Hi Leute,
Ich darf mich kurz vorstellen: Ich, das Fusselinchen, lebe seit 9 Jahren mit meinem Lebensgefährten, einem Hund und einer Katze zusammen. Im Augenblick befinden wir uns in der Endphase unseres hoffentlich letzten Umzugs, und eigentlich sollte ich um 3 Uhr nachts im Bett liegen und schlafen um für die kommenden 2 Tage ausgeruht zu sein. Ich kann aber leider nicht schlafen, weil ich vorgestern mit Entsetzen festgestellt habe, daß mein Lebensgefährte einige Bereiche seines Lebens nicht mehr unter Kontrolle hat. Er ist selbständig und arbeitet schon seit vielen Jahren von zu Hause aus. Sein Büro und auch sein Lager (Kellerräume und Dachboden bei uns im Haus) waren für mich immer irgendwie Sperrgebiet. Ich wußte, wie es da aussah. Ich wollte mich aber nicht einmischen. Ich bin selbst nicht übermäßig pingelig, mag es aber gelegentlich auch mal sauber und aufgeräumt haben.
Vorgestern nun wurde ich darum gebeten, im halb abgebauten Büro meines Mannes Rechnungen und Unterlagen in einen Karton zu legen und die Regale auszuräumen. Dann bitte noch bei der Gelegenheit staubsaugen. Unseren Haushalt und meine persönlichen Sachen haben wir bereits vor 2 Wochen erfolgreich umgezogen. Ich lief mit schlechtem Gewissen rum, weil ich mich von meinen 20 Jahre alten Skates und ein paar lieb gewonnen alten Klamotten nicht trennen mochte und neben der Arbeit viel zu wenig Zeit für den Umzug aufbringen konnte. Dann betrat ich das Büro meines Mannes. Ich bin kaum durchgekommen. Auf dem Boden lagen wild verstreut ungelesene Briefe, allerlei Plastik, Ware, Rechnungen, tonnenweise Kabel von Elektrogeräten die sicherlich schon vor Jahren kaputt gegangen waren, etc... Zum Glück keine Lebensmittel!!! Kleingeld flog auch überall rum. Das gehört jetzt natürlich mir. Kartons? Zerfledderte kleine Schachteln standen da aber kaum brauchbare große Umzugskartons. Und das mitten im Lockdown kurz vorm Wochenende. Keine Zeit, sich noch Kartons liefern zu lassen... Mein Mann war auf dem Dachboden zugange. Der Staubsauger wurde schnell mein bester Freund. Alles, was in das Rohr paßte, verschwand im Staubsaugerbeutel. Ich wußte nicht mehr, über wen oder was ich mich mehr aufregen sollte: Über meinen Mann, der in einem Karton Ware, ungeöffnete und geöffnete Briefe, Plastikfolie und falsch bedruckte Etiketten lagerte und offensichtlich komplett den Überblick verloren hatte. Oder über mich, die schon vor Jahren beschlossen hatte, die Augen vor dem Durcheinander im Büro zu verschließen? Oder sollte ich mich doch eher darüber ärgern, daß er mir noch vor 2 Wochen erzählte, ich hätte in meinem eigenen Büro/Hobbyraum ja anscheinend schon seit längerem nicht mehr gründlich gesaugt?! Sollte ich mich bei der Gelegenheit über den Lockdown, der alles noch viel komplizierter macht, aufregen?!
Grade bin ich aufgewacht und habe wutentbrannt den Fernseher, der den Umzug nicht überlebt hatte, nach draußen in den Regen gestellt. Am liebsten hätte ich noch einen 2. sehr alten Fernseher, der noch sehr eingeschränkt funktioniert, im hohen Bogen auf die Einfahrt geworfen. Mein Mann hat schon Pläne geschmiedet, in welchem Zimmer er diesen Schatz aufstellt. Ich bin kurz davor, ihm eines der zahllosen VGA- oder LAN-Kabel um den Hals zu wickeln... OK, Mord ist keine Option. Im Geiste habe ich ihn in den letzten 24 Stunden schon 100 Mal rausgeworfen. Den Fernseher, den ich auf die Terasse gestellt habe, habe ich mit in die Beziehung gebracht. Bei Sachen, die mir gehören, hat mein Mann grundsätzlich kein Mitspracherecht, sonst hätten wir hier noch mehr Müll.
Wißt ihr, was das schlimme ist? Nach Außen hin ist mein Mann total pingelig. Wenn wir Besuch eingeladen hatten, hat ER die Küche und das Gästezimmer geputzt und vorbereitet, weil ich es nicht gut genug gemacht habe. Ok, das kam meiner Faulheit durchaus entgegen. Wer meint, er könne alles besser machen, der braucht meine Unterstützung offensichtlich nicht :-P
Und jetzt stehe ich hier und schaue auf die Trümmer der letzten 10 Jahre und frage mich, was eigentlich schief gelaufen war. War ich einfach nur zu gutmütig? War ich zu bequem? Habe ich zu viel Verantwortung auf ihn abgeschoben um selbst meine Ruhe zu haben? Hätte ich mich viel früher durchsetzen müssen? Letzteres wäre mir bei diesem Mann nicht gelungen. Ich habe ihn noch nie so kleinlaut erlebt wie gestern und vorgestern: Egal wie sehr er mich drum gebeten hatte die Klappe zu halten und ihm erst nach Abschluß des Umzugs die Meinung zu geigen, ich habe meinen Mund nicht mehr halten können. Ich habe jeden ungeöffneten Brief und auch so manch anderes Zeug von ihm entsprechend kommentiert. Mir hat die Kraft gefehlt, ihn anzuschreien oder zu heulen. Ich lebe seit Jahren mit einem Menschen zusammen, der alles gebrauchen kann und nicht wahr haben möchte, wofür es Mülltonnen und Mülldeponien gibt. Ich habe es nicht wahr haben wollen und muß jetzt die Konsequenz aushalten. Im Gegenteil: In meiner Naivität habe ich sogar immer mal wieder noch beim Ausmisten meiner Sachen gefragt, ob er noch etwas davon gebrauchen könne. Ich wurde schließlich auch noch so erzogen, daß man "noch gute Sachen" nicht einfach wegwirft. Er konnte alles gebrauchen... Natürlich... :-(
Mülldeponie und Restmülltonne werden die kommenden Wochen meine besten Freunde werden, schätze ich. Statt mich zurückzulehnen und auf meinen Partner zu verlassen und gemeinsam die eigenen 4 Wände zu genießen, werde ich diesen Menschen vermutlich für den Rest unserer gemeinsamen Zeit permanent kontrollieren und überwachen müssen, damit unser (MEIN) eigenes Haus, nicht binnen kürzester Zeit wieder so aussieht wie das alte. Im Moment kann ich nicht sagen, wie lange meine Kraft dazu reicht. Werde ich es wieder zulassen, daß mein Wohnraum vermüllt wird? Oder werde ich mich trennen, wenn ich die Schnauze endgültig voll habe? Wie kann ich ihn dazu bringen, Hilfe anzunehmen - zu lernen, aufzuräumen und sich von altem Plunder zu trennen?
Alles Fragen, die ich bis vor 2 Tagen nicht ansatzweise in Erwägung gezogen hatte.
Und doch bin ich dankbar, daß es in keinem der von meinem Mann benutzten Räume zu Schimmelbildung oder ähnlichem gekommen ist... Ja, es hätte noch viel schlimmer kommen können :-(
Montag darf ich wieder im Homeoffice am Schreibtisch sitzen und funktionieren...
Viele liebe Grüße und ein fettes DANKE, daß es euch gibt und ich mich bei euch ausheulen durfte :-)
Fusselinchen