Was machst du mit deinem Leben? Oder was macht das Leben mir dir?
hallo Emin,
aktuell gibt mir das Leben gerade ein wenig „mein“ zurück. Meine Kinder sind erwachsen und eigenständig lebend. Wir sehen uns so oft wie möglich so lange es allen gut geht und etwas häufiger wenn es bei einem gerade mal kneift. Meine Kinder und ich haben lange Zeit in einem Mehrgenerationenhaushalt gelebt, was einiges an Anpassungsfähigkeit brauchte und vieles an gegenseitiger Unterstützung bietet. Mein Vater ist nach langjähriger Pflegebedürftigkeit 2010 verstorben, meine Mutter ist dement, wie auch ihre Mutter es war und wird von Pflegekräften zuhause versorgt. Sie ist mittlerweile bettlägerig und insofern für mich „pflegeleichter“, das mag im ersten Moment hart klingen, ist aber so und jeder Mensch der Demenz kennt wird das verstehen.
Wir leben seit 16 Jahren eine Wochenendbeziehung, was vielleicht erklärt, weshalb ich die rein räumlichen Auswirkungen einer Sammelleidenschaft nicht permanent vor Augen habe. Die intensive Zuwendung zu immer neuen Projekten, die immer kurzzeitigere Beachtung zu finden scheinen, habe ich mir mit dem außergewöhnlich breiten Interessenspektrum und ausgeprägten handwerklichen und technischen Fähigkeiten erklärt. Beruflich haben wir beide fordernde, sichere und wertschätzende Arbeitsplätze, in heutiger Zeit und unter der Vorgabe auch den eigenen Lebensunterhalt sichern zu müssen, haben wir uns entschieden bis zum Ruhestand eine Wochenendbeziehung zu führen. Meine Interessen lagen und liegen nicht im Bereich des Leistungssports, um also nicht entweder nur begleitend bei einschlägigen Events oder allein sein zu müssen, habe ich ein Ehrenamt übernommen.
Im Sommer nächsten Jahres werden wir unseren Ruhestand bzw. vorzeitigen Ruhestand antreten können. Wir hatten uns mal vorgestellt, dann zusammen zu ziehen und mit einem entsprechend ausgerüsteten VW-Bus zu reisen um bleiben zu können, wo und wie lange es uns gefällt.
Und nun schließt sich der Kreis, ich habe begonnen meine Zweifel zuzulassen, weil ich keinen Platz für mich sehe, weil ich nicht erkennen kann, wo all die wichtigen und unverzichtbaren Dinge einen solchen finden sollten. Ganz komme ich nicht um den Gedanken umhin, selbst auch dement werden zu können und dann auf übersichtliches, beherrschbares Terrain angewiesen zu sein. Ich habe mein Zuhause während der letzten Jahre nur mit dem Notwendigsten versorgt. Meine Unsicherheit hat mir ein Stück „meines“ Lebens zurückgegeben. Ich renoviere gerade meine Küche, der Rest hat es auch mehr als nötig. Man könnte sagen, ich nehme mein Leben gerade wieder in Besitz und lasse alles andere auf mich zukommen. Und ich bin neugierig ob es stimmt, dass, wenn man etwas bei sich verändert, sich alles um einen herum ebenfalls verändert. Ein Selbstversuch sozusagen.
Eine gute Zeit wünscht
Lusia