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ich wollts nicht wahr haben
#1
Hallo,
ja, ich wollte es lange nicht wahr haben aber seit ein paar Tagen ist der Groschen gefallen. Ich habe echt Probleme mit Ordnung und Sauberkeit in meiner Wohnung =(
Möchte mich kurz vorstellen: ich werde 50, meine 17jährige Tochter wohnt noch bei mir, genauso wie vier Katzen. Ich bin voll berufstätig und habe zwar einen Freund der wohnt aber 800km weit weg und war auch noch nie in meiner Wohnung, da wir erst seit einem halben Jahr zusammen sind und uns wenn in der Mitte treffen.
Seit ca. zehn Jahren leide ich an Depressionen, die durch Schicksalsschläge bedingt sind. Momentan, also seit ca anderthalb Jahren, geht es aber sehr viel besser, ich nehme keine Medikamente mehr und bin auch nicht mehr in Therapie.
Soweit, so gut. Mein Problem ist, dass ich der Unordnung in meiner Wohnung nicht Herr werde. Wochentags nach der Arbeit schaffe ich es gerade mal, einzukaufen und / oder Essen zu machen. Ich habe keinen Geschirrspüler, so dass der Abwasch per Hand anfällt, aber dazu bin ich abends meistens zu kaputt - ich komme meistens erst um 18:30 Uhr von der Arbeit. Meine Tochter hilft im Haushalt, wäscht unter der Woche mal ab oder legt Wäsche zusammen, aber sie hat halt mit der Schule auch sehr viel um die Ohren.
Das Wochenende geht somit drauf für Wäsche, Abwaschen und irgendwie will ich auf mein Hobby nicht verzichten, es ist allerdings leider sehr Platz- und Zeitintensiv. Ich bin da handwerklich tätig und wenn ich einmal anfange, ist mindestens der halb Tag weg.
Fakt ist: es stehen viele Kartons mit Inhalt in der Wohnung rum, meine Schränke sind vollgestopft mit Sachen, die ich ewig nicht angeschaut habe, und staubsaugen und wischen tu ich auch wirklich viel zu wenig. Die Katzen machen natürlich einiges an Dreck, aber nichts, was andere nicht auch schaffen. Meine Tochter stört das zwar nicht weiter, aber ich finde ich bin ihr ein schlechtes Beispiel.
Ich habe mir vor einer Woche einen Plan gemacht, wo ich alles drauf geschrieben habe, was ich tun will / muss, in der Hoffnung, dass ich jeden Tag ein wenig mache und dann etwas durchstreichen kann. Aber wenn ich auf den Plan (zwei DIN A 4 Seiten) draufschaue, bin ich eher demotiviert =(
Jetzt habe ich mir ein Büchlein genommen und für jede Seite ein Datum eingetragen mit Sachen, die ich an diesem Tag machen will. Das hat gestern und heute gut geklappt. (Zur Zeit bin ich zuhause, bin krank geschrieben bis ende der Woche). Ich will versuchen, das bei zu behalten. Und so die Berge nach und nach abzutragen. Es ist nämlich damit zu rechnen dass mein Freund, den ich wirklich sehr lieb habe, mich demnächst hier besuchen will, Und dann.... kann ich ihm keine Messiebude präsentieren, davor hab ich totalen Horror, zumal unsere Partnerschaft aus meiner Sicht noch nicht so weit gefestigt ist dass sie sowas trägt.
Heute war der Heizungsableser da und fragte als er fertig war: "wollen sie umziehen?" Ouh... neeee, die Kartons stehen zum Spaß da....
Es muss echt was passieren, ich bin kreuzunglücklich, ich will eine Wohnung, in die ich auch Besuch reinlassen kann.
Ich hab mich schon durch viele eurer Beiträge durchgewühlt, da sind teilweise spitzen Ideen dabei. =)
Ich hoffe hier auf kleine Motivationsanstupser wenn ich durchhänge und ansonsten regen Austausch =)
Vielen Dank fürs Lesen,
Grüße, A.
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Hallo BadBlueGirl,
herzlich Willkommen hier im Forum ;)
Du setzt klare Prioritäten: 1. Hobby (du WILLST es machen). 2. Deinen Alltagshaushalt auf die Reihe kriegen (dabei lässt du dir von deiner Tochter helfen, obwohl du deswegen ein schlechtes Gewissen hast) dann kommt lange nichts, und irgendwo an letzter Stelle dümpeln die Altlasten (zum Beispiel die vollgestopften, ewig nicht angesehenen Schränke)
Du meinst, dass dir etwas (bzw NOCH MEHR) von deiner Lebensqualität verloren geht, wenn du jetzt auf dein geliebtes Hobby verzichtest. Verständlich - aber dass du deine To-Do-Liste so lange nicht bis zum unteren Ende abgearbeitet hast, ist der Grund, warum du jetzt Probleme hast. Inzwischen spürst du, dass das nicht wirklich funktioniert. Dein Verhalten hat Auswirkungen auf deine Tochter, die dir nicht gefallen, auf euren Alltagshaushalt, auf deine Psyche, und nun steht als neustes ein ganz großes Thema im Raum: Schamgefühl. Du hast Angst, dass dein Partner sehen könnte, wie du lebst, und dass er dich deshalb verlässt.
Dein Teufelskreis besteht nun darin, trotzdem am Hobby festzuhalten, weil du meinst, dass du die Kraft nicht hast, dich mit den Altlasten zu befassen. Dabei weißt du eigentlich genau: Wenn du die Kraft hast, dem Hobby nachzugehen, dann hättest du sie auch, um deine Altlasten abzutragen. Die Wahrheit ist, dass du deinem Willen folgst. Du willst deinem Hobby nachgehen, und du willst dich nicht mit den Schränken befassen. Wider besseres Wissen.
Jetzt stellt sich die große Frage: Warum willst du dich nicht mit den Schränken befassen? Liegt der Kern des Problems in dem, was darin ist? Macht es dir Angst, konfrontiert es dich mit Gefühlen, die du nicht durchleben willst? Brauchst du ewig, um dich zu entscheiden, ob du etwas behalten oder wegwerfen willst? Dann hast du ein klassisches Messie-Problem. Oder könntest du den ganzen Kram beinahe unbesehen in blaue Säcke stopfen, aber kannst dich irgendwie nicht dazu aufraffen? Dann hast du ein klassisches "Liederling"-Problem. Beides erfordert unterschiedliche Vorgehensweisen.
Aber keine Sorge: In keinem Fall musst du auf dein Hobby verzichten. Du wirst es vielleicht für eine Weile hintenan stellen müssen, aber du kannst diese Phase, die du jetzt anpacken willst, als eine Art Investition in die Zukunft betrachten: Wenn du es richtig anstellst, wirst du später sehr viel mehr Zeit für dein Hobby haben, und du musst weder Besuch fürchten, noch ein schlechtes Gewissen haben, weil du deiner Tochter zu viel Verantwortung aufbürdest.
#3
Hallo numi, vielen Dank für deine Antwort!
Ich muss sagen mir ist da eben die Kinnlade runtergeklappt. Wahnsinn, wie du das gleich so auf den Punkt gebracht hast! Stimmt, mir ist mein Hobby sehr wichtig.
Ja, ich kann mich schlicht schwer entscheiden etwas weg zu werfen. Ich habe den Gedanken, ich brauche es noch. Dazu kommen viele Sachen, die ich von meiner Mama geerbt habe (sie ist früh verstorben, genau wie meine Schwester) und die ich nie benutze aber die ich nicht wegwerfen kann. Das sind auch Erinnerungen die ich mir nicht antun mag - wohl wissend, dass ich da im Grunde "einmal durch muss". Aber da nicht rangehen mag. Und so, wie du es beschrieben hast, wird mir deutlich: das Hobby ist im Grunde eine willkommene Einladung, einfach davor zu flüchten.
Ja, die Frage ist ja für mich: wie stell ich es denn richtig an das mal anzupacken? Krieg ich das mit dem Büchlein hin oder verläuft das auch wieder im Sande?
Ich werde noch mehr von euren Beiträgen lesen und versuchen mir da auch Motivationshilfen heraus zu suchen, Arbeitserleichterungen die mir helfen.
Danke sehr!
LG A.
#4
Hallo BadBlueGirl !
Ich bin etwas älter und kann Dich vermutlich ganz gut verstehen, weil ich ähnliches durchgemacht habe.
Ich stehe auch in etwa vor ähnlichen Problemen.
Ich habe erstmal lange hier mitgeschrieben. Die anderen haben mir manches direkt erklärt, anderes habe ich beim mitlesen gefunden.
Im Moment stagniert es bei mir auch, aber immerhin, wo Rauch ist, ist auch Feuer und so wird mir langsam warm........vor Freude darüber,
wie gut es mir geht und was ich alles gutes habe in meinem Leben: schöne,warme Wohnung, seit beinahe 30Jahren einen allerliebsten Ehegemahl,
gutes Wohnumfeld, guten Kontakt zu Eltern und Schwiegermutti, satt zu essen,zu trinken. Gerade heute ist mir wieder ein "Menü" gelungen,
obwohl Kochen nicht mein Hobby ist.............welche Freude. Und dann die Tatsache, dass ich alles selbständig entscheiden kann.........wie schön !
Und von da aus habe ich angefangen, dass ich mich wirklich bewusst auf eine Arbeit einlasse und ab und zu denke, schön, dass ich das heute schaffe.
HEUTE ist HEUTE.........morgen kann es ganz anders sein. Wird schon.....lies mal numis Threads über die Aufräumschritte.......da findet man
im Grunde alles, was nötig ist............inzwischen habe ich gelesen, Du weisst, das Hobby lädt Dich ein vor der Pflicht zu flüchten.
Das kenne ich auch...........aber irgendwann ist es damit vorbei, weil die Altlasten zu sehr drücken..........und wenn Du damit durch bist und es
hinter Dir hast, wirste sehen, dann ist Dir leichter ums Herze. Grüssele Mausohr
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Wenn du selbst jetzt schon Zweifel hast, ob du das mit dem Buch dauerhaft aufrecht erhalten kannst, dann kann ich gar nicht anders, als deine Zweifel zu teilen.
Da du Erfahrung im Bereich Depressionen hast, weißt du sicher, dass es auch dort immer gewisse "Hoch-Phasen" gibt - Momente, in denen man "aufwacht" und erkennt, dass man so nicht weiterleben will. Oft werden sie durch Angst induziert. Angst vor dem Heizungsableser zum Beispiel. In deinem Fall Angst vor Entdeckung durch deinen Freund. Angst ist ein wirksamer Motivator, aber kein guter, und kein dauerhafter. Zeigen sich nicht schnell genug Erfolge, lässt man nach, hält das Problem für unlösbar, und gibt schließlich auf. Ich glaube, dass du in einer solchen Hochphase hierher gekommen bist, und jetzt ist eben die Frage, wie lange sie anhält. Es war klug von dir, zuerst nach einer sinnvollen Methode zu suchen.
Auf jeden Fall hast du einen wichtigen Faktor erkannt: Du hast nicht genug Kraft für eine Hauruck-Aktion, deshalb versuchst du - was völlig richtig ist - deine Kräfte einzuteilen, indem du jeden Tag "etwas" machst.
Der Haken ist, dass das "etwas", soweit ich das bisher überblicken kann, nicht sehr zielgerichtet wirkt.
"Wie stell ich es denn richtig an das mal anzupacken?"
Zuerst würde ich den Alltagshaushalt auf ein Niveau nacharbeiten, dass er dich bei deinen nächsten Plänen nicht belastet. Also das meiste von der Wäsche wegwaschen, das ganze alte Geschirr spülen, Müll aufsammeln usw, damit du damit nicht noch schlimmer ins Hintertreffen gerätst, wenn du dich für eine Weile hauptsächlich mit etwas anderem beschäftigst.
Dann würde ich gezielt die Schränke angehen, auch und gerade, wenn das das gegenwärtige Chaos noch vergrößert. Indem du Platz im Schrank schaffst, können Dinge aus den Kisten in den leeren Schrank, der nutzlose Kram verlässt die Wohnung, du hast mehr Platz, es fällt leichter zu putzen. Wenn ich merke, dass es bei mir im Haushalt nicht mehr wuppt, dann suche ich mir den schlimmsten Schrank im Haus, und miste den aus. Es ist, als ob sich dadurch eine Art Knoten oder Verstopfung löst, und der Rest kann wieder fließen. Das kann man besser spüren als erklären, also einfach mal ausprobieren.
Da du bestimmte Dinge aus emotionalen Gründen behältst, ist dein Problem schwieriger in den Griff zu bekommen, als das von jemandem mit einer Antriebsstörung. Denn bevor du loslassen kannst, musst du dich emotional mit jedem einzelnen Gegenstand auseinandersetzen. Das ist etwas ganz anderes, als zum Beispiel jemandem zu helfen, der keinen Überblick mehr über seinen Besitz hat, aber loslassen kann, wenn er sieht: Ich habe 15 Nagelscheren, 12 davon kann ich wegwerfen, ohne dass das für mich einen Nachteil bedeutet. Dem muss man also dabei helfen, diesen Überblick zu erlangen. Bei jemandem, der Alltagsgegenstände mit einem hohen emotionalen Wert verknüpft hat, sind die 15 Nagelscheren gleichermaßen wichtig, weil sie z.B. an die verstorbene Mama erinnern. Ich kenne das selbst gut, ich hatte das Gefühl, als würde ich meinen Vater wegwerfen, wenn ich Besitztümer von ihm wegwarf. Ich konnte das letztlich schichtweise überwinden. Es gab Dinge von ihm, die konnte ich leichter aufgeben, und solche, bei denen es mir schwerer fiel - und es gibt heute noch 1-2 Sachen von ihm in meinem Besitz, die würde ich niemals hergeben, und das ist bei einem solchen, auf ein Normalmaß reduzierten Volumen natürlich auch gar kein Problem mehr. Geholfen hat mir, einen besonderen Gegenstand aus dem Besitz meines Vaters zu nehmen und ihn regelrecht zu zelebrieren. Er hat einen besonderen Ehrenplatz bekommen, an dem ich ihn jeden Tag sehe, und so meines Vaters mit einem Lächeln gedenken kann - anstatt insgeheim jedesmal betrübt zu sein, über all den Kram, den er mir hinterlassen hat.
Das war ein langer Prozess, aber mit jeder "Zwiebelschicht", von der ich mich trennen konnte, ging es mir besser. Den Schrank (oder Karton, bei mir waren es Kartons) gar nicht erst aufzumachen, vergrößert das Problem bis ins Unlösbare. Man malt sich wunder was im Kopf aus, was da alles hinter der geschlossenen Tür lauern könnte, und stellt dann unter Umständen fest, dass da vieles dabei ist, das man wirklich gut loslassen kann - und manches eben noch nicht, und manches nie, und das ist auch in Ordnung. Für den ersten Schritt ist es vielleicht sogar schon in Ordnung, wenn mans einfach nur mal anschaut, ohne sich vorzunehmen, unbedingt x% davon wegwerfen zu müssen. Deine Tochter kann dir dabei vielleicht auch helfen, dich zu fokussieren, und dir als Ansprechpartner bei der Entscheidungsfinder zu dienen. Vielleicht muss sie das sogar, denn letztlich wird sie diejenige sein, die diese Dinge eines Tages erben wird. Wenn sie dir sagt, dass sie das Ding wegwerfen wird, sobald sie die Entscheidungshoheit hat, dann ergibt es ja für dich auch keinen Sinn, das Ding für "die Nachwelt" aufzuheben, oder?
Mehr über die Schwierigkeiten, emotional behaftete Gegenstände loszuwerden, kannst du in dem Thread von bibiana finden.
Hilfreich dürfte es auf jeden Fall auch für dich sein, mit Belohnungen zu arbeiten. Und zwar bietet sich bei dir auf jeden Fall an, das Hobby als Belohnung zu wählen. Dazu gibt es mehr im Thread von friedensfinder. Das Hobby kann auch dein "großes Ziel" sein. Wenn du dir vornimmst, deine Wohnung langfristig so umzugestalten, dass du dein Hobby dort professioneller ausleben kannst (in Form von einer Art Werkstatt oder Atelier), kann das helfen, sich von Dingen zu trennen, die dir dabei im Weg sind. Damit umgeht man insbesondere das Denkmuster "kann man noch mal gebrauchen". Mit einem Ziel vor Augen kannst du abwägen: "Kann ich das für meine Werkstatt gebrauchen? Ja, dann behalten. Nein, dann weg damit, sonst habe ich keinen Platz für die Werkstatt"
Übrigens: Gerade, wenn man solche Altlasten endlich angeht, nachdem man sich so lange damit rumgequält hat, sie zu ignorieren (ja, ich mein das so), kann das regelrechte Energieschübe auslösen. Viele empfinden riesige Erleichterung, wenn sie endlich eine klare "Erlaubnis" bekommen haben, die Sachen loslassen zu dürfen - weil es dem Verstorbenen nämlich gewiss nicht recht wäre, dass man sich mit seinem Kruschpelkram so belastet, dass es einem das ganze Leben vermiest. Mir ging das auch so, und durch die Energie, die durch das Entrümpeln bei mir freigesetzt wurde, konnte ich auf einmal sehr, sehr viel mehr tun, als ich mir vorgestellt hätte.
Wir können dich hier im Forum dabei begleiten, auch bei den emotionalen Ups and Downs, und auch weiter hinterher, wenn es um die Frage geht, wie man seine neu gewonnene Ordnung dauerhaft hält, oder energiesparend optimieren kann. Doch eins nach dem anderen. Der erste Schritt ist meiner Meinung nach, dir ein Ziel zu setzen. Wegzukommen von "ich muss, weil mein Freund..." hin zu "ich will, weil ich daran glaube, dass ein Leben innerhalb geordneter Strukturen lebenswerter ist als das, was ich jetzt habe"
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