewältigen ist, aber wenn ich ein wenig gemacht habe und dann aufhöre, weiß ich bereits, das wieder Tage oder Wochen vergehen, bis ich mich erneut aufraffen kann und in der Zeit ist das was ich weggeschafft habe, bereits erneut angesammelt.
Ich habe schon überlegt professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, aber ich könnte nie jemandem zeigen wie ich lebe, geschweige denn erlauben, das jemand meinen Müll rausträgt. Mir wäre das einfach zu peinlich. Daher muss ich es selbst schaffen, irgendwie.
Gibt es denn hier Leute, die allein aus diesem Chaos rausgekommen sind und brauchbare Tipps parat haben?