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Mein Bruder ist ganz unten angekommen.
hi @Jasminkaramax,
ich würde mich an die Caritas wenden ....ich würde dort auch betonen, dass du aus diesem und jenem grund allein völlig überfordert bist.
dass er bei dir einzieht davon würde ich abstand nehmen ... stell es dir das mal praktisch vor ... du kommst von der arbeit ... Wohnung in Unordnung ... bruder liegt völlig zu irgendwo ... wie willst du dies verhindern ... und damit leben?!
wünsch dir was
leonie
#12
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Liebe Jasminkaramax,
ich kann sehr gut nachvollziehen wie schwer das Schicksal deines Bruders / deiner Familie auf dir lastet.
In meiner Familie gab es von klein an sehr viel seelische Not, obwohl rein äußerlich alles positiv aussah.
Ich habe eine sehr fürsorgliche Mutter und auch mein Vater gab sein Bestes, um meinem Bruder und mir eine schöne Kindheit zu ermöglichen.
Aber als Ehepaar waren beide kreuzunglücklich miteinander und haben sich trotzdem nie getrennt.
Stattdessen zog meine Mutter mich in alle ihre Probleme hinein und mein Vater bestrafte meinen Bruder häufig in unverständlich heftiger Weise.
Meine Eltern heirateten, weil ich unterwegs war - eine Tatsache, die mir oft Schuldgefühle machte.
Endergebnis: Mein Bruder wohnte bis zur Corona- Krise mit seinen 57 Jahren immer noch in seinem Kinderzimmer und will dorthin zurück, wenn er ansteckungstechnisch keine Gefahr mehr für meine Mutter ist (mein Vater ist gerade im Oktober verstorben). Er kann sich nicht vorstellen woanders zu wohnen als dort, wo er aufgewachsen ist und zwar explizit in dieser Wohnung. Er hat keinen Freund und keine Kontakte, seit sein Cousin verstorben ist. Er fährt nachts Taxi. Er hat einen 27 jährigen Sohn, der vom 7.-21.Lebensjahr in einer Wohngruppe aufgewachsen und trotz gut abgeschlossener KFZ-Mechatroniker Ausbildung dauerarbeitslos und sehr depressiv ist.
Meine Mutter ist seit vielen Jahren Messie, sodass die gesamte 3 1/2 Zi-Wohnung (in der mein Bruder weiter leben will) bis auf einen schmalen Gang vollgestellt ist - allerdings ohne Müll. Da meine Mutter bereits 80 Jahre alt ist, wird sie bald pflegebedürftig werden, falls sie nicht einfach einschläft und nicht wieder aufwacht. In der Wohnung ist seit dem Einzug 1971 nichts mehr gemacht worden.
Ich bin 58 Jahre alt, wohne 1 Stunde entfernt und lebe/ arbeite hier sehr gerne. Allerdings alleinstehend und ohne Kinder. Ich hatte früher verschiedene Beziehungen, aber ich hatte immer den Hang zu Partnern, die ähnlich belastet waren wie ich und wo die Beziehung dadurch für beide Seiten nicht lange hielt. Ich habe Therapien gemacht und mich weiter entwickelt. Ich bin nun mit mir selbst im Reinen und fühle mich alleine sehr wohl. Vielleicht lerne ich noch einmal einen Partner auf Augenhöhe kennen, aber ich suche nicht danach.
Meine Erfahrung ist: Dort, wo Familien miteinander verstrickt sind, fällt es denen, die aussteigen, sehr schwer mit gutem Gewissen ein eigenes glückliches Leben zu führen.
Die Verantwortung bei jedem einzelnen in der Familie demjenigen selbst zu überlassen, statt um dessen Versorgung und Verbesserung zu kämpfen, ist sehr sehr schwer.
Ich habe meiner Mutter und meinem Bruder erklärt, dass eine gesetzliche Betreuerin eine große Hilfe sein könnte, damit meine Mutter unterstützt und mein Bruder nicht überfordert würde für die Zukunft. Sie war bei meinem Vater mitversichert: Privatversicherung + Beihilfe (mein Vater war Polizeibeamter). Das ist verwaltungstechnisch sehr aufwendig. Sie bleibt dort versichert und die Verwaltung aller Dinge seit mein Vater verstorben ist, ist noch länger nicht abgeschlossen.
Beide wollen keine Hilfe von Außen. Das akzeptiere ich, aber ich habe ihnen auch gesagt, dass die letzten drei Monate extrem anstrengend für mich waren - ich habe alles alleine organisiert mit dem Heim für meinen Vater bis zu seinem Tod und alles, was danach im Blick auf meine Mutter bearbeitet werden musste.
Mein Bruder war zu dieser Zeit gerade mit eigenen Problemen beschäftigt.
Nun will mein Bruder alles übernehmen und weiß gar nicht, auf was er sich da einlässt. In meinen Augen ist er nachvollziehbar nicht belastbar.
Also ich habe beiden erklärt, dass ich bei Bedarf nur noch beratend aktiv sein werde.
Ich lasse von nun an alle Verantwortung bei ihnen.
Seitdem kann ich mich wieder entspannen und mich um mein eigenes Lebensglück kümmern.
Das letzte, was ich aktiv für meinen geliebten Neffen tun werde: Anfang Dezember fahre ich mit ihm zu einem Termin beim Psychiater. Er hat inzwischen eine Sozialphobie und deswegen fahre ich ihn. Er ist endlich dazu bereit. Aber danach werde ich auch ihn nur liebevoll beraten. Er muss für sich selbst Verantwortung übernehmen. Alles andere wäre keine echte Hilfe und würde mein eigenes Leben zerstören.
Aus eigener Erfahrung würde ich davon abraten einen hilfsbedürftigen Angehörigen mehr zu unterstützen als er es will. Wenn ein Angehöriger Termine nicht wahrnimmt, die man für ihn organisiert hat oder Telefonate nicht führt, wo man vorher Adressen herausgesucht hat, dann würde ich in eine rein beratende Position gehen. Nur dann kann man auch noch positive Gefühle für den Angehörigen aufbringen, was auch eine große Stütze für jeden seelisch verwahrlosten Menschen ist.
Und ich empfehle sich der Familien-Verstrickung bewusst zu werden - sich zumindest von der inneren Haltung her zu erlauben ein Recht auf eigenes Lebensglück zu haben, ohne sich ständig Gedanken um den Rest der Familie zu machen. Ohne diesen schweren Familienrucksack kann das eigene Leben wieder leicht und sonnig werden.
Es ist ja nicht der gesunde Menschenverstand, dass Angehörige leiden und kämpfen. Es ist ja meistens eine ungesunde Verstrickung mit der Familie, dass Angehörige nicht ohne schlechtes Gewissen glücklich ein eigenes Leben führen können. Es ist kein "Sich kümmern von Herzen", sondern ein gequältes "sich kümmern müssen".
Ich hoffe, dass dich meine Erfahrungen trösten und du mehr Handlungsspielraum empfindest für eigene gesunde Entscheidungen.
Das wünsche ich dir sehr. Liebe Grüße von Sternschnuppe
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@Sternschnuppe
Liebe Sternschnuppe
Zitat von Sternschnuppe im Beitrag #12
mein Vater ist gerade im Oktober verstorben
Mein Beileid, möge er in Frieden ruhen.
Zitat von Sternschnuppe im Beitrag #12
Also ich habe beiden erklärt, dass ich bei Bedarf nur noch beratend aktiv sein werde.
Ich lasse von nun an alle Verantwortung bei ihnen.
Seitdem kann ich mich wieder entspannen und mich um mein eigenes Lebensglück kümmern.
Das sind sehr weise Erkenntnisse die ich mir auch in der letzten Zeit bewusst mache immer wieder,
ja beratend aktiv sein, also sagen was man selbst in solch einer Situation machen würde und dennoch
dabei dem Gegenüber Bewusstmachen das es letztendlich ja seine eigene Entscheidung ist da nur er
selbst allein die Verantwortung dafüer übernehmen kann.
Es ist ja das ambivalente mit dem Beraten, leider wenn es dann nicht so rund läuft der andere kommt und
sagt du hast gesagt als ob man die Verantwortung übernommen hätte schon. Ja jeder ist selbstverantwortlich
für sein Leben wenn er nicht gerade unverschuldet in was reingerät oder sehr krank ist.
Dein Beitrag ist sehr lehrreich und interessant, auch aus psychologischer Hinsicht finde ich, hast du Beruflich
was damit jemals zu tun gehabt, egal ob Beratung oder was in Richtung Pyschologie oder einfach deine
Lebenserfahrungen die du mit uns teilst?
Herzlichst zu dir wo auch immer du lebst,
Emin
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mein Beitrag wurde hier gelöscht, bitte mal auch erklären.
Drum @Sternschnuppe, auch nochmal ganzes Beileid.
Das wird man als anderer Mensch hier wohl auch noch schreiben können, meine es auch so.
guten Abend, viele Grüße, Aufräumer, Robert
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