Hallo!
das hier ist mein erster beitrag in einem forum überhaupt...nachdem ich mir den einen und andren von euch durchgelesen habe, möchte ich mich nun auch drüber trauen.
...zum einen, um mir etwas von der seele zu schreiben, worüber ich mit keinem in meinem umfeld sprechen kann.
zum andren, um vielleicht erfahrungen mit euch zu teilen die ev. ähnlich sind...
bitte entschuldigt, dass der text vermutlich etwas länger wird (ich erwarte von niemandem, sich das anzutun)...aber wie grade erwähnt muss ich das einfach loswerden...und weis grade gar nicht wie ich anfangen soll...
ich bin mit meinen zwei (halb)brüdern, die sechs und acht jahre älter, als ich sind in einem messie-haushalt groß geworden. dieser haushalt war ein abbild von vielem, von allem was meiner mama jemals passiert ist, das war mir schon immer klar. schon als kleines kind wusste ich von den meisten ihrer schicksalschläge und der art wie sie selbst großgezogen wurde, wie sehr sie damit kämpfte... sich immer wieder- nur für uns, aufrappelte. ich meine, dass ich schon als kleines kind ihre trauer, angst und verzweiflung mit ihr geteilt hatte, weil sie sonst einfach niemanden an ihrer seite hatte. niemanden. diese frau hat täglich bloß darum gekämpft, ihre kinder nicht zu verlieren und dabei nicht verrückt zu werden. ich kann mich an keine zeit erinnern in der es nicht dazugehörte darum zu bangen sie zu verlieren...damit meine ich nicht nur das jugendamt. ich meine damit vor allem die stunden in denen wir als kinder an ihrem bett gesessen haben und um ihr leben gebangt haben (ohne die möglichkeit einen erwachsenen hinzuzuziehen, da unsere wohnung nicht betretbar war). meine mama, weis ich heute, hatte schwere posttraumatische störungen. und ihr herz war schon recht schwach.
bei uns gings immer drunter und drüber, aber meistens in der hoffnung, dass alles mal besser würde. in meinen ersten acht lebensjahren ging es besonders chaotisch her, da die herrausforderung an meine mutter ihre familie zu erhalten sehr groß war und oft eben schlichtweg überfordernd. dabei hat irgendwie jeder von uns vieren sein fett abgekriegt. durch die umstände in der sich eine vernachlässigung nicht vermeiden ließ (wir hatten kaum finanzielle mittel, deshalb hatte meine mutter oft tag- und nachtjobs gleichzeitig, deswegen waren wir oft alleine eingesperrt). meine mutter war besonders meinem ältesten bruder gegenüber gewalttätig, was ihr selbst wehtat. ihre ansprüche an ihn waren meist zu gross. keiner konnte sich da so recht helfen. in dieser zeit wurde ich von ihm sexuell immer wieder missbraucht (später wurde mir klar, dass auch er sexuell missbraucht wurde. genauso wie mein anderer bruder der von zehn bis zwölf jahren in einem internat war). ich kann mich noch gut an seine drohungen erinnern:" wenn du was sagst, muss ich ins heim. alles fliegt auf." "alles fliegt auf" hat mir impliziert: dann bringt sich mama um.
"alles fliegt auf"
das ist ein satz der uns immer begleitet hat um den sich vieles gekreist hat. niemand von uns hat gewusst, dass es noch andere messies gibt. die scham war so gross. genauso die ohnmacht dagegen anzukämpfen. wir haben immer wieder versucht aufzuraümen, am ball zu bleiben, doch das konfliktpotenzial dabei war riesig. meine, mutter hat immer gemeint, wenn das auffliegt stehen wir in allen zeitungen, würden von der polizei abgeführt, sie müsste wahnsinnig werden und umbringen. seuchengefahr. ein einmaliger fall dachte sie und wir auch. sie wünschte sich von uns das alles gemeinsam zu bewältigen, aber es war einfach alles zu viel. und kein ansatz war der richtige. beziehungsweise konnten wir es in diesem fall nie richtig machen. schon gar nicht auf dauer. ich muss zugeben ich habe aufgehört es zu richtig versuchen, als ich mit 14 zum erstenmal meinen ersten eigenen schlafplatz, auf den ich achtete hatte, der in einem streit auf einen schlag kaputt gemacht wurde. da fühlte ich mich selbst auch nur noch wie dreck.
obwohl ich mich noch immer dafür schäme (ich schäme mich deswegen, weil ich es nicht fertigbrachte es gut zu machen), dass es bei uns so ausgesehen hat wie es eben ausgesehen hat, möchte ich es dennoch beschreiben. das ist mir irgendwie wichtig. ich wurde während meiner schulzeit nämlich oft danach gefragt. von freundinnen, die man nie lange hatte. dann hatte man was erfunden, genauso wie man das auch bei vielen anderen gelegenheiten tat. eigentlich hat man ausserhalb dieser wohnung immer über alles gelogen um normal zu sein. obwohl ich ein soziales umfeld habe kennt mich deswegen keiner so ganz. in unserer wohnung war zu hochzeiten kein zentimeter boden sichtbar. es gab schlurfe durch die man sich bewegte. fäule. maden. fliegen. kein warmwasser. immer geschlossene fenster. keine funktionierende toilette. wieso hatte ich die geduld und disziplin nicht, mich dagegen durchzusetzen.
ich hab so oft aufgegeben, hab mir gar keine zukunft nach dieser wohnung vorstellen können.
irgendwann ist meine mum an krebs erkrankt, da war ich noch in der schule. die habe ich abgebrochen, einfach weil ich nicht mehr wollte. ich war trauig, wollte das mit meiner mama gemeinsam durchstehen. eigentlich hatten wir da auch keine andere wahl. eine zeit lang hat meine mutter unglaubliches vollbracht, große verbesserungen angestellt. hat sich getraut ihr leben wieder in die hand zu nehmen, positives zu sehen. sie wollte nicht in diesem dreck sterben wie ein hund (ihre worte). aber wir habens incht ganz geschafft. zum schluss war es schon sehr viel besser kein vergleich zu früher, doch irgendwie hat das auch nichts gutgemacht. meine mama war ein paar jahre krank, die pflege übernahm ich, weil es mit keinem anderen möglich gewesen wäre.
das ist jetzt vier jahre her. in meiner wohnung gibt es ein zimmer, das voll gestellt ist mit schachteln ihres "hausrats". am dachboden ist noch mehr. ich kann damit einfach nicht umgehen, es hängt so viel dran. ich selbst tu mir auch schwer ordnung zu halten, aber es geht soweit noch. manchmal merke ich, dass ich mich noch einem geheimen wohnort sehne, ich mich vor allem verstecken möchte und mich nicht als dazupassend emfpinde. vor einem jahr bin ich auf einer kunstuni aufgenommen worden, das hätte ich früher nie machen können, weil ich keine zeit und keine möglichkeit dazu gehabt hätte, meinen alltag frei zu gestalten. jetzt ist es soweit und ich bin drauf und dran alles kaputt zu machen. ich hab das gefühl für ganz normale dinge die man zum leben braucht fehlen mir die fähigkeiten. irgendwie ist da nichts. ich versteh mich selbst einfach nicht. es ist anstrengend sich jeden tag verstellen zu müssen, damit ja keiner sieht wer du bist. dabei fühl ich mich verlogen und unauthentisch.
na gut ich lass jetzt mal bleiben. tut mir leid, dass ich hier so wirres zeug geschrieben habe. aber hey, wir sind ja alle anonym hier.... :)
danke!
meine mutter war eine über alle maßen starke frau, die ich nur selten als sie selbst erleben konnte.