Hallo zusammen,
ich brauche bitte mal einen Tipp bzw. eine Einschätzung von euch. Es geht um die Eltern meiner Freundin, sie wohnen in einer anderen Stadt, 165 km von uns entfernt.
Ihre Eltern waren immer sehr bequem und haben nur die allernötigsten Dinge getan. Hausputz? Einmal die Trampelpfade durchsaugen, das muss reichen. Staub wischen? Unnötig. Aufräumen, ausmisten? Nur, wenn es unumgänglich war.
Beide waren berufstätig und hatten nach eigener Aussage abends und am Wochenende keine Lust, sich auch noch zu Hause "anzustrengen". Stattdessen wurde ferngesehen, viel geraucht (3-4 Schachteln pro Person und Tag) und auch ordentlich Alkohol getrunken (Bier und Schnaps). Meiner Freundin war das im Kindes- und Jugendalter sehr unangenehm, da ihre Freunde sich über das Durcheinander, den Dreck und die ununterbrochene Raucherei in allen Räumen des Hauses (und ohne zu Lüften) lustig gemacht haben. Wenn sie die Eltern darauf angesprochen hat, hieß es nur, sie solle sich nicht so anstellen, das würde doch niemanden stören und sei alles okay so.
Reparaturen des Hauses wurden ähnlich gehandhabt. Die Türklinke des ehemaligen Kinderzimmers meiner Freundin fällt regelmäßig ab, so dass man die Türklinke vom Boden aufsammeln und erneut aufstecken muss? Da soll sie sich nicht anstellen. Die Fenster des Hauses sind aus Holz, 40 Jahre alt, verzogen und lassen sich größtenteils nicht mehr öffnen? Macht doch nichts, es muss ja nicht gelüftet werden. Ein Klosteinhalter wurde mit runtergespült und verstopft seit 10 Jahren die Gästetoilette? Macht auch nichts, es gibt ja noch eine zweite Toilette im Badezimmer. Die Heizleistung ist schlecht, weil sehr viel Luft in den Heizkörpern ist? Macht ebenfalls nichts, einfach das Heizungsventil weiter aufdrehen.
An mangelndem Geld für die Reparaturen lag es nicht, davon war und ist genug vorhanden.
Die Eltern waren sich also einig darin, das man es mit dem Aufräumen, Putzen und Reparieren nicht übertreiben muss. Ähnlich bequem haben sie es mit dem Wegräumen von Gegenständen, die man aktuell nicht braucht, gehalten: ab in einen der 5 Kellerräume damit und einfach in irgend eine Ecke stopfen. Auf die Frage, ob man den fraglichen Gegenstand nicht auch hätte wegwerfen können, kam die Antwort, dass dann durch diesen Gegenstand ja Platz in der Mülltonne belegt würde. Und wenn man dann überraschend Platz für andere Dinge in der Mülltonne bräuchte, diese voll wäre. Außerdem könne man den Gegenstand ja vielleicht nochmal brauchen...
Als die 5 Keller voll waren, wurde das Auto aus der Garage gefahren und die Garage vollgeräumt. Dort stapeln sich u.a. eine defekte Mikrowelle, ein ausrangierter Geschirrspüler, vom Wasser durchweichte und verzogene Sperrholzplatten und mehrere Generationen Fahrräder (wenn die weiter hinten stehenden Fahrräder zugeräumt waren, wurden neue gekauft und vorne vor gestellt, bis die ebenfalls zugeräumt waren).
Danach wurden zwei stattliche Lagerecken im Garten angelegt, über die die Nachbarn alles andere als glücklich sind.
Beim Einkauf wurden auch gerne ganze Papp-Paletten Lebensmittel gekauft, z.B. 12 Gläser Apfelmus, obwohl der Vater niemals Apfelmus isst und die Mutter nur äußerst selten. Begründung war, dass das Apfelmus im Angebot war und man ja sooo viel Geld gespart habe... Diese Lebensmittelmassen wurden anfangs noch in den Vorratskeller, später dann einfach in irgendeinen der Kellerräume geräumt. Später wurde ganz auf das "Einräumen" verzichtet und die volle Plastiktüte mit den Einkäufen wurde so wie sie war auf den Fußboden in einen der Keller gestellt. Herausgeholt wurde dort so gut wie nie etwas, weil das Suchen ja anstrengend gewesen wäre. Für den täglichen Bedarf benötigte Lebensmittel wurden also kurzfristig nachgekauft (und bei der Gelegenheit gleich wieder ein kleiner Vorrat mitgenommen...).
Die Mutter ist 1997 an Krebs erkrankt und vor zwei Jahren mit 64 Jahren daran gestorben. Seitdem lebt der Vater alleine in dem Haus (160 m²).
Meine Freundin und ich haben vor zwei Monaten angefangen, die Kellerräume aufzuräumen, da es aus dem Vorratskeller seltsam roch. Wir haben Lebensmittel mit Ablaufdaten ab 1998 gefunden. Mehr als 95 Prozent des Inhalt des Vorratskellers war über das Haltbarkeitsdatum. Einige Dosen haben auch im Regal angefangen zu gären, sind dort aufgeplatzt und ausgelaufen (daher der Geruch). Wir haben zwei randvolle PKW-Anhänger Lebensmittel aus dem Keller getragen und zur Müllkippe gefahren. Wir schätzen, dass es mehr als 2.500 EUR waren, die wir dort weggeworfen haben.
Als die Mutter noch lebte, hat sie sich um eingehende Post gekümmert: sie wurde geöffnet, gelesen, bezahlt (falls es eine Rechnung war) und dann wegsortiert.
Da die Mutter nun tot ist, müsste das jetzt der Vater übernehmen. Er sagt aber, das Wegsortieren sei zu aufwändig. So öffnet und liest er eingehende Post und bezahlt auch die Rechnungen. Danach legt er die Post auf einen Stuhl am Esstisch. Wenn der Stapel umzukippen droht, wird der komplette Stapel (eine bunte Mischung aus Kontoauszügen, Arztrechnungen, Versicherungsschreiben, Rentenbescheiden etc.) so wie er ist in den Keller geräumt - irgendwohin, wo er gerade einen Platz entdecken konnte. Dann geht das Spiel von vorne los. Wenn man den Vater um irgend ein Dokument bittet (z.B. Versicherungspolice), entgegnet er nur, das wäre unmöglich wiederzufinden - und versucht es auch gar nicht erst. Da könne man nichts machen, das sei halt so.
Vor zwei Monaten ist auch beim Vater (65 Jahre alt) Lungenkrebs diagnostiziert worden (wir haben ihn 1,5 Jahre gebeten, wegen seines komischen Hustens zum Arzt zu gehen, aber er hatte immer Begründungen, warum das gerade nicht geht). Er bekommt deswegen im Krankenhaus Chemotherapien. Seitdem ist er der Meinung, gar nichts mehr alleine machen zu können (obwohl es körperlich möglich ist, mit der Leiter aufs Dach klettern geht nämlich!). Sich Essen auf Rädern bestellen? Geht nicht. Haben wir also gemacht. Aufräumen, Belege sortieren, Überweisungen tätigen? Geht nicht. Sollen auch wir machen. Einkaufen? Geht nicht. Sollen die Nachbarn und wir erledigen.
Wir haben mit ihm schonmal über einen Umzug in unsere Gegend (damit wir nicht immer die 165 km zu fahren haben) gesprochen, auch über betreutes Wohnen. Beides lehnt er ab, weil es schwierig sei, mit den vielen Dingen umzuziehen - die er ja auch alle bräuchte.
Ich fasse also zusammen: das Haus ist voll. Die Garage ist voll. Die Gartenhütte ist voll. Der Garten ist voll. Der Kofferraum des Autos ist voll. Die Rückbank des Autos ist voll. Und es wird alles immer voller. Und der Vater sagt: "ja, ich weiß, ich bin ein Eichhörnchen, das ist halt so".
Aber: ungeöffnete Briefe, Ungezieferbefall, stehengebliebene Teller mit Essensresten - all das gibt es NICHT!
Ist das Messietum? Brauch der Vater Hilfe oder übertreiben wir (meine Freundin und ich)?
Danke für's Lesen!