Hallo allerseits,
ich würde hier gern meinen Namen schreiben, aber ich schäme mich. Also bleiben wir vielleicht für den Anfang einfach bei Engelchen ;)
Ich bin 29 Jahre alt und komme aus Schleswig Holstein.
Seit 2010 habe ich gemerkt, dass meine Energie, den Haushalt zu bewältigen irgendwie erschöpft war. Ich war in einer Beziehung mit einem Mann, der mehr ein Junge war, den ich bemuttern musste, für ihn sorgen. Ich weiß noch, dass meine Wohnung vorher sehr sauber war. Ich war sehr stolz darauf und ich wünsche mir diesen Teil meiner Person wieder zurück, der abends die Tasse wegbringt, nachdem man den Fernseher aus macht oder den PC. Ich kann barfuß laufen, weil der Boden nicht zugestellt ist. Und ich liege gern in meinem Bett, weil es frisch gemacht ist.
Das war ich damals. Heute habe ich Angst nach Hause zu kommen. Es ist keine Panikattacke, sondern nur diese kleine Stimme im Hinterkopf, die mich daran erinnert, wie es aussieht. Wie voll. Wie unwohl ich mich fühle. Und vor allem die Ohnmacht, mich diesem Chaos entgegenzustellen.
Zu Beginn war ich sicher, das ist nur eine Phase. Ich war mir auch sicher, dass meine Seele gar nicht so zugestellt ist. Mittlerweile weiß ich, dass ich mir nur etwas vorgemacht habe.
In den letzten Jahren habe ich mir immer wieder Hilfe geholt. Die Therapeuten schreiben Seite um Seite, wenn ich erst einmal loslege und erzähle, was mir alles widerfahren ist. Ich habe von einer Persönlichkeitsspaltung über Burnout und Depression oder Borderline so ziemlich jede Diagnose gehört. Nur keiner kann sich entscheiden!
Fest steht, dass ich mich sträube Handwerker in die Wohnung zu lassen. Das bereitet mir jedes Mal große Unruhe. Ich weiß gar nicht mehr, wann mein Verbrauch bei mir zu Hause nicht geschätzt wurde. Mein Vermieter wollte sich sogar eine Begehung erzwingen. Irgendwann stand ich in Tränen aufgelöst vor dem Hausmeister und habe nur etwas gemurmelt davon, dass ich Angst habe und dass ich ihn gern reinlassen würde, aber dass ich es nicht kann und ich sei in Therapie. Seither lassen sie mich in Ruhe.
Letztes Jahr habe ich mich aufgerafft und etwa 30 120l Müllsäcke weggebracht. Allerdings war es danach nicht sauber, nur wieder begehbar. Aber ich hab dann nicht weitergemacht. Es tut weh, aufzuräumen. Ich kann das nicht beschreiben, aber ich denke, das verstehen viele hier. Es kostet so viel Kraft, dass ich teilweise nur einen Sack am Tag schaffe mit großen Bauchschmerzen. Ich hänge nicht mal an dem Zeug, es ist nur wie eine Lähmung. Wenn ich davor stehe, dann will ich nur noch weglaufen. Und die Gewissheit, dass ich das nicht kann, sorgt mittlerweile für eine Panikattacke nach der anderen.
Am Wochenende war es dann wieder so weit. Eine schlaflose Nacht. Mehrere Panikattacken. Mehrere Nervenzusammenbrüche, von denen ich mich heute noch nicht erholt habe.
Ich brauche Hilfe, das weiß ich. Ich will Hilfe, aber ich weiß nicht, woher ich sie nehmen soll. Deswegen bin ich hier, denn vor allem will ich nicht einfach nur einem Therapeuten alles erzählen, ich will mich austauschen. Ich will mich in einem Cafe bei einem Tee darüber unterhalten und auch wieder anfangen, Kontakt zu Menschen aufzunehmen, denn dieser Zustand hat mich in eine Isolation getrieben, die mir zusetzt.
Ich will mein Leben zurück. Ich will eine normale Wohnung. Ich will keine Angst mehr haben.
Rückwirkend, wenn ich überlege, was genau der Auslöser war, war das nicht nur mein unfähiger Babypartner, der sich selbst nicht versorgen konnte und mir jede Kraft geraubt hat. Es war auch die Situation mit meinen Nachbarn. Sie waren und sind ab und an noch laut. Ich war und bin keine Person, die auf Konfrontration aus ist und sie haben ignoriert, wenn ich sie gebeten habe, leiser zu sein. Ich konnte nicht ohne Angst nach Hause. Ich bin bei jedem Geräusch zusammengezuckt, ob wieder Stundenlang Metalmusik das Glas in der Tür zum zittern bringt. Ich konnte nicht schlafen. Ich war ohnmächtig und hilflos. Mein Vermieter hatte nicht reagiert, die Polizei nicht, mein Freund blickte mich nur mit Dackelblick an und ich bin an der ganzen Situation zerbrochen. Ich weiß das jetzt. Ich hasse meine Wohnung und ab dem Zeitpunkt habe ich es gehasst, rauszugehen. Ich habe es gehasst, ihnen zu begegnen. Ich habe 2 Jahre lang nicht meine Wäsche gewaschen im Keller. Ich hatte Angst. Ich war in ständiger Angst. Und wenn man nicht rausgeht, kann man auch keinen Müll wegbringen. Und jetzt ist es so viel und ich hab mich noch nicht erholt.
Ich wünsche mir wirklich, dass ich lerne, das wieder in den Griff zu bekommen und dass damit meine Angst weniger wird. Ich wünsche mir auch ein Wunder, aber ich glaube nicht, dass ich morgen aufwache und alles ist in Ordnung.
Daher nehme ich jeden Rat gerne an, jeden noch so kleinen Tipp. Jedes Gespräch.
Viele Grüße
Engelchen