Hi,
wir haben ein Müll Problem.
Ja, wir. Ich bin seit 5 Jahren verheiratet, seit 9 Jahren zusammen. Wir waren schon unordentlich bevor wir zusammen kamen. Wir haben uns über unser Hobby und dem passenden Internet-Forum kennengelernt. Wir haben uns zwei mal an neutralen Orten getroffen, ein paar Wochen später wollte sie mich unbedingt besuchen. Ich war da noch Schüler, habe aber auch da schon ein ziemlich verwahlostes Zimmer gehabt. Ich hab ihren Besuch ein paar Wochen hinausgezögert gehabt, um aufräumen zu können, was dann auch solala geklappt hat. Später erfuhr ich, das es ihr genauso ging als ich das erste mal zu ihr kam (waren immerhin auch 450km Distanz zwischen uns).
Nach der Schule sind wir schließlich in meiner Region zusammengezogen, ich habe angefangen zu studieren, und sie hat endlich einen Job gefunden gehabt (sie war lange Arbeitslos nach der Ausbildung, hatte kleine Jobs). Der Umzug ging schnell. Viele ihrer Kisten von ihr (ich hatte kaum etwas) wurden irgendwo abgestellt, wurden dann 5 Jahre lang weder weg bewegt, noch geöffnet.
Wir waren und sind nie gut im Ordnung halten gewesen. Jedes Jahr war es der größte Terror, Platz für den Schornsteinfeger zu machen, hat aber immer irgendwie geklappt wenn man den Müll einfach in die anderen Zimmer schob.
Wir sammeln nichts, weder Zeitungen noch Andenken oder sonst etwas. Aber das was in die Wohnung kommt, das bleibt da auch. Seien es Essensreste, Verpackungen oder sonstwas. Pfand wird nur weg gebracht wenn er sich so hoch getürmt hat das er vielleicht gerade noch so ins Auto passt. Papierschnipsel liegen erst auf dem Tisch, bis sie von neuem Müll runter geschubbst werden. Dann liegen sie da...Bis der Haufen unter die Tischkannte reicht. Sporadisch wird mal weg geräumt was absolut notwendig ist. Wie der Eingang zur Toilette oder die Fläche um die Computermaus.Das sammelt sich in Säcken die dann aber auch nur auf dem Haufen Müll landen...
In der alten Wohnung sollten dann alle Fenster und Türen ausgetauscht werden. Wir haben den Termin bis aufs äußerste verschoben, er lag dann kurz vor Weihnachten. In ein paar Nacht und Nebel Gewaltakten haben wir die Wohnung einigermaßen so hin bekommen, das wir den Schwung Handwerker rein lassen konnten, an ihren Blicken konnten wir aber schon sehen das sie wussten was los ist, für Panik waren wir da aber einfach zu müde und verfroren (Alle Fenster wurden bei Minusgraden gleichzeitig rausgerissen, wir waren den ganzen Tag da). Als alles vorbei war, fühlten wir uns erlöst, wollten nach den anstrengenden Nächsten nur noch aus ruhen....Und so sah es dann Ende Januar fast schon wieder genauso aus wie vorher....
Wir wollten neu anfangen. Ich hatte in der Zwischenzeit mein erstes Studium vermasselt, hatte gerade mit einem zweiten begonnen, sie hatte endlich einen guten Arbeitgeber. Wir wollten raus aus der günstigen, vermüllten Wohnung in einem Altbau in einer schlechten Gegend der Großstadt, wir wollten in ein neues Leben.
Wir zogen um.
Wir hatten uns 4 Monate Zeit für den Umzug genommen. Ich hab mein Studium wieder vernachlässigt, um aufräumen, putzen, packen, transportieren etc.pp zu können. Denn Hilfe beim Umzug war undenkbar, so wie die alte Wohnung aus sah. Meterhohe Türme aus Müll, ob in Säcken oder ohne. Verratzte Möbel....
Wir hatten es geschafft, die neue Wohnung zu streichen, alle Möbel und Dinge zu verpacken und in die neue Wohnung zu bringen. In der alten war aber noch Müll und es musste geputzt werden. Es war nicht viel im Vergleich zu den Mengen die wir vorher schon "verarbeitet" hatten, aber wir haben es nicht geschafft. Wir sind total verzweifelt, saßen beide heulend auf dem Boden. Wir haben uns übers das Internet über das Thema informiert und festgestellt das wir dann wohl Messis sind, was erstmal bei beiden einen Nervenzusammenbruch im kleinen Rahmen verursacht hat. Zu der Zeit waren die ganzen Messi Sendungen im TV brand aktuell. Die Teile, in der die Betroffenen wie die schlimmsten Menschen auf der ganzen Welt dargestellt werden, in der die extrem krassen Fälle gezeigt wurden. Bei uns kann und konnte man sich noch durch die Wohnung bewegen, wir haben zwar Getier in den Müllhaufen, aber nicht in dem Ausmaß wie es dort gezeigt wurde. Trotzdem hatte das eine Effekt auf uns, der einfach nur lähmend war...
Wir haben damals eine Nummer einer Hilfe-Gruppe aus Norddeutschland (800km weg) gefunden...Meine Frau hat dort angerufen....
Die Dame am Telefon hatte wohl größtes verständniss war auch sehr Hilfsbereit (im Gegensatz zu dem was wir bei uns in der Region finden konnten!!!), hatte mit den Vermietern gesprochen, konnte den rest des Auszugs klären. Aber nicht mehr...Mit einem "Viel Erfolg" und "Sie werden das schaffen" beendete man das letzte Gespräch.
Es hat sich nichts geändert.
Ich sitze jetzt hier 2 1/2 Jahre später in der neuen Wohnung. Sie ist zu gemüllt bis oben hin. Morgen ist der letzte mögliche Termin, an dem die Vermieter die Wohnung besichtigen wollen, um zu schauen ob man die Türrahmen und Fenster sowie das Balkongeländer (wir waren seit einem Jahr nicht mehr draußen, weil der weg dort hin unwichtig ist und somit voller Müll liegt) streichen muss.
Die Hälfte des Mülls haben wir geschafft in Säcke zu packen. Wir wissen aber nicht wo wir die hin tun sollen. Im Vergleich zu früher wohnen wir in einem Vorort, früher in der Großstadt gab es Riesen Mülleimer überall, Mülltrennung war dort sowieso egal.
Sie sitzt im Schlafzimmer, weint, versucht Hilfe zu bekommen, doch außer ein paar Entrümplern von weit weg geht niemand ans Telefon. Ich hab das Forum gefunden, ein bisschen gelesen und mich dazu entschieden unserer Situation hier Luft zu machen, auch wenn es am Ende heißen soll, wir wären nur Faul.
Wir passen eigentlich ziemlich gut in die Parameter die man mittlerweile oft liest zum Thema Messies.
Sie hat einen recht guten Job, verdient nicht die Welt, aber es reicht zum gut leben. Ich habe mein zweites Studium ebenso wie das erste in den Sand gestzt, bin irgendwann einfach nicht mehr zur Uni gegangen. Stattdessen Jobbe ich in einem Pizza Laden, indem meine Frau auch einen Nebenjob hat. Dort haben wir beide kaum Probleme in der Küche zu arbeiten, zu putzen oder die anderen arbeiten zu erledigen die anfallen. Ich werde dort recht hoch angesehen, da ich auch fast täglich da bin, alle Dinge weiß und alle anfallenden Probleme lösen kann, egal in welchem Bereich.
Das gemeinsame Hobby, durch das meine Frau und ich zusammen gekommen sind, ist ein in Deutschland nicht ganz so großer Mannschaftssport. Nicht als Spieler, sondern als Ehrenamtliche Helfer in unseren Vereinen und als Fans. Sie leitet dort einen wichtigen Teil der organisatorischen Dinge, ich helfe wo ich kann und leite den größten Fanclub als Vorstand, habe Kontakt zu den Oberen Schichten bei den Sponsoren, beim Verein selber und bei der Liga....wir machen viel Kram, sind bei allen bekannt, tragen Verantwortung, sind dort sehr erfolgreich.
Nur Zuhause klappt gar nichts. Wir ersticken in Müll, machen nur das aller nötigste. Zum einzig in die Wohnung haben wir uns eine neue Küche vom Schweden geleistet. Die Korpusse, der Ofen und die Herdplatte stehen, der Rest liegt noch eingepackt in der Ecke, unter einem Berg nicht gewaschener Kleidung (der Wasserzulauf für die Waschmaschine funktioniert seit einem Jahr nicht mehr). Dazu überall Müll.
Unsere Körper sind Wracks vom ganzen Stress, schlechter Ernährung. Ich selber habe auch extreme Probleme was das Thema Zahnarzt und Mundhygiene an geht.
Wie bei wahrscheinlich jedem, fällt es alles andere als leicht über diese Dinge zu schreiben, wir schämen uns, hatten noch nie Besuch. Wir sind verzweifelt, aber nich so das wir alles in unserem Leben hin schmeißen wollen. Das Thema Wohnung, Ordnung ist allgegenwärtig.
Ich weiß gerade noch nicht mal, ob ich von den positiveren Dingen hier schreibe, weil ich will das wir nicht so schlimm aus sehen, oder um ein kompletteres Bild des ganzen dar zu stellen.