Eine gute Zeit wünsche ich den Lesern erstmal!
Normalerweise würde ich mich an dieser Stelle jetzt mit meinem offiziellem Vornamen vorstellen, aber ich schäme mich viel zu sehr für die folgenden Zeilen. Ich denke mal, ich bin da nicht der Einzige hier.
Ich möchte niemanden bewerten, oder verletzen, ich möchte aber mein erstes Thema nutzen um klar zu stellen, ob ich hier überhaupt richtig bin und hoffe - wenn nicht - dass ich hier zumindest einen Ansatz zu meiner Problematik finde, die in dem Fall sicherlich als Artverwandt bezeichnet werden kann.
Ich war früher immer ein sehr, sehr "pingeliger" Mensch, was die Hygiene anging, manche Leute nannten es leicht zwanghaft. Als ich mit 19 mein erstes eigenes Zimmer (ich hab' in einer WG gelebt) hatte, habe ich mein Geld mit großem Vergnügen für antibakterielle Feuchttücher und andere sinnvolle Produkte ausgegeben statt feiern zu gehen, mindestens 2 mal am Tag geduscht, etc. Das hat sich später aber schnell geändert als ich meinen jetzt Ex-Freund kennengelernt habe.
Es war eine ungesunde Beziehung denke ich. Ich habe angefangen Drogen zu nehmen. Ich selber hätte niemals etwas tun können, wodurch andere Leuten geschadet wird, aber mein Ex war ein Kleinkrimineller und Dealer. Sehr chaotisch, sehr wenig auf Hygiene bedacht und mehr oder weniger das krasse Gegenteil zu mir. Zunächst haben wir zusammen in der WG gelebt, er in seinem nach Gras und anderen Drogen riechendem Zimmer voller Sachen vom Sperrmüll und ich in meinem sterilen Traum in Schwedisch-Weiß. Damals bin ich lockerer geworden was den Kontakt mit Schmutz und Dreck anging. Damals ist den Leuten positiv aufgefallen, dass ich mich nicht mehr "so angestellt" habe. Am Anfang kam ich mir dabei immer ertappt vor, als ob ich etwas getan hätte das nicht in Ordnung war, aber irgendwann war ich richtig froh, dass ich mir nicht mehr so viele Sorgen gemacht habe über solche Dinge!
Nach etwa 3 Jahren sind wir dann ausgezogen, jeder zunächst in seine eigenen vier Wände. Es war auch alles prima: er hatte "sich gefangen" und mir wurde gesagt dass ich selbstbewusster wäre. Natürlich hat niemand verstanden, dass es in meinen Gedanken nur noch Platz für einen Mann gab, der wenigstens alle drei Monate im Begriff war in's Gefängnis zu kommen oder an Drogen zugrunde zu gehen...
Als es dann mal wieder so weit war, verlor er seine Wohnung und zog dann - "nur für ein paar Tage versteht sich!" - zu mir. Aus diesen paar Tagen wurden dann de facto mehrere Monate. Damals hatte ich viel Arbeit mit ihm. Ständig musste ich ihm klar machen, dass es vollkommen ok ist, wenn er sich etwas aus dem Kühlschrank nimmt, wenn er mir nur Bescheid sagt, damit ich dann dementsprechend einkaufen kann. Das hat er dann auch hinbekommen, Was er nicht geschafft hat war Ordnung zu halten, aber das war mir egal. Er war am Tag unterwegs um all diesen Dummheiten nachzugehen, die schlechtausgebildete 20-Jährige in Schwierigkeiten bringen und ich hatte Zeit meine Wohnung aufzuräumen.
Als er dann zunächst irgendwann auszog war alles mehr oder weniger wieder beim Alten: endlich konnte ich Grundreine machen und diese schrecklichen Ich-Habe-Einfach-Nicht-Genug-Selbstrespekt-Um-Im-Sitzen-Zu-Pinkeln-Flecken zu entfernen. So ging das dann etwa ein Jahr. Zwischenzeitlich war ich selber so weit der Sucht erlegen, dass ich kein Geld für Lebensmittel mehr hatte und ganz nebenbei 30 Kilo verloren. Er war selber chronisch pleite, konnte mir also nicht helfen. Ich bin dann also notgedrungen zu meiner Mutter gegangen und habe dort für fast ein Jahr gelebt. Von Zeit zu Zeit kam ich dann aber nach hause, offiziell um nach der Post zu schauen. Es war egal, wenn ich dann nichts zu essen hatte, ich hatte ja ihn.
Wie gesagt war nach etwa einem Jahr war mein Ex aber mal wieder obdachlos und ich ratlos: ich wollte ihn nicht alleine in meiner Wohnung lassen und ich war auch schon viel zu lange von ihm getrennt (ich habe ihn nie irgendjemanden aus der "anderen" Welt vorgestellt, dafür war er viel zu kaputt, das war mir bewusst), also bin ich zurück und wir lebten ein weiteres Jahr zusammen in meiner Wohnung. .
Diesmal war ich es, der "mal wieder" kein Geld mehr hatte. Wieder bin ich zu meiner Mutter, dieses mal blieb er aber hier. Und ich glaube das ist auch der Moment in dem sich irgendetwas verändert hat. Als ich endlich wieder zuhause war, war wollte er, dass ich ihn bei seiner "Arbeit" unterstütze, aber ich wollte und konnte nicht. Ich wäre zu nervös gewesen um irgendetwas zu stehlen, ich hätte das auch nicht mit meinem Gewissen vereinbaren können und seine "Kunden" haben mir Angst gemacht. Irgendwann hat er mir dann auch Angst gemacht. Ich hatte oft Angst um ihn, aber nie vor ihm, bis dahin. Damals habe ich mich hilf- und kraftlos gefühlt und einfach aufgehört mich um meine Wohnung zu kümmern.
Irgendwann hat er dann eine Wohnung gefunden und ist ausgezogen. Wir waren dann noch etwa ein halbes Jahr zusammen.
Seit dem hat sich in meinem Leben einiges geändert, ich bin älter geworden und im Gegensatz zu früher, verlasse ich heut zu tage kaum noch das Haus. Was immer noch gleich ist, ist dass ich es einfach nicht schaffe "aufzuräumen". Es ist nicht so, dass ich das nicht manchmal versuche, oder dass mir die Sachen irgendwas bedeuten, ich ihnen einen praktischen Nutzen zuspreche oder irgendwas in der Art. Ich schaffe es einfach nicht. Am Anfang war es einfach nur ein Chaos, wie ich es häufiger hinter meinem Exfreund aufräumen musste, aber ich hab' es immer weiter verschoben "heute bin ich zu erledigt", "ich bin zu dicht", "morgen früh dann", dachte ich immer als wir noch zusammen waren. Er hatte mich gefragt ob ich aufgeräumt habe, hat angeboten zu helfen "nein brauch' keine Hilfe, is' alles schon erledigt" hab' ich damals gesagt. Ich dachte ich kann die Lüge ja einfach später zu einer Wahrheit machen.
Das ist jetzt 4 Jahre her. Seit dem ist viel neuer Müll dazu gekommen. Wenn ich sowas im TV sehe, dann sind das immer nur Sammlungen von kuriosen Sachen, wie Yoghurtbechern oder so - aber ich sammel nichts, niemand sammelt Abfälle. Wenn ich links von mir schaue sehe ich einen Kaffeebecher, der seit 3 Jahren dort steht. Seit ca einem Jahr liegt da ein Teller drauf und seit ca. 1 Monat, auf dem Teller, eine Bananenschale. Manchmal hab' ich die Eingebung dass ich "jetzt anfange" und pack viel in riesige Müllbeutel, die ich regelmäßig Kaufe und dann "verliere" (sie fallen auf den Boden und verschwinden unter dem Müll, der in ihnen verschwinden soll, eigentlich ganz drollig), aber ich inde keinen gescheiten Punkt zum anfangen. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, bringe ich die Beutel dann auch nie raus.
Ich weiss dass ich irgendwie Hilfe brauche, aber ich schäme mich zu sehr. Ich traue mich nicht mal, mich einfach umzubringen, weil ich den Gedanken nicht ertrage dass mich hier jemand findet.
So, dass war jetzt eine ganze Menge Info über mich, vielleicht sogar zu viel? Ich will hier wirklich niemanden auf den Schlips treten oder was, ich will auch wirklich Hilfe haben, nur ich weiss nicht wen ich da fragen kann, weil ich nicht wirklich benennen kann was mir fehlt/mein eigentliches Problem ist.
So und nun werde ich wieder Zeit damit verbringen meine Situation zu verdrängen, bis demnächst hoffe ich.